„Geld “, so der Philosoph und Soziologe Georg Simmel „ist nicht mehr als ein profanes Mittel zur Abwicklung eines ökonomischen Verkehrs. In der modernen Gesellschaft ist es mehr und mehr zu Gott geworden. Geld durchdringt alles, es hat sich zum Selbstzweck aufgeschwungen.“  Diese im Jahre 1900 gemachte Aussage hat an Brisanz nichts verloren, im Gegenteil, sie scheint aktueller denn je. Der Mensch ist religiöser und persönlicher Bindungen verlustig geworden, was er nun durch Geld zu kompensieren versucht. War das Geld in früheren Zeiten ein Mittel zum Leben, so ist es jetzt zum Lebenszweck geworden, ein moderner Gott, den die Massen anbeten, der ihrer Sehnsucht nach Sinn aber niemals gerecht werden kann.  Dass das Geld eine Ersatzreligion geworden ist, manifestiert sich darin, dass den Banken in den Städten eine größere Bedeutung als den Kirchen zukommt und dass die Banken größer sind als diese. Das Geld als Papier ist zwar wertlos, es gewinnt nur an Wert durch die Zahlen, die darauf stehen und durch diese Zahlen wird es zum Wertvollsten auf der Welt. Jeder strebt danach, jeder will, selbst wenn er viel davon hat, noch mehr davon haben. „Geld regiert die Welt.“, lautet ein bekanntes Sprichwort.  Sogar das Selbstwertgefühl des Menschen, seine Einstellung zum Leben, seinen Platz in der Gesellschaft werden vom Geld bestimmt. Und, wenn man genug davon hat und es anlegen kann, vermehrt es sich von selbst. Geld erhält immer mehr Einfluss auf die Politik, auf die Gesellschaft und auf die Menschen. Alle scheinen sich ihm unterzuordnen.  Die von Simmel vertretene Philosophie bezeichnet man als Kulturphilosophie. Sie befasst sich u.a.  mit den Phänomenen der industrialisierten modernen Gesellschaft, wozu auch die Geldwirtschaft gehört. Geld war das Urphänomen der Moderne.  Andererseits hat die Verbreitung der Geldwirtschaft dem Menschen aber auch zahlreiche Vorteile gebracht, wie die Überwindung des Feudalismus und die Entwicklung moderner Demokratien. Geld ist somit auch die Voraussetzung für die Entwicklung der individuellen Freiheit. Die Loslösung aus persönlichen Abhängigkeiten und überlieferten Traditionen war, um mit Simmel zu sprechen, nur mit verfügbarem Kapital möglich. Je reibungsloser der Güteraustausch mittels Geld funktioniert, desto vielfältiger wird das Spektrum der Berufe, desto mehr differenzieren sich Gesellschaften aus. Auch die Emanzipation der Frauen, die Loslösung aus einer anderen Abhängigkeit, kann nur unter der Voraussetzung der eigenen Berufstätigkeit und des eigenen Einkommens verwirklicht werden. Die Vielfalt der Kultur hängt ebenfalls direkt von einem gut funktionierenden Geldsystem ab. Eine Stadt muss genügend Geld haben, um ein Opernhaus zu bauen, die BürgerInnen müssen genügend Geld haben, um sich eine Opernkarte leisten zu können. Geld, so das Fazit, ist per se weder gut noch schlecht, sondern es kommt auf den angemessenen Umgang damit an. Letztendlich hat der Mensch die Freiheit, nach Dimensionen zu streben, die mehr als Geld sind, wie z.B. Bildung und Kultur. Von Helga Ranis.

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