Portrait-Elsemarie Maletzke

Garten-Kolumne von Elsemarie Maletzke

Pascal behauptet, alles Unglück der Menschen rühre daher, dass sie unfähig seien, in Ruhe allein in ihrem Zimmer bleiben zu können. Stattdessen verbreiten sie ihre Rastlosigkeit über den ganzen Erdball und kehren doch nicht erfüllter zurück. Warum? Der Mensch bricht auf, ohne den Wetterbericht zu hören und landet in Gegenden, wo ihm das Wasser zum Hals steigt und das Dach über dem Kopf davonfliegt. Die Straße ist verschüttet; auf dem Markt sprengt ein Wahnsinniger den Bus in die Luft. Wer braucht das? Wer schickt uns durch die Welt? Wer will uns weismachen, ohne neue Lande- und Autobahnen würden wir verarmen?
„Was hat ein Gärtner zu reisen? Ehre bringt’s ihm und Glück, wenn er sein Gärtchen besorgt“, wusste schon der Geheimrat Goethe, der nicht im Verdacht steht, ein hektischer Tourist gewesen zu sein. Auch der französische Natur- und Insektenforscher Jean-Henri Fabre, der 1823 geboren wurde, reiste lieber vor sein Haus als in die weite Welt und besuchte in seinem provenzalischen Gestrüpp die fremden Stämme der Hosenbiene und der Kreiselwespe, um an die hundert Bücher über seine Freunde, die Kerbtiere, zu schreiben.
Ich hoffe, Blaise Pascal hätte nichts dagegen einzuwenden, dass ich das Zitat vom Zimmer in den Garten hinein erweitere. Vermutlich ist es nicht jedem gegeben, dort ähnlich bedeutende und beglückende Entdeckungen wie Fabre, „der Homer der Insekten“ zu machen. Dennoch: Der Garten ist der Ort des genauen Blicks und der wunderbaren Veränderung. Ohne dass man sich hinausrührte, wandelt sich das Bild in Wochen, in Tagen. Ohne dass man fremden Menschen auf die Zehen träte, herrscht Fülle. Und statt sein Geld in Souvenirs anzulegen, bei deren Anblick man sich zu Hause an den Kopf fasst, kann man Dutzende von Blumenzwiebeln versenken, die Beete mit Buchs umkränzen oder eine Regentonne aufstellen – Maßnahmen von größerer Nachhaltigkeit als jeder Sonnenbrand.
Ich gestehe, dass ich, wenn ich verreise, den Garten auch in der Fremde nicht aus den Augen verliere. Aus diesem Grund nehme ich ein kleines Necessaire mit. An einer Straßenböschung gibt es Fingerhutsamen abzustreifen, aus einer Mauerritze ein efeublättriges Zimbelkraut zu scharren, zwischen zwei Zaunlatten bieten weiße Malven ihre braunen Samentäschchen dem Vorübergehenden an und wenn irgendwo auf einer Fensterbank ein Sedum-Ableger zum Verkauf steht, kann ich nicht widerstehen und werfe gern einen Euro in die Dose. Ich meine, wenn ich den Garten schon verlasse, kann ich ihm zumindest etwas von unterwegs mitbringen.

Die vielseitige Autorin Elsemarie Maletzke liebt es, über Gartenkultur zu schreiben. In Titeln wie „Leidenschaftliche Gärtner“ bringt sie ihre Begeisterung für das Grüne zum Ausdruck.

Fotos: Birgit Bielefeld | Monika Frei-Herrmann

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