Was schamanische Bilder bewirken können
Unter „schamanischen Bildern“ verstehe ich „innere Bilder“ oder auch „Seelenbilder“, die während Visionssuchen, Medizinwanderungen, Familienaufstellungen, schamanischen Reisen, Meditationen oder ganz persönlichen Wallfahrten entstehen können. Auch in Träumen und beim Aufwachen können sich solche Bilder zeigen. Dabei handelt es sich um Gelegenheiten, bei denen man in einen rechtshirnigen Zustand gerät oder sich in einem solchen befindet: im sogenannten Alpha-Zustand. Dann ist das Tor zur Seele offen. Diese kann sich uns dabei in ihrer „Sprache“ und Ausdrucksweise zeigen und uns wichtige Botschaften vermitteln: in Symbolen, in inneren Bildern.
Schwellenzeit – Medizinwanderung – Anderswelt
In der Nähe meines Wohnortes gibt es den Wallfahrtsort „Maria Beinberg“. Seit Jahren mache ich in unregelmäßigen Abständen immer wieder eine ganz persönliche Wallfahrt zu diesem Heiligtum. Mehr noch als die Kirche auf dem höchsten Punkt des Hügels spricht mich die sogenannte „Fatima-Kapelle“ an. Sie liegt rund zehn Höhenmeter unterhalb des Kirchplatzes. Auffällig sind die etwa dreißig Meter hohen Lärchenbäume, die um die Kapelle herum gruppiert sind und den Blick nach oben gen Himmel ziehen – für mich persönlich ein Hinweis auf einen besonderen Kraftort an dieser Stelle. Vermutlich war der ganze Berg schon vor der Christianisierung von den Kelten als Ritualort in Gebrauch: Er wirkt aufgeladen mit starker Energie.
Ich nutze diesen Wallfahrtsort für meine ganz persönlichen, schamanisch orientierten Rituale, besonders dann, wenn ich ein Anliegen habe oder wenn es um Fragen zu meiner Gesundheit oder zur Harmonisierung meines Herkunfts-Familiensystem geht. In solchen Fällen mache ich für mich eine Wallfahrt im Rahmen einer Medizinwanderung. Als spirituell ausgerichteter Lebensberater begleite ich zudem immer wieder einzelne Klienten bei ihren Medizinwanderungen, schamanischen Ritualen oder eben bei persönlichen Wallfahrten. Wie jedes Ritual hat auch die Medizinwanderung drei Teile: einen klar markierten Anfang, einen zentralen Mittelteil und ein ebenso klar markiertes Ende.
Der Ausgangspunkt meiner ganz persönlichen Wallfahrt liegt nur zwei Kilometer von dem Heiligtum entfernt. Dazu lege ich mir zunächst eine Schwelle aus kleinen Ästen und Steinen auf den Weg, der durch eine wunderbare bäuerliche Flur und vorbei an kleinen Wäldern führt. Bevor ich diese Markierung auf dem Boden überschreite, mache ich mir nochmals meine Intention klar, weswegen ich zu dieser meiner Wallfahrt aufbreche. Was ist mein Anliegen? Worum werde ich die Göttliche Mutter in der Fatima-Kapelle bitten? Welche Anliegen möchte ich zu ihr hintragen?
Ich bitte das Göttliche und alle guten Geister dieses Naturraumes, mich bei der unmittelbar bevorstehenden Wanderung zu unterstützen und mir weitere Impulse zu geben, die für meinen geistig-seelischen Prozess nun wichtig sind. Dann überschreite ich die Schwelle sehr bewusst, drehe mich nochmals um, um mich von der bisherigen, gewohnten Realwelt zu verabschieden und um danach in dieser „Anderswelt“ zu sein: in einem zeitlosen, geistig-intuitiv-spirituellen Raum – im sogenannten „Schwellenraum“ und in der „Schwellenzeit“. Ähnlich wie bei einer schamanischen Reise werden nun Zeit und Ort anders empfunden: langsamer, intensiver, eindringlicher, voll mit Symbolen und Zeichen. Denn alle Tier- und Pflanzenbegegnungen, sowie die Landschaftsformationen können nun bereits einen Hinweis geben auf das Thema der Medizinwanderung und das Anliegen der Wallfahrt.
Oft war es schon so, dass mit dem bewussten Hineingehen in diese andere, magische Welt mir viele Gedanken in den Sinn kamen, die meine Intentionen der Wallfahrt konkretisiert oder ihnen nochmals eine andere Richtung gegeben haben. Vor allem erschienen dabei mehrfach „schamanische Bilder“ vor meinen Augen, also Seelenbilder, die einerseits meine Anliegen symbolisierten und als Bilder ausdrückten und andererseits nicht selten auch bereits eine Lösung anzeigten. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man sich in diese Anderswelt der Schwellenzeit begeben hat. Denn nun befindet man sich im Zustand der viel langsamer schwingenden Alphawellen, so dass rationale Überlegungen immer mehr zurücktreten. Dafür gewinnen Intuition und magische Vorstellungen mitten am Tag immer mehr an Raum, intensive Emotionen können aus dem Unbewussten hochsteigen.
Die Fatima-Kapelle – magischer Kraftort für spirituelle Anliegen
Die Fatima-Kapelle von Maria Beinberg enthält eine Marienfigur ohne Gotteskind. Die Jungfrau hat einen entrückten Blick in die Ferne. Für viele Gläubige, die hierher kommen, ist sie offenbar gerade deshalb als Mittlerin geeignet, ihre Bitten in eine andere Welt – in die Sphäre Gottes – zu tragen. Für mich selbst ist diese Figur jedoch Symbol für die Göttliche Mutter selbst, also für den weiblichen Aspekt des Göttlichen, nicht nur eine Vermittlerin. Wenn ich ihr meine Anliegen vortrage, dann bin ich bereits direkt beim Göttlichen angelangt. Dieses wird für mich durch das gleichwertige Einheits-Paar des „Himmlischen Vaters“ und der „Göttlichen Mutter“ repräsentiert. Vereinfacht gesagt fühle ich mich beim Göttlichen angekommen, wenn ich vor dieser Marien-Figur stehe.
Mehrere Jahre lang gab es vor der Madonna einen Altar mit einem großen umrandeten Blech darauf. Hierauf konnte man seine Teelichter stellen, sie entzünden und sie mit dem jeweiligen Anliegen „besprechen“, um es auf diese Weise ins Göttliche zu transformieren und „hoch“ zu senden. Bei diesem spirituellen Akt fließen bei mir folgende zwei Strömungen zusammen:
- meine katholische Tradition, wonach Bitten an Gott in jedem Falle gehört und angenommen werden, wenn sie mit Glauben, Vertrauen und Hingabe ausgesprochen werden. Die jeweils entzündete Kerze dient dazu, der Bitte Gehör, Ausdruck und Intensität zu verleihen;
- meine schamanische Erfahrung und Überzeugung, wonach das Universum, die geistige Welt und deren Energien und Kräfte ehrliche Bitten immer empfangen, bewahren und speichern. Nichts davon geht verloren.
In der geistig-göttlichen Welt wird jedes Anliegen, das mit ehrlicher Absicht vorgetragen wird, erhört und mit Ehrfurcht angenommen. Bei einer Wallfahrt gibt man dieses Anliegen an eine höhere Macht oder Instanz ab, in diesem Falle an Maria, an die Göttliche Mutter. Man sollte es aber der geistigen Welt oder dem Göttlichen überlassen, wann und auf welche Weise die Bitte erfüllt wird. Nach meiner Erfahrung ist es wichtig, ein Anliegen möglichst klar zu formulieren, es mit einer positiven Emotion zu verbinden und sich beim Göttlichen bereits für die Erfüllung der Bitte zu bedanken, also nicht nur zu lamentieren und zu klagen und es bei einer bloßen Bitte zu belassen.
Zudem ist es klug, sich nach der Wallfahrt gar nicht mehr mit den abgegebenen Anliegen und Bitten zu befassen, also nicht mehr die ganze Zeit darüber nachzudenken und sich den Kopf zu zerbrechen. Das Anliegen ist ja bei der Göttlichen Mutter auf- und abgegeben worden. Und so stehe ich auch nicht mehr im Wege, wenn sich die Bitten auf eine Weise erfüllen, die ich mir so gar nicht vorgestellt habe. Bisweilen erkenne ich erst viel später durch Zufall, dass meine Bitten ja bereits erfüllt wurden; manchmal halte ich aber auch den Atem an, wenn ich merke und dabei zuschauen kann, wie sich jetzt gerade meine Bitten erfüllen – etwa indem ich in völlig unerwartete Ereignisse gerate.
Fall Robert (61 Jahre, Name geändert): „Es fließt wieder Energie durch meine Männer-Linie“
Robert ist einer meiner Klienten. Zunächst ging es nur um berufliche Fragen, bald jedoch standen in unserer spirituell ausgerichteten Beratung seine vielfältigen (Lebens)Blockaden im Mittelpunkt: sein seit Jahren verkrampfter Rücken, gescheiterte finanzielle Projekte, sowie ein Grundgefühl von Unfreiheit und Isolation. Was war mit ihm nur los?
Ende April schlug ich Robert vor, im Rahmen einer Medizinwanderung eine Wallfahrt nach Maria Beinberg zu machen und seine Anliegen dort hinzutragen, so wie ich es schon so oft für mich selbst praktiziert hatte. Eine ganze Sitzung lang bereitete ich ihn ausführlich darauf vor. Nachfolgend sein Bericht:
„Kaum hatte ich die Schwelle überschritten, wurde ich auf die Ackerlandschaft aufmerksam. Der Winterweizen hatte gerade seinen stärksten Wachstumsschub, der Raps blühte und die Kartoffelfelder waren frisch bestellt: ihre Bifang zogen gerade, symmetrische Linien aus brauner Erde durch die Felder. Dies alles erinnerte mich wohltuend an meine Kindheit und an meinen vor zehn Jahren verstorbenen Vater. Denn er hatte mir immer wieder dieses Gefühl für die wunderbar bestellte Ackerflur im Frühling vermittelt, das ich auch jetzt intensiv empfinden konnte.
Wut in der männlichen Ahnenlinie
Gleich danach wurde ich jedoch von einem anderen Gefühl überschwemmt. Denn mir wurde jetzt mit der Erinnerung an meinem Vater erneut schmerzlich bewusst, was in meiner väterlichen Ahnenlinie nicht stimmte und was zu einem großen Leid über mehrere Generationen geführt hatte. Ich sah meinen Urgroßvater ganz plastisch vor mir, den ich real jedoch nur von einigen Bildern her kannte. Er war bereits 1911 gestorben. Sehr spät war er 1893 nochmals außerehelich Vater geworden. In meinem katholischen Dorf wurde dies als große Schande empfunden und meine Ur-Großmutter, eine Kleinhäuslerin, wurde geächtet und als ‚Hure‘ tituliert. Der Ur-Großvater jedoch konnte sich hinter seiner offiziellen Familie verstecken. Er kannte seinen Sohn, meinen Opa, nie an und leugnete bis zu seinem Tod die Vaterschaft.
Mein Opa wurde in der Schule ausgebissen und kriegte sein Stigma als ‚Unehelicher‘ nie richtig los. Seine ohnmächtige Wut über seinen Vater, der ihn verleugnet hatte, bekamen dann seine beiden Söhne, besonders aber mein Vater ab. Der Opa war gewalttätig. Als er während des zweiten Weltkriegs überraschend starb, war mein Vater erst 15 Jahre alt. In großer Not versuchte er, das bäuerliche Anwesen zu erhalten und sich, seine Mutter und seine beiden Schwestern existenziell durchzubringen. Nach dem Krieg hatte er nur ein Ziel: einen großen Hof aufzubauen, um nie mehr Existenzangst zu haben, und eine eigene Familie zu gründen.
Auch mein Vater war voll Wut und auch er war gewalttätig – nun gegenüber mir. Die Wutenergie hatte sich damit in der väterlichen Ahnenlinie um eine Generation fortgesetzt. Daher war es kein Wunder, dass ich im Alter von 21 Jahren sein Angebot ablehnte, als Abiturient in seinen Bauernhof einzusteigen. Ich studierte und wurde Elektroingenieur. Ich wusste, dass ich mit ihm nicht konnte, weil er zu autoritär war. Effektiv wäre ich nur sein billiger Knecht geworden, wenn ich bei ihm zu Hause geblieben wäre. Obwohl als Hoferbe vorgesehen, hätte ich bei ihm nichts zu melden und zu entscheiden gehabt.
Auch in mir steckte die ganze Zeit eine große Wut auf den Vater – weil er mich mehrfach als kleinen Jungen heftig geschlagen hatte und weil er mein ursprüngliches Ziel effektiv verhindert hatte, den Hof zu übernehmen. Ich hatte große Mühe, diese meine Wut nicht erneut ’nach vorne‘ in die nächste Generation – auf meinen Sohn – zu projizieren. Ich bekam meine Wut nie ganz los und war immer in einem unerklärlichen Grundstress. Meine Körpersymptome rührten sicher auch von da her. Daher überraschte es mich nicht, dass diese alte, unaufgelöste Wut auch jetzt bei der Wallfahrt wieder angetriggert wurde.
Verwandlung der Beziehungen bei den Ahnen-Männern
Doch jetzt geschah während meiner Wanderung etwas Erstaunliches: Vor meinem inneren Auge sah ich meinen Ur-Großvater, von dem durch die Verleugnung seiner Vaterschaft der ganze Stress ausgegangen war, sowie meinen Großvater, meinen Vater und mich selbst sehr deutlich. Der Ur-Großvater drehte sich nun zu meinem Großvater um, schaute ihn zum ersten Mal mit großer Liebe an und sagte zu ihm:
‚Auch Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich mein Wohlgefallen! Es tut mir leid, dass ich Dich so verleugnet habe, denn ich habe damals als angesehener Bürger im Dorf die sozialen Konsequenzen brutal gefürchtet. Ich würdige Deine große Lebensleistung. Du bist mein Sohn, ich bin stolz auf Dich und freue mich sehr, dass es Dich gibt!‘
Jetzt konnte ich sehen, wie sich mein Opa vollkommen verwandelte. Sein Gesichtsausdruck wurde weich, er wirkte sehr entspannt, weil er schon so lange auf diese Anerkennung seines Vaters gewartet hatte. Dann sagte er:
‚Lieber Papa, ich bin so froh, dass ich Dich nun endlich habe als meinen Vater. Ich habe so gelitten darunter, dass Du Dich nie zu mir bekannt hast. Aber jetzt bin ich unendlich glücklich, dass Du Dich als mein Vater gezeigt hast. Ich anerkenne und würdige Dich und meine Wut auf Dich ist völlig verflogen. Jetzt ist alles gut!‘
Das gleiche geschah nun zwischen meinem Opa und meinem Vater, ebenso zwischen meinem Vater mir. Auch meine Wut auf ihn war total verflogen, ich war nur noch froh, meinen Vater zu haben. Ich konnte jetzt die Energie durch meine ganze Ahnenlinie fließen sehen – vom Ur-Opa zum Opa, von ihm zu meinem Vater, von meinem Vater zu mir, von mir zu meinem Sohn. Das erleichterte mich kolossal und machte mich einfach nur noch glücklich.
Als ich an der Fatima-Kapelle angekommen war, stellte ich mehrere Kerzen auf den Altartisch. Jede Person meiner männlichen Ahnenlinie bekam nun eine Kerze, auch ich selbst und mein Sohn. Ich übergab nun der Göttlichen Mutter mein ganzes Ahnen-System mit der Bitte um Heilung und mit dem Dank dafür, was bereits geschehen war: Denn nun waren alle emotionalen und Familien-systemischen Blockaden beseitigt, Energie und Liebe flossen durch alle Beteiligten hindurch und das ganze System war in Frieden gekommen.“
Fazit
In der geistigen Welt, in der sich Robert bei der Wallfahrt befand, herrscht ein anderer Zeitbegriff. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft können gleichzeitig stattfinden. Wenn also in dieser „Anderswelt“ Roberts Urgroßvater nun nach 130 Jahren seinen Sohn doch noch annimmt und würdigt, dann ist die Blockade in der männlichen Ahnenlinie beseitigt und die Energie kann durch alle Generationen fließen. Dies war offensichtlich der Fall und hatte Auswirkungen auch in der Realwelt von Robert. Er konnte den Frieden im Hier und Jetzt spüren, der in sein Ahnensystem eingekehrt war. Dazu war es wichtig, dass er seine „Ahnen-Männer“ in inneren (schamanischen) Bildern sehen und ihre geklärte Beziehung erleben konnte. Dies nahm einen großen Stress von ihm, was auch in den weiteren Beratungs-Sitzungen mit ihm sichtbar wurde. Seine innere Unruhe war entwichen, da er nun seine „Ahnen-Männer“ mit ihrem Segen hinter sich wusste.
Peter Maier
(Lehrer für Physik und Spiritualität, Supervisor, Lebensberater, Autor)
Literatur:
Peter Maier: „Heilung – Die befreiende Kraft schamanischer Bilder“ (Softcover)
ISBN 978-3-756521-18-0 (Preis: 16,99 €, Epubli Berlin, 1. Auflage 2022)
eBook: ISBN: 978-3-756523-53-5 (Preis: 10,99 €, Epubli Berlin, 2022)
Peter Maier: „Heilung – Plädoyer für eine integrative Medizin“ (Softcover)
ISBN: 978-3-752953-99-2 (Preis: 18,99 €, Epubli Berlin, 1. Auflage 2022)
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Peter Maier: „Heilung – Initiation ins Göttliche“ (Softcover)
ISBN: 978-3-95645-313-7 (Preis: 18,99 €, Epubli Berlin, 2. Auflage 2016)
eBook: ISBN: 978-3-752956-91-7 (Preis: 11,99 €, Epubli Berlin 2020)
Nähere Infos und Buchbezug: www.alternative-heilungswege.de und www.initiation-erwachsenwerden.de