Religion als Gefühl und Anschauung des Universums und Staunen über das Erhabene.

In seiner Schrift „Über die Religion“   mit dem Untertitel „Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“ setzt sich der Theologe Friedrich Schleiermacher (1768-1834) religionsphilosophisch mit dem Wesen der Religion auseinander. In einer Zeit, in der in Deutschland das Geistesleben blühte, es war um die Wende des 18. Jahrhunderts, spielte die Religion keine große Rolle mehr. Mit dieser Schrift, die im Grunde eine Verteidigungsschrift ist, möchte Schleiermacher der Religion den Platz zurückgeben, der ihr seiner Meinung nach zusteht.  Die Gebildeten unter den Verächtern der Religion sind nun aber nicht, wie man vielleicht meinen könnte, irgendwelche modernen Zweifler oder Skeptiker, die zwischen „Glauben“ und „Wissen“ schwanken, die Gebildeten sind vielmehr die Hauptpersonen aus Dichtung und Philosophie bzw. deren Schüler. Stellvertretend seien hier nur die Namen „Goethe“ und „Kant“ erwähnt. Diesen Kritikern legt er dar, was Religion ist. Religion ist Gefühl und Anschauung des Universums und Staunen über das Erhabene. Religion besteht unabhängig von Moral und Metaphysik und auch unabhängig vom Kirchenglauben. Religion ist passives Anschauen des Universums, das sich offenbart und den Menschen tief berührt. Sich alle Begebenheiten in der Welt als Handlungen eines Gottes vorzustellen, das ist für Schleiermacher Religion. Die Vorstellung eines personalen Gottes ist in diesem Zusammenhang nicht notwendig. Niemand kann aber das ganze Universum sehen, d.h., niemand kann die Religion ganz haben. Der Mensch ist endlich und die Religion ist unendlich. Jeder Mensch trägt somit eine bestimmte Anschauung des Universums in sich -je nach Blickwinkel. Und das Universum offenbart sich jedem Menschen unterschiedlich. Darum gibt es auch so viele Religionen, dieser Gedanke ist für Schleiermacher selbstverständlich.  Jede Anschauung, jede Religion steht für sich und ist von keiner anderen abhängig. Die Pluralität ist ein der Religion innewohnendes Prinzip. Jeder, der wahre Religion besitzt, wünscht sich einen toleranten Umgang der verschiedenen Religionen untereinander, denn alle Religionen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Ein in der Anschauung des Universums begriffener Mensch darf aber für die Gebildeten kein Anlass zum Spott, sondern er muss ein Gegenstand der Andacht und Ehrfurcht sein. Denn Religion nach ihrem wahren Wesen verstanden, nötigt zur Anerkennung. Von Helga Ranis

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