Garten-Kolumne von Elsemarie Maletzke
Über keine andere platonische Leidenschaft wird so literarisch, so anmutig und philosophisch geschrieben, wie über die Gartenlust. Andere Freizeitgestaltungen mögen mit ähnlicher Passion betrieben werden, aber adäquat beschrieben sind sie nicht: Philatelie etwa? Volleyball? Oder Modelleisenbahnen? Gartenkunst und Gartenlust haben jedoch seit Anbeginn der Zeit ihre literarischen Fürsprecher. Der Mensch wurde aus einem Garten vertrieben, nicht aus einer Turnhalle oder seinem Hobbykeller. Weltliche und geistliche Herrschaften pflegten Gärten, als noch kein Mensch an Briefmarken oder Fallerhäuschen dachte. Schon die Jungfrau Maria saß im Rosenhag. Und lang ist die Liste der literarischen Gärtner: Goethe, Wieland, Borchardt, Colette …
Aber auch die Pflanzen sind über ihr manchmal nur kurzes Leben hinaus wirksam. Johannes Heesters, befragt nach seinem Geheimelixier für 107 Lebensjahre, nannte an erster Stelle Gartenarbeit – vor dem Besuch der Sauna und dem Genuss von Knoblauch. Nun gehören ja auch das Wandeln zwischen den Beeten und das Abknipsen verwelkter Blüten zur Gartenarbeit. Was zählt, ist schließlich nicht die Fähigkeit, auf der Leiter in den Kirschbaum zu steigen, sondern allein die Gartenlust, die einzige Leidenschaft, die mit dem Alter zunimmt, wie der belgische Fürst Charles de Ligne schon im 18. Jahrhundert erkannte.
Dass gärtnern gesund ist und der Seele gut tut, ist inzwischen auch wissenschaftlich erhärtet. An der Katholischen Hochschule für soziale Arbeit in Saarbrücken gibt es sogar einen Studiengang Gartentherapie zur Heilung von psychischen und physischen Krankheiten. Gärtnern, so heißt es dort, rege die Sinne an, stabilisiere die Psyche, fördere Geschick und Kommunikationsfähigkeit, stärke Herz und Kreislauf und beuge Osteoporose vor.
Ein Freund, den ich an einem Wochenende versetzt hatte, weil es mich in den Garten zog, erwiderte pikiert: „Natürlich soll Dein Garten nicht leiden.“ Es ist aber genau umgekehrt. Der Garten, gut eingewurzelt und vom Regen genetzt, kommt auch mal ohne mich aus. Ich bin es, die leidet, wenn ich ihm eine Weile fernbleiben muss. Jemand, der nie vor einer Strauchpäonie gekniet und sie gebeten hat, in diesem Jahr eine Blüte hervorzubringen, nur eine einzige zum Zeichen, dass sie sein Beet als ihre Wohnung betrachte, wird die Präferenz des Gartens vor Kino und Weinstube kaum verstehen. Erfolgreich? Nicht durchweg. Leidenschaftlich? Aber immer!
Fotos: Birgit Bielefeld | Monika Frei-Herrmann
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