„Blickt auf die Weite, die Festigkeit, die Raschheit des Himmels und hört einmal auf, Wertloses zu bewundern!“

Dieses Zitat stammt aus dem Werk „ Consolatio philosophiae (Trost der Philosophie des spätantiken Philosophen und Politikers Boethius, 480-524).  Trost der Philosophie bedeutet Trost durch die Philosophie, die Philosophie als Mittel des Trostes. Und zwar als Trost in höchster Gefahr, in tiefster Verzweiflung, im Angesicht des bevorstehenden Todes.  Die Consolatio schildert die Heilung des in der Gefangenschaft seelisch erkrankten Autors, die sich unter Anleitung der Philosophie vollzieht. Der Verfasser war ein hochrangiger Politiker unter Theoderich dem Großen, fiel aber in Ungnade und wurde zum Tode verurteilt. Im Kerker, auf seine Hinrichtung wartend, schrieb er dieses Buch. Er führt ein Gespräch mit der Philosophie, die ihm im Gefängnis als allegorische Gestalt, als majestätische Frau, erscheint und ihn in diesem Gespräch von der Todesangst und der Empörung über das ungerechte Urteil heilen kann. Sie erklärt ihm, dass die Welt nicht dem Zufall überlassen sei, sondern dass alles seine Ordnung und seinen Sinn habe. Alles geschieht entsprechend der göttlichen Vorsehung und des göttlichen Plans, ein Ausgangspunkt der späteren hegelschen Geschichtsphilosophie. Was immer dem Einzelnen an Unrecht und Grausamkeiten passieren mag, ist ihm von Gott geschickt zur Läuterung seiner Seele. Doch die personifizierte Philosophie möchte nicht nur trösten, sondern auch dem Verfasser ermöglichen, den Weg wieder zu ihr zurückzufinden. Denn, obwohl er Philosoph ist, hat er wegen seines schweren Schicksals grundlegende philosophische Einsichten vergessen und leidet deshalb umso mehr an seinem Schicksal. In einem langen Gespräch, das zwischen Prosa und Lyrik abwechselt, gelingt es der Philosophie, dass sich der Gefangene wieder an diese Einsichten und Erkenntnisse erinnert und wieder zu ihr zurückkehrt.  Er kann der Verzweiflung entrinnen und sein Schicksal akzeptieren. Er erfährt insofern Trost durch die Philosophie. Die allegorisierte Philosophie wendet sich aber nicht nur an den Verfasser des Textes, dass er zur Philosophie zurückkehre. Auch der jeweilige Leser soll durch die Methode des Gesprächs Zugang zu philosophischen Einsichten und Erkenntnissen, Zugang zur Philosophie selbst, erhalten und erkennen lernen, dass es sich nicht lohnt, Wertloses zu bewundern oder Wertlosem nachzustreben.

Zusammen mit den Confessiones Augustins zählt die Consolatio zu den berühmtesten Werken der spätantiken lateinischen Literatur und wird auch heute noch als Erbauungsbuch gelesen.  Dies umso mehr, weil der „Trost der Philosophie “ tatsächlich von einem zum Tode Verurteilten, von einem, der auf seine Hinrichtung wartet, geschrieben wurde.  Von Helga Ranis.

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