Philosophie für Zwischendurch: Über die Erkennbarkeit Gottes

In der Epoche der Scholastik versuchte man, den Glauben mittels Vernunft zu erklären. Der schottische Theologe und Philosoph Johannes Duns Scotus (1265-1308) war einer der bedeutendsten Philosophen dieser Epoche. Sein Hauptwerk ist die Ordinatio, in der es um die Erkennbarkeit Gottes geht. Er wendet sich gegen die bisherige Interpretation des aristotelischen Begriffs der Metaphysik als Theologie, die das erste göttliche Seiende zum Gegenstand der Erkenntnis hat. Diese Interpretation ist der Auffassung, dass Gott ein Objekt der Erkenntnis, also ein Gegenstand sei. Scotus wollte dagegen zeigen, dass der Mensch zwar aus der Vernunft heraus erkennen kann, dass es Gott gibt, dass er aber nichts über die Eigenschaften oder den Willen Gottes aussagen kann. Hierzu bedarf es nach seiner Lehre der Offenbarung. Allein aus der Vernunft, ohne Offenbarung, kann der Mensch die Existenz Gottes nicht begründen. Scotus bezeichnet Gott als ein unkörperlich Seiendes, also etwas, das zwar existiert, aber nicht vergegenständlicht ist. Somit kann er auch im Wege der gewöhnlichen Erkenntnis nicht erfasst werden. Gleichwohl ist für Scotus ein Nachweis der Existenz Gottes durch die Vernunft möglich. Die Eigenschaften Gottes können allerdings durch die Sprache nicht beschrieben werden. Wie kann man sich aber dennoch vorstellen, dass Gott unendlich ist? Scotus gebraucht hier den Begriff der Unbegrenztheit, man muss sich Gott als etwas Seiendes vorstellen, das alle denkbaren Qualitäten in sich birgt. Diese Unbegrenztheit ist aktuell. Sie ist das Sein aus sich heraus. Bezüglich seiner Erkenntnisfähigkeit und seines Willens ist Gott auch unbegrenzt.  Entsprechend ist die Schöpfung als Ergebnis von Gottes freiem und autonomen Willen nicht notwendig, sondern eine mögliche Wirklichkeit. Die Realität wird damit zu einer möglichen Welt, ein Gedanke, der bis in die neuzeitliche Philosophie reicht. Wenn Gott es will, kann er die Dinge mit seiner Allmacht ändern und eine andere Wirklichkeit schaffen. Erkennen kann der endliche Mensch diese Allmacht Gottes nicht, er kann sie nur als theologischen Glaubensartikel annehmen, auch wenn sie vernünftig und sinnvoll (evident) zu sein scheint. Ein Nachweis der Existenz Gottes ist für Scouts mittels der Vernunft möglich, für die Erkennbarkeit, der Allmacht, der Güte, der Unendlichkeit bedarf es allerdings der Offenbarung.

Johannes Duns Scotus ist in der Kölner Minoritenkirche beerdigt.

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