Kostenloses Saatgut
Die nun ausklingende Balkon- und Garten-Saison ist die beste Zeit, über den eigenen Saatgutbedarf nachzudenken.
Hand aufs Herz: Wenn Sie Pflanzen für Ihren Garten, für Balkonkästen, Blumenkübel oder Gemüsebeete brauchen – wo kaufen sie diese ein? Schwelgen Sie in schön gestalteten Saatgutkatalogen? Verlieren Sie sich vor den bunten Regalen gut sortierter Gärtnereien oder beim Online-Shopping? Dann geht’s Ihnen wie mir. Wir sind inzwischen sehr daran gewöhnt, aus einem fast unüberschaubaren Angebot wählen zu dürfen. Nun möchte ich zwar weder Ihnen noch mir dieses Vergnügen nehmen. Doch es geht auch anders. Nachhaltiger. Regionaler. Ökologischer. Und dabei nicht minder spannend und befriedigend
Idee stammt aus den USA
Das Prinzip einer Saatgutbibliothek ist simpel: Private Gärtner leihen sich das gewünschte Saatgut aus und bauen es in ihrem Garten oder auf dem Balkon an. Nach der Blüte beziehungsweise bei Samenreife ernten sie das frische Saatgut, lassen es trocknen und geben anschließend einen Teil davon zurück an die Bibliothek. Das kostet nur ein bisschen Mühe und einen Schwung frischer Erde. Die Idee soll in den USA entstanden sein – um der Verbreitung von gentechnisch veränderten Sämereien nicht kampflos das Feld zu überlassen. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Angebote, etwa in den Stadtbüchereien von Heidelberg, Karlsruhe oder Koblenz und der Emil-Figge-Bibliothek der Technischen Universität Dortmund – um nur einige wenige zu nennen.
samenfest statt f1-hybride
Haben Sie schon einmal von Haferwurzel gehört? Es handelt sich um eine fast vergessene, alte Gemüsesorte. Oder erinnern Sie sich noch an die Mairübchen aus Omas Garten? Saatgutbibliotheken verleihen bevorzugt Samen von heimischen Pflanzen sowie von regionalen und alten Gemüsesorten, die erhalten werden sollen. Diese müssen „samenfest“ sein, also nachbaufähig. Das bedeutet, dass sich aus jedem Samenkorn eine nächste, sortenechte Pflanzengeneration ziehen lassen muss. Die neuen Pflanzen weisen zudem die gleichen Eigenschaften auf wie die Eltern, was bei Hybridsaatgut (F1-Hybriden) nicht der Fall ist. Pflanzen aus kommerziell hergestelltem Hybridsaatgut liefern zwar mitunter höhere Erträge, sind einheitlicher in Größe, Form und Reifezeit und unter Umständen sogar resistenter gegen Krankheiten. Das System macht aber auch abhängig von Saatgutherstellern, kostet Geld und lässt pflanzliche Vielfalt verschwinden. Der Tausch von Samen wirkt all dem entgegen und macht auch noch Freude. Machen Sie mit!
Vorteile von Saatgutbibliotheken
Der Verleih von Samen versteht sich in gewisser Weise als Gegenentwurf zu kommerziell erzeugtem (Hybrid-) Saatgut. Befürworter der Bewegung sehen vor allem folgende Vorteile:
Pflanzenvielfalt Durch den Saatgutverleih lassen sich seltene oder gefährdete Pflanzen erhalten, was genetische Vielfalt fördert.
Hilfe für Insekten: Wer heimischePflanzen im eigenen Garten ansiedelt, erweist der auf die lokalen Bedingungen angepassten Insektenwelt einen unschätzbaren Dienst.
Lokaler und nachhaltiger Anbau Sowohl Landwirtschaft als auch Privatgärten profitieren von Pflanzen, die in der jeweiligen Region gut gedeihen.
Bildung und Gemeinschaft Wer geliehenes Saatgut im eigenen Garten vermehrt, hilft bei der Verbreitung des Wissens über Pflanzen anbau, Saatgutgewinnung und Nachhaltigkeit. Durch den Austausch von Saatgut und Erfahrungen entsteht Gemeinschaft.
Selbstversorgung und Resilienz Sowohl Einzelpersonen als auch interessierte Gruppen machen sich durch den Anbau eigener Lebensmittel unabhängig.
die Autorin Elisabeth Menzel
studierte Medien- und Kommunikationswirtschaft in Ravensburg. Ihr Volontariat und erste Jahre als Redakteurin verbrachte sie beim Südwestrundfunk (SWR). Es folgten Stationen als Print-Redakteurin und Pressesprecherin. Inzwischen arbeitet sie als freie Journalistin und schreibt am liebsten über gesunde Ernährung, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und biologische Landwirtschaft.