„Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ ist das berühmteste Werk Max Webers (1864-1920), nicht nur in ökonomischer, sondern auch in religionssoziologischer Hinsicht. Ausgangspunkt ist die Frage, warum ausgerechnet Nordamerika und Westeuropa eine neue Kultur inklusive des Kapitalismus hervorgebracht haben. Weber führt dies auf einen spezifisch gearteten Rationalismus der okzidentalen Kultur zurück und sein Ziel ist es, deren Eigenart zu erkennen und zu erklären. In seinen Studien hat Weber festgestellt, dass es gerade die protestantischen Länder waren, in denen sich diese neue Kultur ausbreitete, dass sich die reichen deutschen Städte nach der Reformation dem Protestantismus angeschlossen haben und dass die meisten Unternehmer und leitenden Angestellten ebenfalls Protestanten sind. Daraus schließt er, dass der Protestantismus eine andere Einstellung, ein anderes Arbeitsethos als der Katholizismus haben müsse, was er als protestantische Ethik bezeichnet. Zwischen dieser protestantischen Ethik und der Industrialisierung bzw. dem Beginn des Kapitalismus besteht nach Weber ein enger Zusammenhang. Die Ethik der Protestanten und das kapitalistische Prinzip der Akkumulation von Kapital und Reinvestitionen von Gewinnen waren der Rahmen, in dem die Industrialisierung möglich wurde. Allerdings gilt das nicht für den Protestantismus in seiner Gesamtheit, sondern nur für bestimmte Strömungen innerhalb dessen, nämlich dem strengen asketischen Protestantismus und hier vor allem dem Calvinismus. Nach der Lehre Calvins von der doppelten Prädestination hat Gott ein für alle Mal vorherbestimmt, ob ein Mensch auf dem Weg zur ewigen Seligkeit oder ewigen Verdammnis sei. Da der einzelne Mensch jedoch nicht weiß, was Gott mit ihm vorhat, muss jeder sein Leben so gestalten, als ob er von Gott auserwählt sei. Calvin spricht hier von der innerweltlichen Askese, das Leben unterliegt einer permanenten Selbstkontrolle und wird bar jedes Luxus´ und jeglicher Vergnügungen geführt. Oberstes Gebot ist die rationale Berufsarbeit. Sie ist die von Gott verlangte Arbeit, sie ist Berufung, Gottesdienst und Zeichen der Nächstenliebe. Lebensführung und Arbeit erfolgen ausschließlich „ad maiorem Dei gloriam“ (zur höheren Ehre Gottes). Der aus dieser Arbeit resultierende Gewinn wird nicht zur Schau gestellt. Man zeigt nicht, was man hat, denn dieses widerspricht dem göttlichen Gebot. Man spart, bzw. investiert und arbeitet weiter. Man darf nicht für die Vergnügungen der Welt arbeiten, sondern nur um Gott zu gefallen und reich zu sein. Auch ist es verwerflich, nach Reichtum streben, um sich später ausruhen zu können. Als Ausübung der Berufspflicht ist das Streben nach Reichtum jedoch nicht nur gestattet, sondern geradezu geboten. Das Streben nach Reichtum bedeutet, Gott zu ehren und Gott wohlgefällig zu sein. Der Calvinismus breitete sich in ganz Westeuropa und den Vereinigten Staaten aus, er wurde quasi eine religiöse Weltmacht. In der speziellen Arbeits-und Wirtschaftsethik dieser religiösen Weltmacht sieht Weber seine Ausgangsfrage beantwortet. Von Helga Ranis
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