Philosophie für Zwischendurch: Die göttliche Relativität

Charles Hartshorne (1897-2000) war ein US-amerikanischer Philosoph, der als einer der Begründer und Entwickler der Prozesstheologie gilt. Nach der antiken Metaphysik, der Sichtweise Platons und Aristoteles´ ist Gott das unveränderliche Absolute, das ständig Gleichbleibende, der unbewegliche Beweger.  Diese traditionelle Vorstellung von Gott lehnt Hartshorne ab, weil sie nicht mehr in die moderne Welt passt. Er hat es sich vielmehr  zur Aufgabe gemacht, die Idee der Gottheit neu zu formulieren, um ihren religiösen Wert zu bewahren und gleichzeitig die Widersprüche aufzulösen, die mit der traditionellen Definition verbunden sind. Er versucht, die Probleme neu zu definieren, die die westliche Welt bei ihrer Suche nach dem Verständnis und Verhältnis von Gott und Menschen herausgefordert haben. Er versucht, scholastische traditionelle Vorstellungen der göttlichen Absolutheit zu widerlegen und ein widerspruchsfreies und ein religiös angemessenes Gottesbild zu entwickeln, so dass auch der moderne Mensch etwas mit Gott anfangen kann.  Gott ist für Hartshorne nicht mehr ein unveränderliches Wesen, das von oben herab auf die Welt blickt, sondern Gott ist eine schöpferische erwidernde Liebe. Trotz seiner vollkommenen Natur steht Gott in einer fortschreitenden Wechselwirkung mit der Welt. Er steht in einer ständigen Interaktion, einem Austausch mit seinen Geschöpfen. In dem Maße, in dem sich die Geschöpfe verändern, verändert sich auch Gott. Er befindet sich sozusagen in einem ständigen Prozess der Veränderung. Diese Auffassung bezeichnet man als Prozesstheologie, die ein Teil der Religionsphilosophie ist. Gott bedarf der Schöpfung in dem Maße wie die Schöpfung Gott bedarf. Eine Schöpfung ohne Gott ist nicht vorstellbar und ein Gott ohne Schöpfung ist nach dieser Auffassung auch nicht vorstellbar. Wenn es keine Schöpfung gäbe, wäre Gott nicht Gott. Dieser Gott hat sowohl eine abstrakte ewige, als auch eine konkrete Natur Die konkrete Natur unterliegt der Veränderung als auch dem Leiden. In dieser konkreten Natur, vor allem im Leiden, ist er auch dem einzelnen Menschen erfahrbar. Wenn der Mensch leidet, so leidet Gott mit.  Die Frage lautet, in welcher Hinsicht Gott nun absolut und in welcher er relativ ist. Gott ist in der Hinsicht absolut, dass es ihn, gemäß der traditionellen Sichtweise schon immer gibt. Er ist in der Hinsicht relativ, dass er sich verändert und so immer und jederzeit neu entdeckt werden kann. Hartshorne bezeichnet seine Lehre als Panentheismus, nach der die Welt in Gott eingeschlossen ist und in ihm ihren Halt hat. Von Helga Ranis

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