Der amerikanische Erfinder Michael Jantzen war seiner Zeit schon immer voraus. Richtig groß rausgekommen im Land der unbegrenzten Energieverschwendung ist der Öko-Visionär bislang nicht. Das könnte sich im Zuge der Klimadebatte nun ändern. Quell-Autorin Christine Mattauch hat den Querdenker in Kalifornien besucht.

Es ist, als wäre man in einem Science-Fiction-Film gelandet. Wüstenhafte Hügel, verdorrtes Gras, und mittendrin steht ein rätselhaftes Ding. Es sieht aus, als habe ein Riese mit einem hölzernen Steckspiel gespielt. Doch es ist ein Haus, ein „M-House“. Man kann hineingehen. Man kann darin sitzen, essen, schlafen und träumen. Michael Jantzen, Schöpfer des M-House, arbeitet dort. In der Einsamkeit des kalifornischen Hochlands entstehen einzigartige, phantasievolle, manchmal bizarre Entwürfe und Modelle. „Meine Arbeit ist auch für mich selbst immer wieder eine Entdeckungsreise mit überraschenden Ergebnissen“, sagt Jantzen.
Gerade hat das Museum of Modern Art in New York einige von seinen Arbeiten ausgestellt. Mit dem zunehmenden Umweltbewusstsein in den USA wächst das Interesse an den Entwürfen des Visionärs, für den Nachhaltigkeit und Effizienz eine große Rolle spielen. Das M-House beispielsweise besteht aus hochflexiblen Paneelen, die je nach Wetterbedingungen verschoben werden können, um Wärme zu speichern oder Kälte abzublocken. Sein „Eco-Tower“, eine begehbare Skulptur, produziert Energie, Sauerstoff und Wasser. Jantzen hat einen energieautarken Swimmingpool kreiert und einen „Pavillon des Windes“. Seine intelligente Fußgängerbrücke erfasst die Bewegungsmuster von Passanten und passt automatisch ihre Form und Beleuchtung an.
Wie viele eigenwillige Menschen sprengt er konventionelle Grenzen. Er ist kein Architekt und kein Designer, kein bildender Künstler und kein Ingenieur, und doch ist er von allem etwas. Es gibt Leute, die ihn als Genie bezeichnen. Jantzen selbst nennt sich „Erfinder“.
So unterschiedlich seine Projekte sind, sie haben zwei Dinge gemeinsam: Sie integrieren die jeweils neuesten technologischen Trends. „Michael war seiner Zeit schon immer voraus“, sagt der kalifornische Architekt David Hertz, der Jantzens Arbeit seit den 1970er Jahren verfolgt. Und: Niemand hat sie bisher gebaut – es gibt nur Modelle und Prototypen. Das ist überraschend, denn an Anerkennung und an Publizität mangelt es Jantzen keinesfalls. Seine Entwürfe sind international unzählige Male veröffentlicht worden, in Architektur-Journalen und Publikumszeitschriften, Fachbüchern und Lifestyle-Magazinen. Er gewann viele Preise und erhielt Auszeichnungen in Architektur- und Designwettbewerben.
Skulpturale Modelle wie das M-House, die er alle selber konstruiert, dienen als Filmkulisse oder werden von Sammlern gekauft, zum Beispiel von Carole Cole, Tochter der Jazzlegende Nat King Cole. In ihrem Garten steht seit sechs Jahren der Prototyp des „M-Velope“, einer Laube in Form eines Oktogons. „Sie hat eine spirituelle Qualität“, sagt Carole Cole. „Der ,M-Velope’ ist das am meisten beachtete und bewunderte Objekt in unserem Garten.“
Aber klassische Bauherren hat Jantzen bisher nicht gefunden, schon gar nicht für seine Wohnprojekte. „Die Leute haben sehr konventionelle Vorstellungen, wie ein Haus aussehen sollte“, klagt er. „Das verhindert den Fortschritt.“ Anders als der bekannte Architekt Frank O. Gehry schaffte er auch nicht den großen Durchbruch als Entwerfer. Vielleicht lag es daran, dass er lange in Illinois lebte, einem ländlichen Staat, wo es wenige experimentierfreudige, finanzkräftige Bauherren gibt. Vielleicht haftet ihm aber auch zu sehr das Etikett des Öko-Architekten an – das war in den USA lange unpopulär.
Jantzen hat in den 1970er Jahren Kunst und Multimedia studiert, als die ersten Debatten über Effizienz und Ressourcenschonung begannen. Der Nachhaltigkeits-Papst Richard Buckminster Fuller (siehe Rand) beeinflusste ihn. „Er beeindruckte mich durch sein Denken, aber auch als Person. Er war so energiegeladen.“ Inspiriert durch Fuller, entwickelte sich Jantzen zu einem Vorreiter des öko-experimentellen Bauens. In Fach- und Publikumszeitschriften machte er Furore mit Projekten wie dem energieautarken mobilen Heim, der ersten Solar-Sauna und einigen – nach damaligen Maßstäben – hochgedämmten „Domes“, halbkugelförmigen Wohngebäuden.
Die Wurzeln für seine unkonventionelle Gedankenwelt liegen womöglich im Elternhaus. Mit neun Geschwistern wuchs er auf einem 20 Hektar großen Feriengelände auf, das die Eltern Jantzen in Illinois betrieben. Gene Jantzen, Michaels Vater, war ein bekannter Muskelmann, der auch als Physiotherapeut arbeitete und im eigenen Badesee mit Wassertherapie experimentierte. Daraus entwickelte sich ein touristischer Betrieb. Wurden neue Bauten benötigt, beauftragten die Eltern mit der Anfertigung den geschickten Zweitältesten, der schon im Alter von elf Jahren mit Holzwerkzeug hantiert hatte. Der zimmerte Cottages, Badehäuser, einen Ausschank für Erfrischungen – „keiner sagte mir, wie man baut, ich machte es einfach“.
So arbeitet er bis heute – autodidaktisch und autark. Aber eben auch mit begrenztem wirtschaftlichen Erfolg. „Um richtig groß rauszukommen, bräuchte Michael einen Agenten, der seine Entwürfe vermarktet“, meint der Designer Steve Diskin, ein Freund Jantzens. Und David Hertz glaubt, dass Jantzen in der Tiefe seines Herzens keine Kommerzialisierung seiner Ideen möchte. „Er müsste Kompromisse schließen, dazu ist er nicht bereit.“ Jantzen selbst sagt: „Ich habe immer gehofft, dass ich durch meine Arbeit überzeuge. Vielleicht ist es jetzt endlich so weit. Die Debatte über den Klimawandel macht die Leute offener für innovative Ideen.“ Außerdem ist er seit seinem Umzug in den Großraum Los Angeles näher dran an den exzentrischen Superreichen Hollywoods, die kreative Querköpfe wie Jantzen lieben und mitunter auch finanzieren.
In diesem Jahr ist Michael Jantzen 60 Jahre alt geworden. „Erinnern Sie mich bloß nicht daran“, sagt er. Alt zu werden, ist eine bedrohliche Vorstellung für ihn. Es sind nicht Falten und Gebrechen, die er fürchtet, sondern die Endlichkeit seiner Schaffenskraft. „Ich habe noch so viel vor, und jetzt fürchte ich manchmal, mir läuft die Zeit davon“, sagt er ohne jede Koketterie. Er kneift die Augen ein wenig zusammen und seufzt. „Ich will so lange leben, wie es geht, und möglichst viele meiner Ideen umsetzen.“

QC10F09

Weitere Beiträge von Christine Mattauch

Beitrag Der Marsch der Gentechnik-Gegner

Beitrag Jäger, Forscher, Abenteurer

Beitrag Der grünste Wolkenkratzer von Amerika

Beitrag Greenboat

Beitrag Jobs durch Umweltschutz

Beitrag Die riskante Klima-Manipulation

Beitrag Larrys Kampf für die Berge

Beitrag Himmlischer Park