Das Wann entscheidet

Seit vielen Jahrzehnten beschäftigt sich Dr. Satchin Panda mit den Effekten, die das Sonnenlicht auf Lebewesen aller Art ausübt. Den „zirkadianen Code“ nennt der in Indien geborene Wissenschaftler das Phänomen, dass Organismen dann gesünder und länger leben, wenn sie sich in ihren Aktivitäten nach dem natürlichen Tagesablauf richten. Für Furore sorgte Dr. Satchin Panda mit seinen Mäuse-Experimenten am kalifornischen Salk Institut for Biological Studies. Er und sein Team wollten wissen, welche Rolle schlechte Ernährungsgewohnheiten spielen. Sie stellten die einfache Frage: Welche Krankheitserscheinungen der Mäuse hängen mit dem Futter zusammen und welche mit der Uhrzeit der Nahrungsaufnahme?

Um diese Frage zu klären, bekamen genetisch identische Mäuse dasselbe fettreiche Fressen vorgesetzt. Das Experiment konzentrierte sich allein auf die Unterschiede bezüglich der zum Fressen verfügbaren Zeit und die Ergebnisse waren verblüffend: „Sie zeigten, dass es nicht allein darauf ankommt, wieviel und was wir essen, sondern auch, wann wir essen, speziell, wenn es um langfristige positive Auswirkungen auf die Gesundheit geht“, so schreibt Dr. Satchin Panda in seinem Buch „Der Zirkadian-Code“. Die eine Gruppe von Mäusen erhielt fettreiches Futter und die Tiere konnten zu jeder Zeit drangehen. Die andere Gruppe erhielt in Art und Menge das gleiche Futter, hatte aber nur ein 8-Stunden-Fenster, um es zu fressen. Die Mäuse mit dem begrenzten Zeitfenster lernten schnell, in kürzerer Zeit die gleiche Menge an Kalorien zu sich zu nehmen wie die Mäuse, die jederzeit fressen konnten. Damit nahmen also während der Studie die Vergleichsgruppen die gleiche Anzahl an Kalorien und das gleiche fett- und zuckerreiche Futter zu sich. Man hätte nach dem Erkenntnisstand von 11.000 früheren Veröffentlichungen erwarten können, dass die hohe Kalorienanzahl in dem kurzen Zeitfenster schwere Stoffwechselerkrankungen hätte auslösen müssen, doch diese Mäuse waren vollständig von allen Folgeerscheinungen einer schlechten Ernährung geschützt. Diese Mäuse nahmen nicht zu und wiesen normale Blutzucker- und Cholesterinwerte auf. Die Forscher gehen davon aus, dass ein verkürzter Zeitraum für die Nahrungsaufnahme dem Verdauungssystem ausreichend Zeit verschafft, seine Aufgaben ohne Unterbrechung durch neu hereinkommende Nahrung zu erledigen. So bleibt genügend Zeit für Reparatur und Verjüngung. 

Diese Erkenntnisse sind aber nicht komplett neu. Schon der Wiener Professor Dr. Johannes Huber propagierte um die Jahrtausendwende das sogenannte “Dinner Cancelling“ mit einer letzten Mahlzeit um 16 Uhr, um den Reparaturmechanismen des Körpers in der Nacht genügend Zeit zu geben. Neu sind allerdings die vielen Experimente auf dem Gebiet des Lebens zum richtigen Zeitpunkt. So konnten Wissenschaftler beispielsweise mittlerweile belegen, dass auch das Mikrobiom im Darm zirkadianen Rhythmen unterliegt. “Darmuhr“ nennt Dr. Panda dieses Phänomen. 

Die Rhythmen der Verdauung lassen sich folgendermaßen beschreiben: Der Speichelfluss, mit dem die Verdauung beginnt, ist tagsüber zehnmal höher als nachts, wenn wir schlafen. Deshalb ist die Speichelproduktion tagsüber auch dazu in der Lage, Magensäure zu neutralisieren, deren Produktion durch Essen angeregt wird. Nachts ist das anders. Wer dann etwas isst, hat oft mit Sodbrennen durch aufsteigende Magensäure zu kämpfen, denn die reduzierte Speichelproduktion ist nicht dazu in der Lage, die Magensäure zu neutralisieren.

Auch der Darm ist tagsüber aktiver, während sich seine Bewegung nachts stark verlangsamt. Deshalb wachen wir in der Regel auch nachts nicht auf, um wegen Stuhlgangs auf die Toilette zu gehen. Wenn wir ein üppiges Essen zu uns nehmen und uns anschließend hinlegen, kann die Nahrung nicht so schnell durch den Verdauungstrakt wandern, wie sie es sollte. 

Die Hauptnährstoffe unserer Nahrung – Eiweiße, Kohlenhydrate und Nahrungsfette – werden unterschiedlich verdaut. Jeder Teil des Verdauungstrakts ist angefüllt mit Mikroben oder Bakterien, die alle ein unterschiedliches Milieu brauchen, um zu wachsen und zu gedeihen. Es gibt einige Mikroben, die während des Fastens gedeihen und andere, die hierfür Nahrung brauchen. Eine Möglichkeit, um eine gesunde Darmflora zu erhalten, besteht darin, dass verschiedene Nahrungsquellen genutzt werden. So fanden Forscher heraus, dass fett- und kohlenhydratfreies Futter, von dem sich die Mäuse wahllos am Tag oder bei Nacht ernähren konnten, den Darm nicht ausreichend mit abwechslungsreicher Kost versorgt, um alle notwendigen Bakterien am Leben zu halten. Wenn das Darm-Mikrobiom zusammenbricht und nur noch wenige Arten von Bakterien übrig sind, ist Fettleibigkeit das Ergebnis. Dazu kommt: Die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms wird bei schlechtem Schlaf zu einem Zustand verändert, der Fettleibigkeit fördert.

Guter Schlaf als Schlüssel zu guter Gesundheit

Nicht nur wegen der Figur ist es so wichtig, auf guten Schlaf zu achten. Denn schlechter Schlaf führt unabhängig vom Alter zu schlechter Leistung und einem drastischen Energie-Abfall. Menschen, die unter Schlafentzug leiden, sind weniger leistungsfähig als Menschen, die Alkohol getrunken haben. Chronische Schlafprobleme können aber auch zu Schmerzen führen. Denn Entzündungssymptome im Körper nehmen in der Regel ab, während wir schlafen. Bekommt der Körper nicht genug Schlaf, haben Entzündungen keine Zeit, sich zu legen. Wer drei oder vier Nächte lang weniger als sechs Stunden schläft, wird beim Aufwachen möglicherweise merken, dass seine Gelenke steif sind oder schmerzen. Bessere Schlafgewohnheiten können dazu führen, dass die Schmerzen auch ohne Medikamente verschwinden.

Doch was führt zu besseren Schlafgewohnheiten? Neben Intervallfasten und Bewegung ist es vor allem das Licht, das den Takt des Schlafes steuert. Das beste Mittel für einen gesunden und erholsamen Schlaf ist eine dunkle Schlafumgebung. Jeder kennt das Phänomen, wie schwer es ist, bei Licht einzuschlafen. Denn die Blaulicht-Sensoren in den Augen nehmen das Licht als Signal, um Schlaf zu unterdrücken und Wachheit zu fördern. Andere Farben des Lichtspektrums, insbesondere Rot und Orange, wirken sich hingegen weniger stark aus und unterdrücken das Schlafbedürfnis kaum. 

Aus diesem Grund gehen immer mehr Menschen dazu über, einige Zeit, bevor sie ins Bett gehen, den Blaulicht-Anteil, dem sie ausgesetzt sind, zu reduzieren. Indem sie beispielsweise abends eine Blaulicht-Brille aufsetzen, um das blaue Licht, das Handys, Computer oder Fernseher ausstrahlen, nicht in ihre Augen zu lassen. Eine andere Methode besteht darin, bei elektronischen Geräten die Displayfarben automatisch auf ein wärmeres Farbspektrum einzustellen – eine Funktion, über die moderne Geräte häufig verfügen. Aber auch die Temperatur spielt eine wichtige Rolle. Der Körper muss nachts abkühlen, um schlafen zu können. Deshalb ist es eine gute Idee, die Temperatur zu senken oder Kneippen zu gehen, damit die Haut abkühlen, das Blut von der Körpermitte wegfließen und sich Schlaf einstellen kann. 

Allerdings spielt auch das Verhalten untertags eine wichtige Rolle. Wer während des Tages viel schläft oder sich vor allem in dunklen Räumen aufhält, der hat nachts keinen ungestörten Schlaf zu erwarten. Der Lauf der Sonne ist unser äußerer Zeitmesser und sorgt dafür, dass unsere innere Uhr richtig tickt. Ohne Zeiten des Lichts und der Dunkelheit kommt der Rhythmus des Körpers aus dem Takt. Die Dualität von Licht und Dunkelheit wirkt sich auch auf die Produktion unserer Hormone aus. Wenn dieser Takt verändert wird, dann können die Hormone aus der Balance geraten. QC73L02

Bewegung, um gesund zu bleiben

Wenn es darum geht, gesund zu bleiben, dann ist Bewegung ebenso wichtig wie gute Ernährung oder Schlaf. Wer sich täglich körperlich betätigt, verbessert dadurch Muskelmasse, Muskelkraft, Knochengesundheit, Koordination, Stoffwechsel, Darmfunktion, Herzgesundheit, Lungenkapazität und sogar die Hirnfunktion. Bewegung hat auch einen zirkadianen Effekt und verbessert Schlaf und Stimmung. Sie entspannt das Gehirn, lindert Depressionen und Ängste und steigert unsere Fähigkeit, Glück zu empfinden. Allgemein lautet eine Empfehlung fürs Gesundbleiben: Jeden Tag 10.000 Schritte gehen. Das entspricht etwa 30 Minuten Bewegung in einer moderaten Intensität. Man muss nicht ins Fitness-Studio, um das zu erreichen: auch Treppensteigen oder Putzen zählen.

Wer sich am Tag viel bewegt, der spürt, dass das Einschlafen abends dann leichter fällt. Studien zeigen, dass die Zellen in unseren Muskeln nach körperlicher Bewegung verschiedene Moleküle produzieren, die sich positiv auf den Schlaf auswirken. Doch wann ist der beste Zeitpunkt, um sich zu bewegen? Der Takt der Ur-Menschen, die Früh zur Jagd aufbrachen und sich im späten Nachmittag auf den Heimweg machten, steckt uns noch in den Knochen. Unsere Vorfahren haben sich den ganzen Tag über bewegt, besonders intensiv aber morgens und abends, denn viele wilde Tiere sind besonders in der Morgendämmerung und kurz vor Sonnenuntergang aktiv, was daher die wichtigsten Zeiten für Jäger und Sammler waren. Deshalb eignet sich der frühe Morgen auch bestens dazu, um nach draußen zu gehen und sich zu bewegen. Ein schneller Spaziergang oder jede Art von Aktivität im Freien bei hellem Tageslicht ist eine wunderbare Möglichkeit, um die Gehirnuhr zu synchronisieren und hilft dabei, mit Schichtarbeit und Schlafmangel umzugehen. Ein weiterer guter Zeitraum für Bewegung ist die Abenddämmerung oder der späte Nachmittag, etwa zwischen 15 Uhr und dem Abendessen. In dieser Zeit beginnt der Muskeltonus anzusteigen, weshalb sich dieser Zeitraum gut eignet für Krafttraining oder stärkere körperliche Anstrengungen. Dabei hat Bewegung am späten Nachmittag oder frühen Abend zwei Vorteile: Sie verringert den Appetit und hilft den Muskeln dabei, mehr Glucose aufzunehmen. Schon 15 Minuten Sport am Abend steigern die Fähigkeit der Muskeln, überschüssigen Blutzucker aufzunehmen und ihn in einem gesunden Bereich zu halten.

Bewegen, Essen und Schlafen zum richtigen Zeitpunkt kann dabei helfen, das metabolische Syndrom, also Übergewicht, Diabetes und Herzkrankheiten in Schach zu halten. Außerdem lässt sich dadurch das Immunsystem stärken. Das sind alles Maßnahmen, die nichts kosten, aber einen unschätzbaren Gewinn an Lebensqualität bringen können. QC73L03

„Alle menschlichen Dinge haben ihre Zeit. Das Essen, der Sport, das Schlafen und die Entleerung des Darms.“   Dr. Johannes Huber

Trinken zum richtigen Zeitpunkt

Auch die Wasserzufuhr hat eine zirkadiane Komponente: Wir sind eher während des Tages durstig, weil unser Körper Wasser braucht, um Nährstoffe zu verdauen und zu verarbeiten, zu entgiften und neue Baustoffe für unser Blut herzustellen. Damit die Menschen während des Tages genug Energie haben, bietet es sich an, alle ein bis zwei Stunden ein Glas Wasser zu trinken. 

Wie wichtig das Wassertrinken ist, wissen wir mittlerweile. Trotzdem gibt es immer noch Menschen, die kein anderes Wasser als das in Form von Kaffee zu sich nehmen. Kaffee zählt nicht zur Wasser-Zufuhr, wohl aber Kräuter- oder Früchtetees. Generell gilt die Regel: Die Trinkmenge stimmt, wenn der Urin hell wie Apfelsaft-Schorle ist. 

Wassertrinken und das Trinken von Kräuter- und Früchtetees (ohne Zucker oder Milch) gilt übrigens nicht als Fastenbrechen (siehe Abschnitt „Essen im Zeitfenster“). Deshalb spricht auch nichts dagegen, nachts, wenn man durstig aufwacht, Wasser zu trinken. Erfahrungsgemäß schläft man danach schnell wieder ein, nicht aber, wenn man durstig bleibt.

Essen im Zeitfenster

Über das Intervall-Fasten hat man in den vergangenen Jahren viel gelesen und viele Gesundheitsbewusste schwören darauf, nur in einem Zeitfenster von acht, zehn oder zwölf Stunden zu essen. Das Labor von Dr. Panda fand heraus, dass die Beschränkung
der Kalorienaufnahme auf einen Zeitraum von acht bis zwölf Stunden,- wie es die Menschen noch vor einem Jahrhundert taten, einen hohen Cholesterinspiegel, Diabetes und Fettleibigkeit verhindern kann. 

Durch die Vorbeugung und bessere Behandlung dieser altersbedingten chronischen Krankheiten kann man die gesunde Lebensspanne verlängern und ein gesundes Altern fördern. 

Aber Achtung: Auch das Trinken von Alkohol zählt zum Essen. Wer abends einen Cocktail, ein Bier oder ein Glas Wein trinken möchte, der sollte das entweder vor dem Abendessen oder zum Essen tun. Denn jeder Schluck Alkohol zählt als Bissen. Wer nach dem Abendessen zum Alkohol greift, der verschiebt den Zeitpunkt der letzten Nahrungsaufnahme nach hinten.