Philosophie für Zwischendurch: Über die Macht
In der Schrift „Leviathan“ aus dem Jahr 1651 entfaltet der englische Philosoph Thomas Hobbes seine Staatstheorie. Der Titel stammt von dem großen biblischen Seeungeheuer und steht stellvertretend für den mächtigen Staat. Diese Schrift ist eines der bedeutendsten Werke der politischen Philosophie. Diesen mächtigen Staat, den Leviathan, sieht Hobbes auf der Grundlage eines pessimistischen beziehungsweise realistischen Menschenbildes begründet. Solange sich der Mensch im Naturzustand, das heißt ohne Gesetze, Ordnung und Hierarchie befindet, ist er des anderen Menschen Wolf (homo homini lupus est), das heißt die Menschen bekämpfen sich untereinander. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb ist der Mensch Egoist und strebt nach Macht über die anderen. Selbst wenn dies nicht für alle Menschen im gleichen Maße gilt, bleibt dem Einzelnen angesichts dem Machtstreben Vieler, nichts anderes übrig, als sich ebenso zu verhalten, um nicht Opfer zu werden. Im Naturzustand ist daher das Leben der Menschen „solitary, poore, nasty, brutish and short.“ (Kap. XIII). Hobbes sieht den Menschen aber in dem Sinne als Vernunftbegabt an, dass er seine eigenen Interessen erkennen kann. Das Hauptinteresse der Menschen ist der Frieden. Dieser ist aber nur möglich über die Errichtung einer Macht, die alle davon abschrecken kann, ihre egoistischen Interessen mit Gewalt zu verfolgen. Diese Macht ist der Staat, der Leviathan, dessen Hauptaufgabe es ist, die Anarchie zu verhindern. Der Staat wird durch einen Vertrag begründet, die staatliche Autorität wird nicht mehr aus göttlichem Ursprung hergeleitet, sondern mit der Erfüllung einer Funktion verbunden. Seine Aufgabe ist die Wahrung der öffentlichen Ordnung und dies geht nur mit entsprechenden Gesetzen und Regelungen. Außerhalb des Staates gibt es für Hobbes kein Recht, außer dem Naturrecht auf Selbsterhalt und den Krieg aller gegen alle. Diesen Zustand wollen ja die Menschen überwinden, aus diesem Grund bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Unterwerfung unter den Leviathan, den mächtigen und starken Staat, der seinerseits für die öffentliche Ordnung zu sorgen hat. Dieser Grundgedanke, den Staat über die Erbringung von Leistungen im öffentlichen Interesse zu begründen, ist immer noch aktuell, gerade auch bei der Begründung des zur Erfüllung sozialer Grundrechte verpflichtenden Wohlfahrtsstaats. Was und wieviel der Staat zu leisten hat und dadurch seine Machtposition ausbauen kann, ist auch heute noch Gegenstand der politischen Kontroverse. Soll der Staat mehr Macht haben oder soll den Bürgern mehr Eigenverantwortung zugemutet werden?
Die konservativen Anhänger von Hobbes´ Staatstheorie haben hierin eine Rechtfertigung des starken Staates gesehen, bis hin zu seiner totalitären Form in der Zeit des Nationalsozialismus. Man muss Hobbes wohl zu Gute halten, dass er in seiner Zeit eine solche organisierte und durchgreifende Macht wie den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts, die sich seine Gedanken zu eigen machte, nicht kannte. Als Lehre aus dieser Zeit wurde im Art. 20, Abs. 4 des Grundgesetzes das Recht zum Widerstand gegen die Gegner der Demokratie verankert.
Buch-Tipp
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Helga Ranis
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