Philosophie für Zwischendurch: Die entfremdete Arbeit

Karl Marx hat den Begriff der „entfremdeten Arbeit“ geprägt. Es ist immer wieder inspirierend, sich mit seiner Philosophie auseinander zu setzen. Allerdings haben sich die Verhältnisse seit seiner Zeit (1818-1883) fundamental geändert. Das Internet bietet vielen Menschen die Möglichkeit, sich ohne viel Geld mit den nötigen Produktionsmitteln einzudecken.

Die ökonomisch-philosophischen Manuskripte von Karl Marx aus dem Jahr 1844 stellen das erste größere polit-ökonomische Werk des Philosophen dar. In diesen Manuskripten formuliert er den Begriff der entfremdeten Arbeit. Für Marx ist die Arbeit die zentrale, alles begründende Kategorie, mit deren Analyse er die gesellschaftlichen Prozesse erklären und verständlich machen möchte. Ausgehend von den durch die Industrialisierung verursachten Arbeitsbedingungen und dem Elend der Arbeiter erkannte er, dass der Arbeiter das wachsende Privateigentum des Unternehmers (Marx bezeichnet diesen als Kapitalisten) produziert und somit ausgebeutet wird. Da der Arbeiter nicht für sich, sondern für den Unternehmer produziert, hat er keinen Bezug zu seiner Arbeit und zu dem hergestellten Produkt, das heißt,  er entfremdet sich von seiner Arbeit. Der Arbeiter produziert eine wachsende Zahl fremder Waren, die er selbst nicht braucht und die er sich auch nicht leisten kann. Durch seine Arbeit vergrößert er den Reichtum des Unternehmers, der die hergestellte Ware zu einem Preis, der über dem Lohn des Arbeiters liegt, verkauft.  Der Arbeiter stellt das Lohnarbeitsverhältnis, das ihn ausbeutet, selbst her und muss seine Arbeitskraft als Ware verkaufen, da er selbst keine eigenen Produktionsmittel hat. Dadurch entfremdet er sich auch von sich selbst. Marx spricht hier von der doppelten Entfremdung. Der Arbeiter wird umso ärmer, je mehr Reichtum er für den Unternehmer produziert. Diese Entfremdung durch das Lohnarbeitsverhältnis zwischen Arbeiter und Unternehmer manifestiert sich folgendermaßen:

Der Arbeiter hat keinen Bezug zu seiner Arbeit. Sie stellt sich ihm als fremd gegenüber. Das Produkt seiner Arbeit gehört nicht ihm, sondern dem Unternehmer und er kann es sich auch nicht leisten. Als Beispiel hierfür soll für unsere Zeit die Fließbandarbeit in der Autoindustrie dienen.

Dadurch dass der Arbeiter keinen Bezug zu seiner Arbeit hat, befriedigt die Arbeit auch keine Bedürfnisse des Arbeiters, sondern sie dient nur als Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen. Das Produkt der Arbeit gehört nicht dem Arbeiter, sondern einem Anderen.

Auf Grund seiner Gattung strebt der Mensch eine freie und bewusste Tätigkeit an (Marx bezieht sich hier vor allem auf Aristoteles) und setzt sich für die Gestaltung der Umwelt und der Gesellschaft ein. Die Arbeit hat somit eine ethische, fast religiöse Komponente. Da dem Arbeiter diese freie und bewusste Tätigkeit nicht möglich ist und er seine Ware als Arbeitskraft verkaufen muss, kann er somit nicht seiner Gattung gemäß leben, er ist seinem Gattungswesen entfremdet.

Die Konsequenz aus der Entfremdung von Arbeitsprodukt, Tätigkeit und dem menschlichen Wesen ist die Entfremdung des Menschen vom Menschen, sowohl von sich selbst als auch von den Mitmenschen. Von Helga Ranis

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