Amartya Sen über die „Idee der Gerechtigkeit“
Amartya Sen, geb. 1933, ist ein indischer Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph, der für seine Forschungen zu Wohlfahrtsökonomie und Lebensstandard 1998 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet wurde. Für Sen gehören Ökonomie und Philosophie zusammen, denn ökonomische und politische Freiheit sind nicht zuletzt eine Frage der Gerechtigkeit. Es besteht eine Interdependenz von ökonomischer Freiheit, sozialen Chancen und Sicherung und politischer Freiheit. Sen ein bedeutender Vertreter der politischen Philosophie.
So heißt auch sein Hauptwerk „Die Idee der Gerechtigkeit“. Die traditionelle Ökonomie und politische Philosophie kritisiert er dahingehend, dass diese keine Aussagen über soziale Ungleichheit und Verteilungsgerechtigkeit ermöglichen. Sens großes Thema ist die Frage: Was ist und wie erlangt man soziale Gerechtigkeit für das Individuum in seinem jeweiligen sozialen Kontext?“ D. h, auf welchen Merkmalen der Welt soll bei der Beurteilung einer Gesellschaft und der Einschätzung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit die Konzentration liegen? Die Ökonomie kann diese Frage nicht hinreichend beantworten, da sich gesellschaftliche Verwerfungen und Ungleichheiten nicht allein durch Zahlen erkennen lassen. Sen kommt zu dem Ergebnis, dass das sozio-kulturelle Umfeld dem Individuum persönliche Handlungsspielräume eröffnet oder diese verbaut. Das Individuum, der Mensch, muss sich die Frage stellen, ob es ein ihm wichtiges Ziel verfolgen oder den Weg dorthin selbst bestimmen will. Welche Chancen der Einzelne hat, im Rahmen seiner Möglichkeiten, ein Ziel selbst zu wählen und zu erreichen, ist der alleinige Maßstab. Hierbei wird der individuelle Vorteil gemessen an der Befähigung einer Person, die Dinge zu tun, die. sie hochschätzt und die ihr wichtig sind. Es wird gemessen, ob die Person in der Lage ist, innerhalb ihres sozio-kulturellen Kontextes, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen und auf diese Weise eine individuelle soziale Gerechtigkeit zu erlangen. Sens Überlegungen gehen von den tatsächlichen Möglichkeiten der Lebensführung und Verhaltensmuster aus. Deswegen bezeichnet er seinen Ansatz auch nicht wie Rawls als „Theorie der Gerechtigkeit“, sondern als „Idee der Gerechtigkeit“, nach der jedes Individuum im Rahmen seiner Lebensumstände, die Möglichkeit haben soll, selbstbestimmt zu handeln und so ggf. diese Lebensumstände zu durchbrechen. Die Basis für diese Gerechtigkeit bildet die Demokratie, als deren wichtigste Merkmale Sen die Informations- Meinungs- und Redefreiheit sieht. Nur wenn diese Rahmenbedingungen gegeben sind, hat das Individuum die Möglichkeit der persönlichen Freiheit und Gerechtigkeit.
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