Philosophie für Zwischendurch: Hoffnung in einer zerbrochenen Welt?

„Haben oder Sein“. Auch der christliche Existenz-Philosoph Gabriel Marcel stellt diese Frage und er formuliert ein probates Mittel, wie der Mensch in einer zerbrochenen Welt Hoffnung schöpfen und sich Gott hinwenden kann: durch das Beten.

Gabriel Marcel (1889-1973) war ein französischer Philosoph und gehört, ebenso wie der Däne Sören Kierkegaard zu den christlichen Existenzphilosophen. Er war einer der frühesten existenziellen Denker und Wegbereiter der Existenzphilosophie. Anders als bei den atheistischen Existenzphilosophen fußt seine Philosophie auf der Basis des christlichen Glaubens. Er hat festgestellt, dass der Mensch in einer Welt lebt, in der das Haben (wollen) wichtiger geworden ist als das Sein und er dadurch entfremdet ist. Diese Welt wird vom „Nicht-zu-Verfügung -Stehenden“, also vom „Nicht-Haben“ beherrscht. Marcel versucht, die Entfremdung des Menschen in dieser Welt zu überwinden, in der das „Haben“ eine größere Rolle spielt als das „Sein“ und die deshalb vom „Nicht-Haben“ beherrscht wird, wodurch sich der Mensch im bloßen „Problem-Denken“, das ihn nicht wie ein Mysterium zutiefst erfasst, seiner selbst entäußert, das heißt, sich von sich selbst entfremdet. Der Mensch des 20. Jahrhunderts lebt nach Marcel in einer zerbrochenen Welt. Er lebt in einer Welt, in der der Sinn des Sakralen abhandengekommen und die Einheit des Menschen zerrissen ist. Er stellt sich die Frage, ob es in dieser zerbrochenen Welt noch Hoffnung gibt.  Die Technik schafft zwar die Illusion der Macht, sie ist aber letztlich auch nur der Verlust alles Menschlichen, sie ist das Nicht-Haben des Menschlichen. Die Kommunikation der Individuen untereinander bezeichnet er ebenfalls als entfremdend, da sie nur auf die Einsamkeit jedes einzelnen Menschen zurückweist. Die Absonderung der einzelnen Existenzen wird dadurch verursacht, dass das objektiv Seiende, das Gegebene, als einzig mögliches Sein aufgefasst wird. Dies ist aber nicht der Fall, denn es mangelt ihm der Transzendenz.  Echtes Sein ist transzendent, persönlich. In dem vor Gottes Antlitz realisierten Verhältnis einer Person zur anderen sieht Marcel das Vorbild für jedes Verhältnis des Menschen zum Sein. Dies bezeichnet er als die Liebe. Liebe ist stetiges Transzendieren, sie ist der Durchbruch zum Anderen. Der andere ist dann kein Objekt mehr (Er), sondern ein im Dialog erfahrbares Gegenüber, ein „Du“.  Dies kann eine menschliche Person, aber auch Gott sein.  Allein mit der Vernunft ist ein solcher Durchbruch nicht möglich. Ebenfalls kann man mit der Vernunft die Existenz Gottes nicht beweisen. Der glaubende Mensch erlebt Gott als geheimnisvolle Präsenz, er vermag sich der existenziellen Anwesenheit Gottes anzunähern. Dies geschieht durch das Beten.

Beten ist die einzige Art, an Gott zu denken, bei ihm zu sein. Dieser Glaube ist selbstverständlich keine Meinung oder Weltanschauung, sondern Gott ist die Realität, der gegenüber sich der Mensch öffnet, auf die er seine Hoffnung setzt. Die Verbundenheit mit Gott als dem absoluten „Du“ ist für Marcel das erstrebenswerteste Lebensziel, auf das sich alle Hoffnung richtet, selbst in einer zerbrochenen Welt.

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17. Februar 2023