Vögel willkommen heißen 

Erinnern Sie sich an das alte Kinderlied, in dem ein Vögelchen Grüße von der Mutter bringt? In vielen Liedern und Gedichten spielen Singvögel eine Rolle; ihre Präsenz gehört für uns zum Leben dazu. Dass sie stark gefährdet sind, wissen wir inzwischen. Irritierenderweise verschwinden vor allem die bisher häufigen Arten. Lesen Sie hier, wie es aktuell um die Bestände steht und was Sie selbst zum Vogelschutz beitragen können – auch und gerade im Sommer.

Es war besser als Kino: Wenn unsere Großmutter pünktlich zum ersten Schnee ihr Vogelfutterhaus mit Körnern füllte, versammelten wir Kinder uns am großen Esszimmerfenster. Gebannt verfolgten wir, welche Futtergäste uns besuchten: Da gab es Blau- und Kohlmeisen, Schwanzmeisen, Rotkehl- chen, Hausrotschwänze, Sperlinge, Bunt- und Grünspechte. Auch Amseln und Kleiber, sogar Eichelhäher, Goldammern, Kernbeißer und Stieglitze liebten das kernige Büffet. Besondere Begeisterung lösten bei uns die dicken Dompfaff- Männchen mit den roten Bäuchen aus. Oder die Haubenmeisen mit ihren Sturmfrisuren. Großmutter fütterte nur im Winter, wenn der Rand des Schwarzwaldes viele Wochen lang unter einer dicken Schneedecke lag. Das Spektakel am Futterhaus war herrlich und mein altes Vogelbestimmungsbuch aus Grundschulzeiten ist entsprechend zerlesen.

Verzweifelt gesucht: Insekten und Brutplätze

Inzwischen habe ich mein eigenes Futterhaus. Es hängt ganzjährig katzensicher in der Eibe vor meinem Bürofenster. Und ja, es wird durchaus besucht. Aber diese reiche Artenvielfalt von früher, das bunte Getümmel und Gezanke im Garten der Großmutter – das war einmal. Zwischen 1998 und 2009 verschwanden allein in Deutschland 15 Prozent aller Vogelbrutpaare. Im Jahr 2021 standen bereits 43 Prozent der in Deutschland brütenden Arten auf der Roten Liste. Der Bestand des schillernden Stares hat sich in den letzten Jahren fast halbiert. Besonders hart trifft es Feldvögel wie Rebhuhn und Lerche sowie Wiesenvogelarten wie den Brachvogel.

Seltene Arten gerettet, häufige Arten gefährdet

Durch konventionelle Landwirtschaft und Pflanzenschutzmittel fehlt es an Insekten, die Jung- und Altvögel dringend als Futter benötigen. Auch geeignete Brutplätze sind Mangelware, denn wir betonieren Städte wie Dörfer, versiegeln Flächen und kippen auch noch Kies in unsere ohnehin schon viel zu aufgeräumten Gärten. Was Singvögel bräuchten sind artenreiche Wiesen, Brachflächen, Hecken mit heimischen Gehölzen und Feuchtbiotope mit reichlich Mückenlarven. „Das Vogelsterben findet (…) bei den Vogelarten statt, die eigentlich überall, in der sogenannten Normallandschaft vorkommen sollten“, informiert der NABU (Naturschutzbund Deutschland e. V.). Immerhin, es gibt einen Hoffnungsschimmer: Die Bestände besonders seltener Arten wie Kranich, Seeadler oder Wanderfalke erholen sich wieder – gesetzlichen Regelungen und der Einrichtung von Naturschutzgebieten sei Dank. Trotz dieser ersten Erfolge bringe es nichts, allein auf die Politik zu hoffen, erklärte Prof. Peter Berthold, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfszell, gegenüber der ARD: „Das muss von unten (…) kommen, von der Bevölkerung!“ Er empfiehlt, aus jedem Hausgarten, aus jedem Balkon, jedem nur denkbaren Fleckchen eine kleine ökologische Herberge für Vögel zu machen. Was wir konkret tun können, lesen Sie hier:

Was Sie selbst tun können: „Schlampern“ Sie im Garten

 

LEBENSRÄUME SCHAFFEN:  Üben Sie sich in Schlamperei und Faulheit: Erlauben Sie wilde Stellen im Garten. Lassen Sie Kräuter stehen, Laubhaufen liegen und Totholz verrotten. Legen Sie einen Komposthaufen an. Wo sich Krabbeltiere wohlfühlen, entsteht ein Schlaraffenland für Vögel.

INSEKTEN ANLOCKEN: Pflanzen Sie heimische Sträucher und Hecken wie Weißdorn und Vogelbeere als Nahrung und Unterschlupf. Wählen Sie eine nektarreiche Blumenwiese statt Rasen und legen Sie Feuchtbiotope an. Bauen Sie Hummelnistkästen, Wildbienen- und Insektenhotels.

RICHTIG FÜTTERN Vogelschützer diskutieren die Ganzjahresfütterung kontrovers. Bitte informieren Sie sich und entscheiden Sie selbst. Achten Sie in jedem Fall auf ein geeignetes Angebot: Fettfutter nur im Winter (da schädlich für Jungvögel), stattdessen Saaten und reichlich Insekten aus dem Zoofachhandel (Mehlwürmer, Soldatenfliegen). Keine billigen Mischungen aus dem Baumarkt oder Gartencenter kaufen – wählen Sie vom NABU empfohlenes Futter. Vorsicht bei Erdnüssen, sie können mit Toxinen belastet sein. Bitte hängen Sie zum Schutz der Vögel keine Meisenknödel mit Plastiknetzen auf.

NISTKÄSTEN AUFHÄNGEN: Kreieren Sie Brutplätze für unterschiedliche Vogelarten. Der NABU informiert per Website und Youtube über die Vorlieben der jeweiligen Arten und stellt detaillierte Bauanleitungen zur Verfügung. Tipp für Tierhalter: Hängen Sie das ausgebürstete Fell Ihres Vierbeiners im Frühjahr draußen auf die Wäscheleine. Sie werden staunen: Ihre Gartenvögel zupfen es sich begeistert als Nistmaterial heraus. Verzichten Sie während der Brutzeit (März bis September) auf den Schnitt von Hecken und Gehölzen, um brütende Vogelpaare nicht zu stören.

Über die Autorin: Elisabeth Menzel studierte Medien- und Kommunikationswirtschaft in Ravensburg. Ihr Volontariat und erste Jahre als Redakteurin verbrachte sie beim Südwestrundfunk (SWR).Es folgten Stationen als Print-Redakteurin und Pressesprecherin. Inzwischen arbeitet sie als freie Journalistin und schreibt am liebsten über gesunde Ernährung, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und biologische Landwirtschaft.