„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“

Ludwig Wittgenstein 1889-1951 war einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er lieferte wichtige Beiträge zur Philosophie der Logik, der Sprache und des Bewusstseins. Das o.g. Zitat stammt aus einem seiner Hauptwerke, dem Tractatus logico-philosophicus,  aus dem Jahre 1921. Mit diesem Werk wollte Wittgenstein zeigen, dass man philosophische Probleme nur verstehen und auflösen kann, wenn man begreift, dass diese erst durch eine falsche Anwendung der Sprache erzeugt werden. Ziel der Philosophie ist die Unterscheidung von sinnvollen und unsinnigen Sätzen mittels der Funktion der Sprache. Eine Fehlanwendung der Sprache, eine falsche Formulierung haben Missverständnisse und Fehlinterpretationen zur Folge. Insofern ist für Wittgenstein alle Philosophie Sprachkritik. Zwischen dem Denken und der Sprache besteht ein unmittelbarer Zusammenhang.
Das Denken drückt sich durch die Sprache aus, die Sprache ist das Medium, um die Gedanken zu artikulieren. Sie ist die Welt, in der wir leben, kommunizieren, Ideen austauschen. Sie ist das  wichtigste Medium, das unser Leben bestimmt. Je weiter das Sprachvermögen gefasst ist, umso weiter ist die eigene Welt, dabei muss man seine eigene Umgebung nicht einmal verlassen, wie Kant gezeigt hat, der zeit seines Lebens seine Heimatstadt nicht verlassen hat. Je minimierter das Sprachvermögen ist, umso kleiner ist die eigene Welt, die Vorstellungskraft. Die Sprache ist entscheidend dafür, in welchem Maße der Mensch die Welt erfasst.
Doch, was für die Philosophie gilt, sollte auch für andere Bereiche, wie Politik und Medien gelten. In schwierigen Zeiten sprechen die einen von einer Krise, also von einer schwierigen Lage, die den Höhe-und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt, die das eigene Leben bedroht und vor der man Angst hat.  Die anderen bezeichnen dasselbe Phänomen als Herausforderung, nach deren Bewältigung man gestärkt hervorgeht. Dasselbe Problem wurde einerseits als „Asyltourismus“ bezeichnet, andererseits als Ermutigung und Aufforderung „Wir schaffen das!“  oder „Yes, we can!“genannt. Im ersten Beispiel sind es die anderen, vor denen wir vielleicht auch berechtigte Angst haben, also eine Krise. Im zweiten Fall ist es eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen, und von der wir auch letztlich profitieren. Denn, die Herausforderung, die wir schaffen müssen, macht uns stärker, während die Krise das Gefühl vermittelt, noch einmal Glück gehabt zu haben. Es macht einen Unterschied, ob man als Politiker bzw. Politikerin populistische Versprechungen macht, die man allein nicht einhalten kann oder ob man seinen Mitbürgern und Mitbürgerinnen vermittelt, dass man daran glaubt, diese Aufgabe gemeinsam bestehen zu können und auf die Solidarität aller baut.
Beide Herangehensweisen für dasselbe Problem zeigen ein unterschiedliches Sprachbild und damit nicht nur ein unterschiedliches Weltbild, sondern auch eine unterschiedliche Einstellung den Menschen der eigenen Nation gegenüber. Auch in der Politik macht es  einen Unterschied, ob man „ich“ oder „wir“ sagt. Von Helga Ranis.

 

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