Kreativ: Kunst und Kultur
Die lebendige Natur in der Arbeit zuzulassen, ist ein kokreativer Prozess. Das heißt, ergebnisoffen zu agieren, andere Instanzen in die Arbeit einzuladen und schlichtweg immer wieder Beobachter eines kreativen Entstehungsprozesses zu sein, in den man eingebunden ist, jedoch nicht alleine kontrolliert. Diese Haltung ist eine Analogie des Lebens. Von Clemens Büntig.
Wie wird ein Bild zum Bild?
Ich werde auf Kunstmessen oder Atelierbesuchen oft gefragt: Wie lange brauchen Sie denn für so ein Bild? Und wie entsteht es? Das ist eine berechtigte und nicht leicht zu beantwortende Frage. Zumindest lässt sie sich nicht numerisch in einer Anzahl von Stunden oder Tagen beantworten. Warum ist das so?
Von dem Arbeitsprozess, der nicht erst im Atelier, sondern eigentlich schon mit dem Schnüren meiner Wanderschuhe beginnt, möchte ich Ihnen in diesem Beitrag gerne erzählen.
Meine Bilder entstehen nicht durch eine Abfolge vorhersehbarer Handgriffe und sie entstehen auch nicht nur aus mir selbst allein. Es sind unterschiedlichste Instanzen an der Entstehung eines Bildes beteiligt, wie zum Beispiel das Wetter, ein Gespräch mit einem Besucher, einer Besucherin oder die Erfahrung eines Waldspazierganges.
Keine fünf Minuten von mir entfernt beginnt der Bürgerwald, ein Wald, welcher auf der anderen Seite des Flusses beginnt. Ich wundere mich immer wieder, dass dieses grüne Juwel so wenig besucht ist. Hin und wieder läuft einem ein Jogger über den Weg oder Hunde mit ihren Herrchen, manchmal jedoch darf ich mich ganz alleine durch einen sich selbst überlassenen Wald bewegen. Natürlich hört man Autos und den entfernten Lärm von Baustellen, doch angesichts Moos überwucherter Baumahnen, die dort liegen, wo sie gefallen sind und grüne Mikadohaufen über den Sparzbach bilden und Eichhörnchen als Brücke und Eulen als Landeplatz dienen, stören mich die Stadtgeräusche nicht.
Nach und nach werden sie unbedeutend, weil der Duft des Waldes und der sichtbar gewordene Lauf der Zeit, in Form von Moosen, Farnen, Blätterbergen, Pilzen in den unterschiedlichsten Farben und Formen, Tierspuren und Vogelstimmen mich, wenn es gut läuft, in einen wunderbaren Zustand versetzt, der im Idealfall dazu führt, das Interesse an Bewertung zu verlieren. Und genau dann fängt für mich Entspannung an. Ich sehe die toten Bäume, die voller Leben sind, weil sie, überwuchert von quietschgrünem Moos, Mäusen Unterschlupf und Pilzen Nahrung bieten und ich denke mir: Ach, so kann also ein gelebtes Leben aussehen und weitergehen. Es geht einfach weiter und wandert von einer Form in die andere.
Diese Erfahrung trage ich in mein Atelier, nachdem mich der Wald wieder nach Hause schickt. Er beschenkt mich mit einer Erkenntnis: relax, slow down and let it flow. Wenn ich dann also das Arbeiten anfange, mich für ein Medium, ein Material entscheide, Kupfer oder Papier als Bildträger wähle, Farben, Pinsel, Buntstifte, Schere, Cutter oder was auch immer sich mir anbietet, steige ich mit einer neugierigen, offenen Haltung in die Atelierarbeit ein.
Und die wertfreie Gestaltung, welche die Natur ständig vormacht, ist mir Vorbild.
Das heißt nicht, dass meine Arbeiten immer nach Natur aussehen, dass man immer eine bestimmte Pflanze erkennen kann, und es heißt auch nicht, dass ich kompositorische Fragestellungen außer Acht lasse, es heißt vielmehr, dass ich versuche, bestimmte Arbeitsprozesse erwartungs- und wertfrei durchzuführen. Und es bedeutet, dass nicht nur die sichtbaren natürlichen Formen mir immer wieder Anregung sind, sondern vielmehr die in der Natur verkörperten schöpferischen Gesetzmäßigkeiten mich einladen, das ganze Repertoire schöpferischer Instanzen in das Bildermachen einzubeziehen. Diese Arbeitsweise ist vielleicht nicht leicht nachvollziehbar, denn wir sind getrimmt, zielgerichtet zu handeln. Doch die lebendige Natur in der Arbeit zuzulassen, ist ein kokreativer Prozess. In meinen Bildern kann man diese Zusammenarbeit von Künstler und Natur nacherleben und wird eingeladen, sich auf einen visuellen Spaziergang zu begeben.
Der Künstler Clemens Büntig
„Das Leben ist schön.Die Natur ist schön. Und, dass man beidem nicht entkommt, macht das Ganze so faszinierend.“ So lautet eine Erkenntnis von Clemens Büntig.
Geboren 1968 in San Francisco/USA, zog es den in Oberbayern aufgewachsenen Künstler immer wieder in die USA zurück: Ende der 1990er Jahre lebte er für vier Jahre in New York, wo er bei der Galerie und Druckwerkstatt Pace Prints für renommierte Künstler hochkomplexe Editionen druckte.
Im Jahr 2000 zog es ihn wieder nach Oberbayern. Er durchlief ein vierjähriges Training in Gestalttherapie, Ritual- und Zeremoniearbeit bei Dr. Harvey Silverfox Metté, einem Cherokee Ältesten und seiner Frau Danuta Kroskowska Snow Song.
2008 gründete Clemens Büntig eine eigene Druckwerkstatt. Seit 2019 führt er ein Galerieprojekt, seit 2023/2024 ist er auch in seinem Atelier in Traunstein aktiv. www.clemensbuentig.de
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