Der Traunsteiner Permakultur-Gemeinschaftsgarten: Es geht um viel mehr als nur um das eigene Obst und Gemüse. Seit einem Jahr verfolgt Quell das Projekt Schöpfungsgarten, einen Gemeinschaftsgarten der Permakultur auf dem Gelände des Studienseminars St. Michael in Traunstein. Dabei waren der Aufbau der Hügelbeete, die Anzucht der Pflänzchen, das Mähen und Mulchen, das Bangen um Regen, die Freude über die erste Ernte nur ein Nebeneffekt eines viel umfassenderen Lernprozesses über das faire Miteinander auf der Welt. Von Martina Guthmann.
Wieder einen Bezug zur Natur zu bekommen, zu dem was man wirklich braucht, setzt Gedanken und Gefühle frei über den tiefen menschlichen Sinn eines nachhaltigen Umgangs mit unserer Erde.
Alle Menschen könnten satt werden
Mit dem Anlegen der Hügelbeete, dem Hochziehen zarter Pflänzchen, mit dem wachsenden Vertrauen in die nicht auf Knopfdruck funktionierende, aber sich selbst regulierende Natur, und mit der Freude an der gemeinsamen Ernte wird wie von selbst ein gegenseitiges verantwortungsvolles und gemeinschaftliches Miteinander trainiert, das die Welt verbessern kann – im Kleinen wie im Großen. Genauso wie wir in der Weltpolitik erleben, dass global mit der Verschlechterung der Umweltbedingungen auch Verschlechterungen im menschlichen und ethischen Bereich verbunden sind, genauso können wir umgekehrt schon mit kleinen Verbesserungen in unserer Umwelt, mit dem gemeinsamen Aufbau eines fruchtreichen Gartens, Verbesserungen im menschlichen Bereich erreichen.
Permakultur kann die Welt zum Besseren verändern
Karin Frank, Permakultur-Designerin und „Geburtshelferin“ vieler essbarer Landschaften, erlebt diese Verwandlung ihrer Mitgärtner immer wieder mit großer Freude: „Wir bauen viele kleine Paradiese, essbare Landschaften auf. Die Menschen kommen dadurch in einen Wandel, ganz konkret und nicht theoretisch. Das praktische Trainingsfeld Garten ist auf alle Lebensbereiche übertragbar und so erstarkt das Bedürfnis, im Lokalen wie im Globalen, nach einem anderen Verständnis von Wirtschaft und Fortschritt zu suchen“, so beobachtet sie. Mit vielen weltweit entstehenden Permakultur-Gärten, die zu einem großen „Paradies” zusammenwachsen, kann ein entscheidender Beitrag dazu geleistet werden, die destruktive Spirale von Monokulturen, von Gentechnik, von Maßlosigkeit und Wegwerfkultur, von Armut und Hunger, von Klimakollaps, umweltzerstörerischer Technik und Machtpolitik zu durchbrechen.
Permakultur ist wie ein konstruktiver Neubeginn. „Im Schöpfungsgarten geht es uns darum, nachhaltigen und zukunftsweisenden Lebensstil konkret erlebbar zu machen“, erklärt Wolfgang Dinglreiter, Direktor des erzbischöflichen Studienseminars St. Michael in Traunstein, sein Engagement. In Traunstein geht es jedenfalls weiter: Neben einem Bildungszentrum für nachhaltigen Garten- und Landbau, weiteren Gartenprojekten und einer Bank für samenfestes Saatgut ist auch ein Bauernhof-Kindergarten geplant.
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Vom Brachland zum fruchtbaren Garten
So entstand der Schöpfungsgarten in Traunstein:
Winter 2014
Der Permakultur-Designerin Karin Frank gelingt es, das Studienseminar St. Michael als Grundstückseigner zu überzeugen und rund 25 Traunsteiner Bürger für die Mitarbeit am Schöpfungs-garten zu motivieren: 3 000 qm stehen zur Verfügung. Zunächst wird 2015 mit einer Anbaufläche von 500 qm begonnen.
Frühjahr 2015
Aushubarbeiten und Aufbau des giebeldachför-migen Holzkerns, der als Gerüst für die späteren Hügelbeete dient. Dazu wird großes Geäst mit kleinem Astwerk sowie Laub verdichtet. Graswasen (Grasstücke) und die Aushuberde geben zu sammen mit Pferdemist, Humus und Mulch eine gesunde Basis für die jetzt anstehende Bepflanzung der harmonisch auf dem Feld verteilten Beete. 20 Hügelbeete mit einer Länge von insgesamt 250 Metern entstehen, dazu ein Randbeet von 50 Metern Länge. Dafür eingesetzte Arbeitszeit: rund 3 Stunden wöchentlich pro Teilnehmer über einen Zeitraum von zwei Monaten. Der Schöpfungsgarten ist ein echtes Gemeinschaftswerk. Jeder trägt nach seinen Fähigkeiten und Kräften zum Gelingen bei. Es gibt Aufgaben, für die mehr Muskelkraft und Arbeitsschritte, für die mehr die Feinmotorik gefragt ist. Permakultur kennt weder Wochenenden noch Ferien, aber die Gruppe ermöglicht Auszeiten.
Frühsommer 2015
Dreiviertel der Aufbauarbeit ist geschafft. Regelmäßiges Mulchen mit Rasenschnitt sorgt dafür, dass die im Gewächshaus vorgezüchteten samenfesten Pflänzchen jetzt ungestört von Unkraut und sonstigem Wildwuchs auf den Hügeln ihre Wurzeln schlagen können. Erste Ernten gehen mit weiterer Bepflanzung Hand in Hand. Insgesamt werden 30 verschiedene Obst-, Kräuter- und Gemüsesorten geerntet. Tägliche Rundmails an alle Beteiligten erleichtern die Koordination.
Hochsommer 2015
Wichtig ist jetzt, nach den Regeln der Permakultur weiterzuarbeiten und die Natur nicht in ihrem selbst-regulierenden Wirken zu stören. Dazu gehört beispielsweise auch die eiserne Disziplin, nicht zu gießen. Weitere Pflänzchen werden vorgezogen, gewässert, in größere Töpfe umgesetzt, um stärkere Wurzeln zu bilden.
Herbst 2015
Erntezeit und Einmachzeit. Auch einige Pflanzen können noch gesetzt werden. Die Kunst ist es, geeignete freie Plätze in den Hügelbeeten zu schaffen.
Spätherbst 2015
Sammeln der Samen für das nächste Frühjahr.
Winter 2015
Zeit für Fortbildung in Sachen Permakultur. Erst nach der erfahrenen Praxiszeit werden die Dinge richtig verstanden. Die Gruppe ist zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen und kann Pläne für die weitere Gestaltung und Bepflanzung schmieden.
Pionierin der Permakultur
Erfahrungswerte in Sachen Permakultur sind noch rar, erste Studien in 5 bis 10 Jahren zu erwarten. Karin Frank, Permakultur-Designerin und Koordinatorin, freut sich über jeden weiteren Pionier der nachhaltigen Kreislauf-Wirtschaft im Einklang mit der Natur. Sie steht Quell-Lesern für Fragen zur Verfügung:
schoepfungsgarten-kf@stcgeno.de
Die Initiatoren des Schöpfungsgartens (von links): Tobias Trübenbach vom Kreisbildungswerk, die Permakultur-Designerin Karin Frank, der Permakultur-Praktiker Erwin Kiefer und der Direktor des Studien-Seminars Wolfgang Dinglreiter.
Permakultur – was bedeutet das ?
Permakutur ist eine allumfassende Lebens-Einstellung nach den Grundprinzipien:
- Sorge für die Erde
- Sorge für die Menschen
- Teile gerecht
Dies gelingt über eine nachhaltige Kreislauf-Wirtschaft im Einklang mit der Natur.
Im Falle der Landwirtschaft bedeutet dies: Einsatz von Materialien der Umgebung, von Abfall-Ressourcen wie Holz, Dung und Mulch sowie samenfestem Saatgut. Im Gegensatz zu Hybridpflanzen ist samenfestes Saatgut weiter vermehrungsfähig und robus.
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Buch-Tipps:
Graham Bell
Permakultur praktisch
Schritte zum Aufbau einer sich selbst erhaltenden Welt
Ökologisch zu leben bedeutet nicht automatisch Verzicht, sondern den Wert der Natur wieder schätzen zu lernen und neue Definitionen für Reichtum zu finden. Vom Einkaufen bis zum Babysitten, am Arbeitsplatz oder beim Hausbau. Der Autor zeigt, wie man ökologisch leben kann, ohne „auszusteigen”.
ISBN: 978-3-89566-197-6
Pala-Verlag, 240 Seiten
Preis: 16 Euro
Bernhard Gruber
Die kleine Permakultur-Fibel
mit Permakultur Zukunft gestalten! Ein einfacher Einstieg ins Thema Permakultur.
Das Buch in gedruckter Form ist im Eigenverlag erschienen. Als Energieausgleich erwartet der Autor einen Beitrag von mindestens 25 Euro oder biologisch hergestellte Produkte in vergleichbarem Wert.
Erhältlich bei Vorträgen und Workshops von Bernhard Gruber oder unter www.permakultur.biz
Ute Scheub, Haiko Piplow, Hans-Peter Schmidt
Terra Preta
Die schwarze Revolution aus dem Regenwald
Mit Klimagärtnern die Welt retten und gesunde Lebensmittel produzieren.
Herausgegeben von der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis
ISBN: 9783865814074
oekom Verlag, 206 Seiten
Preis: 19,90 Euro
Weitere Beiträge zum Schöpfungsgarten Traunstein:
Schöpfungsgarten Traunstein – Zukunftsplanung bei frisch geerntetem Salat
Von der Disziplin, nicht zu gießen
So entsteht ein Gemeinschaftsgarten