Die Selbstreinigungskraft der Fließgewässer
Naturbegeisterte Menschen lieben es, an verwunschenen Bächen entlang zu wandern. Die klangvollen Geräusche dieser Gewässer laden direkt zum Verweilen ein. Ein Blick ins Wasser und schon spiegelt es das eigene Gesicht wider, einfach herrlich. Klare saubere Bäche und Flüsse sind für uns Menschen überlebenswichtig. Ohne Wasser sind wir aufgeschmissen. Lediglich drei Tage würde der menschliche Organismus ohne diese wichtige Ressource durchhalten.
Doch leider ist nicht jedes Fließgewässer bei uns in einem guten ökologischen Zustand. In vielen Regionen Deutschlands sucht man vergebens Fließgewässer, aus denen man bedenkenlos trinken kann. Oftmals sind chemische sowie bakterielle Belastungen vorhanden, sodass wir nicht von sauberem Wasser sprechen können. Es stellt sich nun die Frage, wie in Zukunft wieder sauberes Bach- beziehungsweise Fluss-Wasser entstehen kann.
Die Antwort hält die Natur höchstpersönlich bereit. In vielen weltweit durchgeführten, wissenschaftli- chen Studien ließ sich deutlich feststellen, dass die Selbstreinigungskraft unserer Fließgewässer steigt, wenn diese so natürlich wie möglich fließen kön- nen. Dazu zählen Fließgewässer, welche durch keine Mauern oder Steinschüttungen eingezwängt werden, wie es leider vielerorts der Fall ist. Mit steigendem Verbauungsgrad sinkt buchstäblich auch die Reinigungsleistung der Fließgewässer. So lässt sich an einem ausgebauten und unbeschatteten Fließgewässer fast vergebens sauberes und trinkfähiges Wasser vorfinden. Auch die Einleitung von Abwassern sorgt noch immer für teilweise sehr starke Belastungen. Besonders in den nieder- schlagsarmen Zeiten ist das eine große Herausforderung. Doch wie wird damit in Zukunft umgegangen? Wie schützen wir unsere Ressource Wasser so, dass auch zukünftige Generationen genug Trinkwasser haben?
TOTHOLZ ALS REINIGUNGSMITTEL
Ein großes Thema spielt das sogenannte Totholz, wobei dieser Begriff oftmals zur Verwirrung führt. Denn das Totholz ist in Wahrheit der Lebensmittelpunkt etlicher kleiner Lebewesen. Viele Organismen nutzen die Oberflächen als Nahrungsquelle oder Lebensraum.
So ließ sich feststellen, dass die Reinigungskapazi- tät steigt, wenn Totholz im Gewässer vorhanden ist. Das bedeutet kurzum, dass wir deutlich saubereres Wasser haben, je mehr Totholz im Bach oder Fluss liegt. Was zunächst verrückt klingt, lässt sich wissenschaftlich erklären: Die Reinigungsleistung wird den spezifischen Biofilmen auf den Holzoberflächen zugesprochen. Bei kleineren Fließgewässern kann schon der Großteil des mikrobiologischen Umsatzes auf diese Biofilme zurückgeführt werden.
Totholz sorgt auch für eine bessere Durchspülung der Gewässersohle. Sehr oft wird dann von dem so genannten „hyporheischen Interstitial“ gespro- chen. Dieser Bereich eines Fließgewässers ist eben- falls für die Reinigung des Wassers zuständig. Der Grund für die bessere Reinigung liegt in der erhöh- ten Sauerstoffzufuhr. Je mehr Sauerstoff in diese Zone gelangt, desto besser ist der Abbauprozess von organischem Material. Natürlich sind da auch Mikroorganismen am Werk, welche fleißig ohne Lohn arbeiten. Blickt man tiefer in das Gewässer und geht mehrere Meter tief in den Untergrund, so erreicht man das Grundwasser. In diesem großen Ökosystem, dem größten auf dieser Erde, leben so manche faszinierenden Lebewesen, die wiederum tagtäglich mit ihrer Arbeit unser Wasser reinigen. Die kleinen Lückensysteme im Grundwasser wer- den dadurch feinsäuberlich freigehalten. Somit ist auch eine angemessene Wasserreinigung möglich.
Auch hier gilt, dass die höchste Reinigungsleistung unter natürlichen Bedingungen gegeben ist. Wir Menschen beeinflussen beispielsweise die Wassertemperatur des Grundwassers durch unsere großen Städte und Bodenversiegelungen. Diese wir- ken wie eine flächendeckende Heizung. Da unsere Grundwasserorganismen an stabil bleibende kühle Temperaturen angepasst sind, wird es bei zu war- mem Grundwasser problematisch. Je schlechter es den wichtigen Kleinstlebewesen geht, desto mangelhafter verrichten diese ihre Arbeit.
DIE ZUKUNFT VON SAUBEREM WASSER
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zukunft des sauberen Wassers in natürlichen Fließgewässern liegt. Dies bedingt aber auch, dass den Gewässern der nötige Platz zur freien Entwick- lung zugesprochen wird. Können sich diese dann frei entwickeln, sollten auch noch die natürlichen Auenflächen gefördert werden. Auch diese tragen zu Reinigung unseres Wassers bei. Wenn wir dann dem Fließgewässer die notwendigen Randbedingungen eingeräumt haben, geht der Rest von ganz allein. Wir können uns dann ganz entspannt zurücklehnen und bei der natürlichen Entwicklung unserer Flüsse und Bäche zusehen. Das Leben kann so einfach sein!
DER AUTOR: Clemens Kuhnitzsch war schon als Kind von Gewäs- sern fasziniert. Er studierte Hydrobiologie und beschäftigte sich mit unzähligen Flüssen und Bächen. Um seine ökologi- schen Vorstellungen von Fließ- gewässern umzusetzen, ist er als freiberuflicher Hydrobiologe mit seinem Unternehmen Riverbalance tätig. Er hält Vor- träge und Seminare rund um das Thema Fließgewässer und Wasser. Zudem ist er als Berater für Städte und Kommunen zur Umsetzung der Wasser- rahmenrichtlinie (WRRL) tätig. www.riverbalance-kuhnitzsch.com
BUCHTIPP: HORCH MAL,WAS DA RAUSCHT! Flüsse, Bäche und ihre Geheimnisse, Clemens Kuhnitzsch Oekom-Verlag München, 2024 978-3-98726-088-9 184 Seiten, 24 Euro
Wasser ist die wichtigste Ressource unseres Planeten. Ohne Wasser und seinen Kreislauf wären wir nichts. Doch wie steht es um unsere Flüsse und Bäche? Was kommt zum Vorschein, wenn wir einen genauen Blick auf sie werfen? Fließgewässer und ihre Geheimnisse begleiten uns seit Anbeginn der Zeit. Dieses Buch bringt uns die Welt unter und an der Wasseroberfläche wieder näher. Es gibt Aufschluss über die Herkunft und den Kreislauf des Wassers, über die darin lebenden Tiere und Pflanzen und deren Wechselbeziehungen. Durch konkrete Tipps und Anregun- gen kann jeder seinen Teil zum Schutz beitragen.
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