Philosophie für Zwischendurch: Das gute Leben im Ganzen der Natur

In seinem Werk „Prinzip Verantwortung“ stellt Hans Jonas (1903-1993) die Frage nach dem Überleben und dem guten Leben im Ganzen der Natur. Gegenstand seiner Philosophie ist das krisenhafte Verhältnis von Mensch und Natur oder Geist und Materie. Mit dem Eintritt des Menschen in die Evolution sieht er ein lebensgeschichtliches Ereignis mit ungeheuren Folgen und es steht keineswegs fest, ob der Mensch diesen gewachsen ist. Mit dem Menschen griff die Macht des Denkens in die weitere Entwicklung der Natur ein. Er ist einerseits Teil der Natur, andererseits meint er aber, über der Natur zu stehen. Aus diesem Verständnis heraus setzte er die bisher geltenden biologischen Gleichgewichtsmechanismen der ökologischen Systeme außer Kraft und bestimmte die Lebensbedingungen. „Was wir heute erleben“, so schreibt Jonas 1992, „ist das Paradox des übergroßen Erfolgs, der sich durch Zerstörung seiner eigenen Naturbasis in Katastrophe zu verkehren droht“. Diese Feststellung hat an Aktualität nichts eingebüßt, vielmehr scheinen sich die Katastrophen zu vermehren. Hat die Philosophie früher nach dem guten Leben des Einzelnen, nach der Gesellschaft, nach dem Staat gefragt, so muss sie jetzt den Menschen als eine handelnde Kraft in der Natur und die Gefahren, die von ihm ausgehen, thematisieren. Dadurch, dass der Mensch ein Geistwesen und nicht nur Materie ist, hat er zwar eine Vorrangstellung, aber keine Vormachtstellung. Vielmehr fordert die Würde der ganzen Natur die Verantwortung des Menschen heraus. Dies ist die Aufgabe der Philosophie. Sie muss darauf hinweisen, dass der Mensch verantwortlich für sein Tun ist und darauf hinarbeiten, dass er die Verantwortung für sein Tun erkennt und übernimmt, damit ein gutes Leben im Ganzen der Natur für alle möglich ist.  Jonas fordert eine Idee des Friedens zwischen dem Menschen und der Natur, so dass der Mensch seine scheinbare Überlegenheit der Natur gegenüber nicht ausnutzt, sondern Rücksicht nimmt und auf viele Dinge verzichtet, von denen er meint, dass sie ihm zustehen. Dieser Frieden kann aber nicht von der Philosophie allein hergestellt werden, sie kann nur einen ersten Schritt tun und auf die Verantwortung und das Verhalten der Gattung Menschheit gegenüber der Natur hinweisen. Für die Verwirklichung müssen alle, Natur-und Humanwissenschaften, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zusammenarbeiten. Hier sind alle Menschen in die Pflicht genommen. Sollte es keinen Frieden zwischen den Menschen und der Natur geben, so könnte man Jonas´ Gedanken fortführen, wird es kein gutes Leben der Menschen im Ganzen der Natur geben. Denn es zeigt sich immer mehr,  dass der Mensch nicht Herr über die Natur ist. Von Helga Ranis.

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20. August 2021