Arbeit als philosophischer Begriff
Unter Arbeit im philosophischen Sinn versteht man alle Prozesse der bewussten schöpferischen Auseinandersetzung des Menschen. Sinngeber dieser Prozesse sind die selbstbewusst und eigenverantwortlich handelnden Menschen mit ihren individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Anschauungen im Rahmen der aktuellen Naturgegebenheiten und gesellschaftlichen Arbeitsbedingungen. Das Wort „Arbeit“ bedeutet im vorphilosophischen Sprachgebrauch: Mühsal, im Gegensatz zur Muße, Verbesserung des Lebensunterhalts und der Lebensbedingungen. Aristoteles schuf die philosophische Kategorie „poiein “ (Tun, Schaffen, Bewirken), im Gegensatz zum herkömmlichen Arbeiten, das mit douleuein (douleuein) ausgedrückt wird. Die wörtliche Übersetzung für douleuein heißt sich abmühen und das Wort doulos (doulos) bedeutet im Deutschen Sklave. Aristoteles vertrat die Auffassung, dass die herkömmliche Arbeit, das sich Abmühen eines Bauern z.B. im Gegensatz zur Freiheit stehe. Frei kann man nur sein, wenn man nicht unter dem Zwang eines anderen lebe. Denn jede Arbeit, die zum Zweck der Lebensunterhaltung- und verbesserung verrichtet werden muss, bedeutet im aristotelischen Sinn Zwang und Unfreiheit. Diese Freiheit traf natürlich nur auf die materielle und geistige Elite zu, auf diejenigen, die sich keine Sorgen um ihren Lebensunterhalt machen mussten. Für die anderen bedeutete Arbeit, Mühsal, Unsicherheit und Abhängigkeit. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Für die meisten Menschen, die in der Dienstleistung oder Produktion arbeiten, bedeutet Arbeit Mühe, das Einhalten von Vorschriften, Weisungsgebundenheit und damit verbundene Abhängigkeit von Vorgesetzten, also gerade das Gegenteil der aristotelischen Idealvorstellung. Zweck dieser Arbeit ist nicht die Erreichung eines gemeinsamen Zieles, die Identifikation mit dem Arbeitgeber, wie es gerne in den so genannten. „Firmenphilosophien“ vorgegeben wird, sondern das eigene Überleben und die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Um das eigene Überleben und das der Familie sichern zu können, verkauft der Mensch nach marxistischer Auffassung seine Arbeitskraft als Ware, wobei er den Preis dieser Ware nicht selbst bestimmen kann, sondern dieser Preis ihm vom Unternehmen vorgegeben wird. Auf diese Weise entstanden die Lohnarbeit und der moderne Begriff der „abhängig Beschäftigten“. Da die meisten Menschen, die in der Produktion arbeiten, keinen Bezug zu ihrer Arbeit haben, beziehungsweise die Gegenstände, die sie herstellen, nicht brauchen, beziehungsweise sich nicht leisten können, spricht Marx hier von der entfremdeten Arbeit. Dieser entfremdeten Arbeit stellt er den eschatologischen Charakter der Arbeit gegenüber, der Zeit, in der die Menschen noch von ihren eigenen Produkten leben konnten beziehungsweise das, was sie nicht hatten, durch Tausch erwarben. Diese Vorstellung ist allerdings ebenso idealisierend wie die aristotelische.
Arbeit, egal in welcher Form, ist eine notwendige Existenzbestimmung menschlichen Daseins. Ohne Arbeit wäre man auf die Unterstützung anderer angewiesen, also ebenfalls wieder abhängig. Allerdings sollte man die Arbeit und die Arbeitenden gleichermaßen wertschätzen und ihren Tätigkeiten entsprechend gerecht vergüten. Denn zum Begriff der Arbeit gehört notwendigerweise auch der der Gerechtigkeit.
Mehr von Helga Ranis
Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten
Das gute Leben im Ganzen der Natur
Über die Notwendigkeit des Verzichts
Der Unterschied von “ich” und “wir”
Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus
Die fünf Wege, Gott zu erkennen
Die größte Tugend ist es, dem Weg zu folgen und nur diesem Weg
Über die Ausgeglichenheit der Seele
Philosophische Gedanken über das Alter: “De senectute” von Marcus Tullius Cicero
John Stuart Mill: Vom Prinzip des größten Glücks
Selbstreflexion von Blaise Pascal: Was ist ein Mensch in der Unendlichkeit?
Tipps von Epiktet: Wie wir innerlich frei werden können