Karl Jaspers (1883 -1969) war ein deutscher Psychiater und Philosoph von internationaler Bedeutung und gehört zu den deutschen Existenzphilosophen. Seine „Psychologie der Weltanschauungen“ aus dem Jahre 1919, die durch die Auseinandersetzung mit den philosophischen Ansichten Nietzsches und Kierkegaards entstanden ist, stellt einen Übergang von der Psychologie zur Philosophie dar und kann als erstes Werk der modernen Existenzphilosophie bezeichnet werden.  Dieses Buch ist für Menschen geschrieben, „… die beginnen, sich zu verwundern, auf sich selbst zu reflektieren, Fragwürdigkeit des Daseins zu sehen; die das Leben als persönliche, irrationale, durch nichts aufhebbare Verantwortung erfahren“.  Nach dieser Denkart befindet sich der Mensch in vorgegebenen Bedingungen natürlicher und kultureller historischer Art, die er aber nicht selbst gesetzt hat. Andere Existenzphilosophen sprechen von der Verworfenheit des Menschen. Im Rahmen dieser vorgegebenen Bedingungen entscheidet der Mensch noch über sich selbst. Er lebt in einer Art fraglosen Geborgenheit seiner äußeren Bedingungen, d.h. er hinterfragt seine Lebensumstände zunächst nicht. Es bedarf vielmehr eines besonderen, von außen kommenden Anstoßes, eines besonderen Anlasses, der den Menschen zum Nachdenken bringt und ihn auf seine eigene Existenz zurückwirft. Es sind Anstöße und Anlässe, die die Erfahrung des Menschen bestimmen und die er nicht rational erklären kann. Diese Antriebe bezeichnet Jaspers als Grenzsituationen, darunter versteht er Tod, Kampf, Leiden und Schuld, wobei der eigene Tod die extremste Erfahrung ist. Beim Durchleben einer dieser Situationen wird dem Menschen klar, dass der vordergründige Halt, den äußere Lebensbedingungen geben, zerbrechen kann und man auf sich selbst zurückgeworfen ist. Am stärksten geschieht das im Bewusstsein des eigenen Todes, bzw. der eigenen Sterblichkeit, wodurch das Dasein als solches bedroht und zum Prüfstein wird. „Was angesichts des Todes wesentlich bleibt, ist existierend getan: was hinfällig wird, ist bloßes Dasein.“, heißt es in dem Hauptwerk „Philosophie“. Aber der Mensch kann seine eigene Existenz nicht ohne die Bedingungen des Daseins verwirklichen, sondern er unterliegt der Geschichtlichkeit. Diese ist die Einheit von Dasein und Existenz, Notwendigkeit und Freiheit, Zeit und Ewigkeit, die sich gegenseitig bedingen. Das Dasein ist das rein biologische Dasein, verbunden mit allen Affekten, während die Existenz das ist, was der Mensch sein kann, die Möglichkeit des wahren Menschseins, das über das Dasein Hinausgehende. Maßgeblich für die Existenz ist die Kommunikation. Nur durch die Kommunikation mit anderen kommt der Mensch zur Klarheit über sich selbst. Ebenso kann die Existenz sich nicht aus dem Dasein begründen, sondern bedarf eines anderen Ursprungs. Dieser wurzelt für Jaspers in der Transzendenz. An ihr findet Existenz ihre Orientierung und sie ist die Quelle und Möglichkeit ihrer Freiheit.  Von Helga Ranis.

 

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