Gesund Essen

Leider ist das Koch-Wissen früherer Generationen bei vielen Familien verschütt gegangen oder wird aus Zeitmangel nicht mehr gepflegt. Denn wer nach klassischen Rezepturen mit hochwertigen Zutaten und handwerklicher Kompetenz kocht, kann mit ungetrübter Freude genießen. In ihrem Diskurs über traditionelles Kochwissen und gesunden Genuss kommen beispielsweise der Allgemeinarzt Gunter Frank, der Professor für Pharmazeutische Biologie Michael Wink und die Sterneköchin Léa Linster zu diesem Ergebnis.

Es gab eine Zeit, da konnte es nicht exotisch genug sein: den Anfang machte Toast Hawaii mit Ananas-Scheiben, Schinken und Schmelzkäse. Dann kam der Krabben-Cocktail mit viel Mayonnaise. Lichies in Dosen und Mangos sowie industriell vorgefertigte Gerichte wie „Chinesisches Wok-Gericht süß-sauer“ begannen die Herzen der Verbraucher zu erobern. Exotik war chic.
Vor etwa 20 Jahren begannen Pioniere wie Barbara Temelie die damaligen Glaubenssätze in Sachen Ernährung auf den Kopf zu stellen. Südfrüchte, so wusste die die Ernährungsexpertin und Erfolgsautorin zu berichten, sind beispielsweise nicht für Frauen geeignet, die unter Antriebsschwäche, kalten Händen und Füßen leiden. Und sie hatte dafür auch eine einleuchtende Erklärung. Bananen und Orangen wachsen in tropischen Gefilden und für heiße Gegenden erfüllt dieses Obst auch seinen Zweck: nämlich den Menschen Kühlung zu verschaffen. Nicht aber für das winterkalte Deutschland, in dem viele Menschen sowieso schon frieren. Ein fröstelnder Mensch beschwört mit Orangen geradezu Erkältungskrankheiten herbei, statt sie zu verhindern. Trotz Vitamin C.
Barbara Temelie gehört zu den Ersten, die hierzulande die ungewöhnlichen Erkenntnisse der chinesischen Gesundheitslehre propagierten. Dazu gehört zum einen, die thermische Qualität von Lebensmitteln zu berücksichtigen, aber auch das uralte Prinzip der fünf Geschmacksrichtungen: süß, scharf, salzig, sauer, bitter. In einem bekömmlichen Gericht sind beim Kochen nach den fünf Elementen all diese fünf Geschmackrichtungen enthalten.
Immer wieder macht die Ernährungsexpertin die erstaunliche Feststellung, dass viele traditionelle Rezepte der einheimischen Küche den chinesischen Ernährungs-Prinzipien entsprechen. Mit heimischen Lebensmitteln lassen sich die Prinzipien der chinesischen Gesundheitslehre wunderbar umsetzen Gekochtes Rindfleisch beispielsweise gehört ebenso wie Hühnersuppe zu den kraftvollsten Mitteln, wenn es darum geht, geschwächte Energien zu stärken. Besonders zu empfehlen sind laut Barbara Temelie Gemüse und Fleisch der Saison, das bedeutet im Herbst zum Beispiel Kürbis, Lauch, Rotkohl oder Rindfleisch.

Von Medizin und Wissenschaft bestätigt

Doch auch die Qualität der Nahrungsmittel ist entscheidend. „Bei einer Ernährung, die sich größtenteils aus konventionell angebauten oder industriell verarbeiteten Produkten zusammensetzt, kann man nicht mehr erwarten, dass der Organismus ausreichend ernährt wird. Zu empfehlen ist Obst und Gemüse aus biologischem Anbau, Fleisch vom Öko-Bauern, zu vermeiden sind Tiefkühlkost, Mikrowelle und Fertiggerichte.
Was sich in den Anfängen von Barbara Temelie so revolutionär anhörte, wird nun immer mehr von Ernährungswissenschaft und Medizin bestätigt. In ihrem Diskurs über traditionelles Kochwissen und gesunden Genuss kommen beispielsweise der Allgemeinarzt Gunter Frank, der Professor für Pharmazeutische Biologie Michael Wink und die Sterneköchin Léa Linster zu dem Ergebnis: Wer nach klassischen Rezepturen mit hochwertigen Zutaten und handwerklicher Kompetenz kocht, kann mit ungetrübter Freude genießen. In dem Buch „Karotten lieben Butter“ berichtet der Allgemeinarzt Gunter Frank aus seiner Praxis: „In den letzten 20 Jahren behandelte ich in meiner Sprechstunde unzählige Menschen mit Verdauungsbeschwerden. Es fällt auf, dass dies meist Menschen betrifft, die denken, sich besonders gesund ernährt zu haben, während es denjenigen, die sich eher traditionell ernähren, deutlich besser geht.“
Warum das so ist, lässt sich einfach erklären: Anpassungsprozesse des menschlichen Organismus benötigen viele Generationen. In den 100.000 Jahren ihrer Entwicklung haben unsere Vorfahren durch Erfahrung gelernt, was ihnen schmeckt und ihnen bekommt. „Hätten wir einen gesunden Appetit, bräuchten wir uns um Lebensmittelanalysen nicht zu kümmern“, formuliert der Physik-Professor Fritz-Albert Popp in seinem Buch „Die Botschaft der Nahrung“. Popp begründet seine Aussage folgendermaßen: „Fakt ist, dass Wildtiere mit erstaunlicher Präzision die für sie qualitativ beste Nahrung aus dem reichhaltigen Angebot der Natur auszuwählen verstehen.“ Der Ernährungswissenschaftler und Buchautor Thomas Frankenbach argumentiert in die gleiche Richtung: „Unsere somatische Intelligenz ist eine entscheidende Hilfe, wenn es um die Auswahl der richtigen Kost und einen für uns guten Lebensstil geht.“
Irgendwann fanden die Menschen heraus, dass die Behandlung von Nahrungsmitteln ihre Verträglichkeit steigern kann – mahlen, trocknen, gären, schälen, einweichen. Die Beherrschung des Feuers führte zur Entdeckung des Kochens, einem Meilenstein in der Menschheitsgeschichte, denn durch Erhitzen werden etliche Pflanzengifte unschädlich und Nährstoffe in Pflanzen und tierischen Geweben der Verdauung zugänglich gemacht. Und so haben sich über Generationen Methoden der Verarbeitung von Lebensmittel heraus gebildet, die diese besonders bekömmlich machen. Dieses Wissen wurde traditionell an die nächste Generation weitergegeben. Und zwar rein intuitiv und pragmatisch. Man machte es so, weil die Großeltern es auch schon so gemacht hatten.

Vorbild in Sachen Kochwissen

Leider ist in der Hektik der heutigen Zeit das Koch-Wissen früherer Generationen bei vielen Familien verschütt gegangen oder wird aus Zeitmangel nicht mehr gepflegt. Nicht so bei Monika Frei-Herrmann. Seit ich sie kenne – und das ist schon länger als 20 Jahre – beeindruckt sie mich mit ihrer selbstverständlichen Art, die leckersten Gerichte zu kochen. Immer wenn ich Monika Frei-Herrmann in Köln besuche, um etwa die neue Ausgabe von unserem gemeinsam entwickelten Magazin Quell zu besprechen, verwöhnt sie mich anschließend mit einem selbst gekochten Gericht. Das geschieht so mühelos, als wäre das nichts Besonderes. Und sie empfindet das auch selber so: Kochen ist ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Irgendwann zeigte sie mir auch ihr selbst angelegtes Kochbuch. In akkurater Handschrift – die Überschriften liebevoll verziert mit Silberfarbe – bereichert durch viele Fotos, hatte sie Rezepte aus ihrer Familie und ihrem weitläufigen Freundeskreis zusammen getragen: Ich war hingerissen. Und konnte Monika überreden, ihre kulinarischen Schätze mit einem größeren Kreis als ihren Freunden zu teilen.

Tradition mit Milch und Fleisch

Weil Monika Frei-Herrmann lange Zeit im Alpenraum lebte – in der Schweiz – sind viele ihrer Gerichte auf die Verwendung von Fleisch und Käse aufgebaut. Das war im Alpenraum über lange Zeit die traditionelle Methode, der Graslandschaft Essbares abzugewinnen. Die Menschen sind nun mal nicht darauf ausgelegt, Gras verdauen zu können. Dafür benötigen sie den Umweg über Tiere wie Kühen. „60 Meter Darm und vier Mägen sorgen dafür, dass die Kuh nicht nur den Verzehr von purem Gras überlebt, sondern daraus auch alles, was sie zum Leben braucht, produzieren kann“, so erklärt der Evolutionsbiologe Michael Wink. Weil diese Art der Verdauung aufwendig und Gras nicht besonders energiereich ist, macht die Kuh den ganzen Tag nichts anderes als zu fressen und zu verdauen. Die Menschen machten sich diese Fähigkeiten zu Nutze und konnten durch energiereiche Nahrung ein hochleistungsfähiges Gehirn ausbilden. Allerdings verwendeten die Menschen diese wertvollen Lebensmittel äußerst nachhaltig. Fleisch kam nur sonntags auf den Tisch und wurde in Form von Suppenfleisch mehrfach verwertet: als Suppe, als Hauptgericht, Überbleibsel ließen sich zu Salaten verarbeiten. „Die traditionellen Rezepturen einer Region sind die Quintessenz aus Verfügbarkeit der Zutaten und der dazu passenden Zubereitungsarten, um möglichst viele Menschen auf ungefährliche Weise satt und zufrieden zu machen“, so schreiben die Autoren des Buchs „Karotten lieben Butter“. „Doch heute werden diese Traditionen leichtfertig über Bord geworfen, sowohl bei der industriellen, hochtechnisierten Lebensmittelherstellung als auch durch eine zu romantische Sichtweise…“. Es ist höchste Zeit, sich wieder der traditionellen Rezepte zu besinnen.

Kulturgut
Die Kuh prägt das Erscheinungsbild unserer Landschaft. Ob die Prärie in Nordamerika, die Pampa in Argentinien, die Schwarzerdeböden in der Ukraine – sie alle sind Steppenböden, die ihre gigantische Fruchtbarkeit ihrer Nutzungsart verdanken: Die Jahrtausende lange Beweidung durch Grasfresser hat meterdicke Humusschichten entstehen lassen. Steppe bedeutet immer: Gras und Weidetier. Denn kein Grasland bleibt erhalten, wenn es dauerhaft ungenutzt bleibt. Ohne Beweidung entsteht je nach Klima Wald oder Buschland. Der größte Anteil der Landfläche auf der Erde ist Grasland. Doch überall auf der Welt haben die Menschen vergessen, dass Weidetiere die Böden geprägt und durch ihren Dung aufgewertet haben. Grasfresser erleben derzeit ein Comeback, um beispielsweise in den USA und Kanada degradierte Böden zu revitalisieren. Auch in Deutschland bieten Supermärkten immer mehr Milchprodukte oder Fleisch aus Weidehaltung an. Der Kauf von Erzeugnissen aus Weidehaltung ist aktiv betriebene Nachhaltigkeit.

Andrea Tichy

Titelbild: Monika Frei-Herrmann

QC49E01

Karotten lieben Butter
Gunter Frank, Léa Linster, Michael Wink

Eine Sterneköchin, ein Arzt und ein Wissenschaftler über traditionelles Kochwissen und gesunden Genuss.
Ihr Fazit: „Eine Kalorie, die kein Glück produziert, ist sinnlos“.

Knaus-Verlag ISBN 978-3-8135-0791-1
300 Seiten, 25 Euro

Bildarchiv Frei-Herrmann

Buch-Tipp
Monika Frei-Herrmann
Mein kulinarisches Erbe
Traditionelle Rezepte – Schritt für Schritt fotografiert

Quell Edition 2018
ISBN 978-3-9819936-0-8
176 Seiten, 19,90 Euro

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