Der innere Schweinehund hält uns allzu oft davon ab, uns zu bewegen. Obwohl wir ganz genau wissen, wie gut uns das täte. Wie wir den inneren Schweinehund überlisten und dabei auch noch Spaß haben können, verrät Sport-Expertin Martina von Merzljak.

„Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft“, lautet ein Spruch des tschechoslowakischen Leichtathleten Emil Zatopak, den die Sportwissenschaftlerin Martina von Merzljak gerne zitiert. Für sie ist Bewegung fast so wichtig, wie die Luft zum Atmen und sie nutzt neben ihrer Arbeit als Sportlehrerin jede sich bietende Gelegenheit, um körperlich aktiv zu sein: Sie joggt gerne im Kölner Stadtwald, benutzt prinzipiell lieber Treppen als Fahrstuhl und ist auch zu Hause kreativ, wenn es darum geht, Alltagsroutinen in lustvolle Bewegungen umzusetzen. Sie putzt beispielsweise die Zähne auf einem Bein oder setzt Milchpackungen und Kartoffelsäcke für Bizeps-Übungen ein. Ihre Töpfe und Teller hat sie ganz oben in die Küchenschränke geräumt, um sich beim Herausholen strecken zu müssen. In ihrem Wohnzimmer hängt eine Schaukel, auf der sie gerne sitzt, mit einem Petzi-Ball an den Füßen. So bleibt die 54jährige permanent in Bewegung.

Mit den Jahren immer weniger Lust auf Sport

Bei ihrem Sport-Unterricht freut sie sich über die 10kg-Anlage als Hantelersatz und sorgt zu Beginn der Stunde mit der richtigen Musik für eine Atmosphäre, die alle von den Sitz-Bänken reißt. Die Lieder „What do you mean“ von Justin Bieber oder „Side to side“ von Ariana Grande bringen auch die bewegungsmuffeligsten Teenager in Schwung. Aus ihrem eigenen Umgang mit Kindern weiß Martina von Merzljak: Der Spaß an der Bewegung nimmt mit zunehmendem Alter immer mehr ab. Während es für Kinder unter sechs Jahren ganz selbstverständlich ist, den ganzen Tag zu springen, zu rennen und zu toben, ändert sich das Bewegungs-Verhalten mit dem Tag der Einschulung. Zwischen dem sechsten und elften Lebensjahr nimmt die allgemeine körperliche Aktivität kontinuierlich ab. Ab acht Jahren sinkt auch das Interesse an Sport. Das hat das so genannte Childhood Obesity Project ergeben, eine doppeltblinde, randomisierte, kontrollierte Studie, an der 1.678 Kinder aus Belgien, Polen, Italien, Spanien und Deutschland teilgenommen hatten. Und je älter der Mensch, desto weniger bewegungsfreudig ist er. Dabei hätte die Lust an der Bewegung gerade Senioren viele überzeugende Effekte zu bieten. Denn Bewegung stärkt neben dem Kreislauf Knochen, Gelenke, Sehnen, Bänder und trainiert die Haltemuskulatur des Körpers. Das vermindert das Verletzungsrisiko bei Stürzen und steigert die körperliche Leistungsfähigkeit. Älteren Menschen kann das Autonomie und verringerte Betreuungsbedürftigkeit bescheren. Dem Pflegeheim können ältere Menschen im wahrsten Sinne des Wortes davon laufen.

Bewegung ist die beste Medizin

„Bewegung ist die beste Medizin“, weiß Martina von Merzljak durch ihre wissenschaftliche Beschäftigung mit der Materie. Denn Sport hat eine ganze Reihe positiver Effekte zu bieten. Durch körperliche Aktivität werden Botenstoffe wie Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin oder der Glücks-Stoff Serotonin ausgeschüttet. Außerdem wird die Produktion von Hormonen wie Endorphin stimuliert. Mindestens 20 Minuten müssen es allerdings schon sein, um Bewegung zur Medizin werden zu lassen, so Merzljak. Es gibt auch andere Faustregeln, die das richtige Maß an alltäglicher Bewegung formulieren. Das „Projekt 10.000 Schritte“, das vor mehr als zehn Jahren von der Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde in Berlin ins Leben gerufen wurde, proklamiert auf seiner Homepage das Gehen von 10.000 Schritten am Tag als „gesundheitlich sinnvolles Maß für die täglich notwendige Ausdauerleistung“. Der Wanderforscher Rainer Brämer formuliert eine Bewegungs-Regel, die den Kalorienverbrauch misst: „Wer pro Woche allein für Bewegung zwischen 2.000 und 3.500 Kalorien aufwendet, erkrankt seltener (zum Beispiel an Herzinfarkt oder Krebs), erholt sich schneller und lebt im statistischen Mittel fast zwei Jahre länger als jemand mit einem wesentlich geringeren Bewegungskonto.“ Martina von Merzljak fasst so den Lohn des Aktiv-Werdens zusammen:„Bewegung hält jung, schützt das Herz, stärkt die Knochen und Muskeln und macht gute Laune.“ Dabei ist es individuell ganz unterschiedlich, welche Bewegung das Potenzial zum Lust-Faktor hat. Für die Grafikerin und Fotografin Monika Frei-Herrmann ist es beispielsweise das Barfuß-Laufen am Strand. Quell-Reiseexpertin Martina Guthmann blüht auf, wenn sie mit Paddel und Neopren-Anzug entlang des Ufers des Starnberger Sees Wasser-wandert. Und Quell-Herausgeberin Andrea Tichy fühlt sich am wohlsten, wenn sie Berge rauf- und runter marschieren kann. Die gute Nachricht: Wer keine Lust auf Joggen hat, der braucht sich dazu nicht zu zwingen. So liegen zum Beispiel in punkto Kalorienverbrauch Joggen und Gehen gar nicht so weit auseinander. Physiologische Untersuchungen zeigen, dass der Energieaufwand beim Gehen nur wenig geringer ist als beim Laufen. Bei beiden Fortbewegungsgeschwindigkeiten benötigt man etwa 50 Kalorien pro Kilometer.

Individueller Kick als Initialzündung

Nach den Erfahrungen von Sport-Coach Martina von Merzljak braucht es oft nur einen individuellen Kick, um die Lust an der Bewegung entwickeln zu können. Das geht auch bei Menschen, die körperlich gar nicht gut drauf oder beeinträchtigt sind. Als sanften Einstieg in die Aktivierung hat sie selbst nach einer Verletzung mit Wohlfühl-Yoga auf dem Stuhl gute Erfahrungen gemacht. „Das geht in jedem Alter“, so ermutigt sie. Ein guter Einstieg, um den inneren Schweinehund zu überwinden, können auch so einfache Übungen wie etwa Kniebeugen sein. Büro-Menschen empfiehlt sie, nicht länger als eine Stunde am Stück zu sitzen. Die größte Freude für Martina von Merzljak ist es jedenfalls, anderen Menschen die Lust an der Bewegung zu vermitteln. Und das gelingt ihr nicht nur bei Schülern, sondern auch bei ihren Kollegen. „Nach einem gemeinsamen Wander-Ausflug sind alle glücklich“, so erzählt sie.

Kniebeugen effektiv und schnell zu machen

Die Füße stehen hüftbreit auseinander. Die Zehen zeigen nach vorne. Beugen Sie die Beine, als wollten Sie auf einem Stuhl Platz nehmen. Halten Sie den Rücken gerade und das Kinn parallel zum Boden. (Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Tasse mit Flüssigkeit auf dem Kopf). Variation: Wie oben, nur die Arme während der Kniebeuge nach vorne, zur Seite oder über Kopf heben.

Was wird trainiert?
Beinmuskulatur, Rückenstrecker, Stabilisation. Bei Armeinsatz zusätzlich Schulterpartien und oberer Rücken.

Die Autorin

Ansteckend gute Laune
Martina von Merzljak ist Sporttherapeutin und Diplom-Sportlehrerin. Seit sie denken kann, ist es ihr eine große Lust, sich zu bewegen. Mit ihrem Studium an der Sport­hochschule in Köln (DSHS) und ihrer MItarbeit am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der DSHS hat sie ihre Passion auf eine wissenschaftliche Basis gestellt.

Zahlreich sind die Stationen ihres beruflichen Lebens. Unter anderem war sie Leiterin der Abteilung Leistungssportler des Ambulanten Rehazentrums Koblenz und medicoreha Neuss. Bei den Kölner Haien und dem Verlag Gruner + Jahr arbeitete sie als Personaltrainerin und entwickelte für ein Wirtschaftsmagazin die „Ein-Minuten-Übung“.

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Bildnachweis: Martina von Merzljak und Quell-Team; Titelbild, Martina Guthmann