De tranquilitate animi: Diese Schrift gibt ein Gespräch zwischen Seneca und einem seiner Schüler wieder, der von Selbstzweifeln gequält wird und Seneca um Rat fragt, was er dagegen tun und zur Ausgeglichenheit der Seele gelangen könne. Er bezeichnet seinen Zustand als Krankheit und sucht bei Seneca Hilfe bzw. Heilung.

„Das aber, worauf du deine Sehnsucht richtest, ist etwas Großes, Vollkommenes und der Gottheit Nahes: sich nicht erschüttern zu lassen.“, lautet die philosophische Antwort. Und mit den Mitteln der Philosophie versucht Seneca, dem jungen Mann zu helfen.

Er erklärt ihm, dass es darum gehe, dass und wie der Geist immer in gleichmäßiger und glücklicher Bewegung verbleibe, mit sich selbst in Übereinstimmung stehe, sich selbst reflektiere, nie überheblich oder niedergeschlagen sei. Diesen Zustand bezeichnet Seneca als „tranquilitas animi“.  Diesen Zustand zu erreichen ist die gewissermaßen die Voraussetzung für den Zustand der Seele, den man mit dem altmodischen Wort „ Seelenheil“ bezeichnet.  Er beinhaltet, Vertrauen zu sich selbst zu haben, auf dem richtigen Weg zu sein, ohne sich ablenken zu lassen, nicht in die Irre zu gehen. Es geht um Fragen, die nicht nur Senecas Gesprächspartner hat.

Der Begriff der tranquilitas animi, der Ausgeglichenheit der Seele, geht auf das griechische Wort Eudaimonie zurück und bedeutet in der ursprünglichen Übersetzung „Glückseligkeit“.  Darunter wird eine gelungene Lebensführung nach den Anforderungen und Grundsätzen einer philosophischen Ethik und den damit verbundenen Gemütszustand verstanden. Tranquilitas bedeutet wörtlich übersetzt „ Ruhe“. Diese Ruhe ist eine Voraussetzung für die Ausgeglichenheit.  Sie kann nicht durch äußere Güter, materiellen Wohlstand oder sinnliche Befriedigungen erzielt werden, sondern ist die Folge des rechten Handelns. Sie zeigt sich in der Widerstandsfähigkeit gegen die Affekte, einer inneren Übereinstimmung und Harmonie aller Handlungen, einer aus dem Innern kommenden Festigkeit des Charakters, des Urteilens und der Selbstbeurteilung sowie einem unerschütterlichen Festhalten am rechten Urteil. Dies hört sich zugegebenermaßen nach einer grenzenlosen Überforderung an und führt notwendigerweise zu der Frage, wie man zu dieser tranquilitas gelange.  Nach Seneca fällt sie nur jenen zu, die im Besitz eines unerschütterlichen und gewissen Urteils über Wissen um Wahrheit die Regeln des ganzen Lebens sind. Dieses Wissen setzt wiederum die richtige Grundhaltung der Seele, diese wiederum das richtige Wollen voraus. Ohne das richtige Wollen ist richtiges Handeln nicht möglich. Tugend, die richtig handelt, ist Wissen um fremde Gegenstände und Selbsterkenntnis. Die Erkenntnis der Wahrheit, Ordnung, Maß und Schicklichkeit im Handeln, uneigennütziges und gütiges Wollen, Vernunft, ein rechtes Maß zwischen Muße und Verpflichtungen,  sind die Voraussetzungen dafür, dass man von Weisheit sprechen kann. Dazu muss man dem Geist auch immer wieder Erholungsphasen einräumen und ihm die Muße gönnen, die zur Nahrung und Kräftigung dient. Dazu gehören ein ausgedehnter Spaziergang, eine Reise, Literatur, ein Glas guten Weines u.ä. Alles in Maßen und nichts im Überfluss. Wer diese Voraussetzungen erfüllt, „hat eine Seele, wie es Gott entspricht“.  Das Bewusstsein um das rechte Maß, die Vernunft, ist notwendig, um den Zustand der inneren Freiheit zu erreichen. Dieser Zustand der inneren Freiheit beinhaltet das Freisein von Sorge, eine Überlegenheit in den Anfechtungen des täglichen Lebens, ein Lossagen vom Alltäglichen, es bedeutet Teilnahme an Umwelt und Weltgeschehen.   Von Helga Ranis.

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