Amerika setzt den Trend: Das „Maker Movement” verändert eine Nation von Konsumenten hin zu „Can-do-People”. Die Bewegung lebt vom Überdruss über die immer perfekter werdende Welt von Konsum und Kommerz. In einer Zeit, in der es alles fertig zu kaufen gibt, entdecken junge Amerikaner, dass Selbermachen Spaß machen kann. Quell-Autorin Christine Mattauch berichtet.

Amerika ist im Bastelrausch. Massenproduktion war gestern, heute ist Selbstgemachtes, Authentisches, in kleinen Stückzahlen Produziertes gefragt – das sogenannte Maker Movement hat Konjunktur. Mit dem, was man in den 1970er Jahren unter Do-it-Yourself verstand, hat es so wenig zu tun wie das iPad mit der Schreibmaschine. Technologien wie 3D-Drucker für den Hausgebrauch, kostenlose Design-Software und digital vernetzte Innovationsgemeinschaften bieten den Tüftlern heute ganz andere Möglichkeiten. Es ist schick und einfach, zum Produzenten zu werden – und viele wollen es: Zur Messe „Maker Faire” 2012 in New York kamen mehr als 50 000 Besucher.
Die neue Bewegung lebt vom Überdruss über die immer perfekter werdende Welt von Konsum und Kommerz. In einer Zeit, in der es alles fertig zu kaufen gibt und Hände vornehmlich zum Texten und Tippen auf Smartphones gebraucht werden, entdecken junge Amerikaner, dass Selbermachen Spaß machen kann. Das Pendel schlägt zurück.

Der Begründer des „Maker Movements”
Als Vater der Bewegung gilt Dale Dougherty, der 2005 das Magazin „Make” gründete und wenig später die Maker Faires. Er sieht eigentlich nicht aus wie ein Mann, der eine Nation verändert – ist ziemlich klein, hat ein freundliches Mondgesicht, trägt sommers offene Hemden und winters zu kurze Wollpullis. Doch wenn er über die Maker spricht, beginnen seine Augen zu leuchten und der gemütliche Mann sprüht plötzlich vor Energie. „Viele sehen uns Amerikaner als Inbegriff der Konsumenten, aber wir sind auch „Can-Do-People”, die Spaß haben am Erfinden und Hantieren.” Die Frickler, die Bastler, die Hobby-Ingenieure, das war seine Zielgruppe. „Leute, die wissen wollen, wie Sachen funktionieren und wie man sie verändern kann.” Und das, nicht wie früher einsam im Hobbykeller, sondern in hochmodern ausgestatteten Bastelclubs, die TechShop heißen oder BuildMore und in denen man Mitglied werden kann wie in einem Fitness-Studio.
Es gibt noch mehr, was die neue Generation der Hobbyisten von ihren Großvätern unterscheidet. Schließlich gibt es heute das Internet. Das erleichtert nicht nur den Erfahrungsaustausch über Technik und Werkzeuge, sondern auch den Vertrieb – viele Bastler machen aus ihrer Handarbeit ein, wenn auch meist bescheidenes, Geschäft. Der An- und Verkauf läuft über Plattformen wie Etsy, einem 2005 gegründeten Online-Marktplatz für Selbstgemachtes aller Art. Im vergangenen Jahr wurden über Etsy Waren im Wert von fast 900 Millionen Dollar verkauft. Die Firma expandiert nach Australien und Kanada und hat in Berlin schon ein Büro. Einen deutschen Konkurrenten gibt es auch: DaWanda, ebenfalls mit Sitz in der Bundeshauptstadt.
Zu einem spektakulären Instrument der Bewegung haben sich 3D-Drucker entwickelt, mit denen jedermann kleine Figuren und einfache Gebrauchsgegenstände aus Plastik herstellen kann. Die Apparate sind meist etwa so groß wie Scanner und funktionieren ähnlich wie ihre zweidimensionalen Kollegen, die in nahezu jedem Haushalt stehen. Nur werden sie statt mit Papier mit Plastik gefüttert, das verflüssigt und in hauchdünnen Schichten übereinander gelegt wird. So entstehen kleine Skulpturen – von der Plastikperle bis zur Mokkatasse. Entsprechende digitale Baupläne lassen sich gratis online abrufen. Oder man entwirft selbst.

Eine Maschine, die die Welt verändert
Das klingt wie Science Fiction, ist aber in zehntausenden US-Haushalten bereits Wirklichkeit. Innerhalb von zwei Jahren haben sich Dutzende von Anbietern der Zukunftsmaschinen etabliert. Wer seinen Drucker selbst zusammen schraubt, bekommt ein Bastlerset für weniger als 600 Dollar. Die Zukunft aber gehört fertigen 3D-Printern wie dem „Replicator 2“ der Brooklyner Firma MakerBot, der rund 2.200 Dollar kostet und in einem Laden in SoHo zu kaufen ist. „Diese Maschine wird die Welt verändern“, titelte im Herbst das Technikmagazin Wired. Die Vision: Künftig drucken sich die Menschen zuhause aus, was sie brauchen.
Ob das wirklich so kommt? Die Technik lässt noch viel zu wünschen übrig. Die Drucker sind langsam – bis eine Untertasse fertig ist, vergehen Stunden. Sie können nur kleine Plastikteile drucken und die nur in einer Farbe. Doch schon wird mit Holzlegierungen experimentiert und mit kompostierbaren Kunststoffen. Mit General Electric und Ford setzen die ersten großen Firmen 3D-Drucker zum Bau von Prototypen ein und US-Präsident Barack Obama hält die Technologie für so zukunftsträchtig, dass er 30 Millionen Dollar in ein „Innovation Institute“ investieren lässt.
Dale Dougherty sieht eine Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Fabrikanten und Verbrauchern verschwimmen, in der die Kleinen mit ihrer Experimentierfreude die Großen bereichern und die Großen das fabrizieren, was für die Kleinen zu aufwendig und teuer ist. „Mein Ziel ist eine übergreifende, alles umfassende kreative Kultur.“ Seine Maker Faires tragen die Botschaft weiter – mehr als hundert wird es in diesem Jahr geben, in Provinzstädten wie Tyler (Texas) und Danbury (Connecticut) ebenso wie in Metropolen wie Rom und Singapore. Im niedersächsischen Hannover gastiert die Messe am 3. August. „Sehen Sie sich das mal an”, empfiehlt Dougherty. „Man glaubt gar nicht, was die Leute in der eigenen Nachbarschaft für verrücktes Zeug erfinden.”
Foto: Maker Media
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3D-Drucker

3D-Drucker in der Stadtbibliothek Köln
Die Nutzer der Kölner Stadtbibliothek können in der Domstadt dreidimensional drucken. Der rund 2.200 Euro teure 3D-Drucker steht immer Samstags von 11 bis 15 Uhr allen interessierten Besuchern der Zentralbibliothek zur Verfügung; Vorführungen gibt es von Dienstag bis Freitag zweimal täglich um 11 und 17 Uhr. Das Rohmaterial besteht aus dem Werkstoff Polyactid: Dabei handelt es sich um einen industriell kompostierbaren Kunststoff, der allerdings trotzdem haltbar genug ist, um sich unter normalen Umweltbedingungen wie „normales” Plastik zu verhalten.

Foto: Christian Rentrop
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Beitrag: Maker Faire in Hannover

 

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