Wenn das „grüne Wasser“ fehlt 

Bislang ist man davon ausgegangen, dass die Menschheit maximal so viel Süßwasser verbraucht, wie sich im globalen Wasserkreislauf immer wieder regeneriert. Doch nun haben Forscher herausgefunden, dass dies so nicht mehr stimmt. Von Claudia Schwarzmaler.

Jedes Kind lernt es in der Schule, der Wasserkreis-lauf ist ein in sich geschlossener Kreislauf. Die Zirkulation des Wassers vollzieht sich in der Regel zwischen Meer und Festland und im Wasserkreis-lauf geht kein Wasser verloren, es ändert nur seinen Zustand. Das stimmt, aber diese Aussage sagt nichts darüber aus, wo und in welcher Form das Süß-wasser noch zur Verfügung steht.Bei der Bewertung des planetaren Wasserkreislaufs wurde bislang vor allem das sogenannte „blaue Wasser“ berücksichtigt, also das Süßwasser in Flüssen und Seen und das Grundwasser. Eine wichtige Rolle in diesem Kreislauf spielt allerdings auch das „grüne Wasser“. Es ist das für die Pflanzen verfügbare Wasser. Dieses Wasser kommt in Form von Niederschlag, Bodenfeuchte oder Verdunstung vor. Auch das Wasser, das in den Pflanzen selbst gespeichert ist, wird als „grünes Wasser“ bezeichnet.

Die planetaren Grenze ist erreicht

Den wichtigen Aspekt des „grünen Wassers“ hat nun ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Stockholm Resilience Centre und der Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer Studie miteinbezogen und neu bewertet. In der Studie geht es um die planetare Grenze im Bereich des Süßwassers. Planetare Grenzen markieren den sicheren Handlungsspielraum für menschliches Leben auf der Erde. Die Experten kommen zu dem Ergebnis, dass die Grenze überschritten ist. Nicht nur das „blaue Wasser“ in Flüssen und Seen werde knapper, sondern auch das „grüne Wasser“ im Erdboden.Es ist der Klimawandel, der sich nicht nur auf die Verfügbarkeit von Wasser für die menschlichen Grundbedürfnisse auswirkt, sondern der auch Auswirkungen auf das „grüne Wasser“ hat. Durch die erhöhten Temperaturen verändern sich weltweit die Niederschlagsmuster und Verdunstungsmengen. In Verbindung mit den weiteren von Menschen verursachten Eingriffen in die Natur, wie beispielsweise die massive Abholzung und die industrielle Landwirtschaft, führt dies dazu, dass den Pflanzen nicht mehr genug Wasser zur Verfügung steht. Arne Tobian, der Co-Autor der Studie, nennt als Beispiel den Regenwald: „Der Amazonas-Regenwald ist für sein Überleben auf Bodenfeuchtigkeit angewiesen. Durch Klimawandel und Abholzung verliert der Wald Bodenfeuchte, es gibt bereits Hinweise darauf, dass Teile des Amazonas austrocknen“.

Es ist ein globales Phänomen. Überall, von den borealen Wäldern bis zu den Tropen, vom Ackerland bis zu den Wäldern, verändert sich die Bodenfeuchtigkeit. Es ist ein Teufelskreis, denn die ungewöhnlich trockenen Böden, die zunehmend an der Tagesordnung sind, haben wiederum Auswirkungen auf das Klima. Arne Tobian sagt: „Also, wenn wir jetzt die grüne Wassergrenze überschritten haben, wirkt sich das auch sehr stark auf die Pufferkapazität der Biosphäre aus, CO2 zu binden“. Die Hauptautorin der Studie Lan Wang-Erlandsson vom Stockholm Resilience Centre warnt: „Wasser ist der Blutkreislauf der Biosphäre. Aber wir sind dabei, den Wasserkreislauf tiefgreifend zu verändern.“ Sie ergänzt: „Dies wirkt sich auf die Gesundheit des gesamten Planeten aus und macht ihn deutlich weniger widerstandsfähig gegen Schocks“.

Positive Maßnahmen

Angesichts dieser Erkenntnisse stellt sich die immer wiederkehrende Frage: Was kann man tun? Grundsätzlich helfen natürlich alle Maßnahmen, die auch gegen den Klimawandel wirken. Die Liste ist lang. Sie fängt wie bei allen Themen, die der Mensch verursacht, auch bei jedem einzelnen Menschen an. Dabei ist Klimaschutz sogar gut für die Gesundheit. Wer wenig Fleisch isst, sich regional ernährt oder aufs Rad steigt statt ins Auto, tut seiner Gesundheit etwas Gutes. Weitere Maßnahmen sind beispielsweise der Schutz von Feuchtgebieten. Feuchtgebiete sind die Land-Ökosysteme mit den größten gebundenen Kohlenstoffbeständen. Ihre Renaturierung und ihr Erhalt hat zahlreiche positive Nebeneffekte – wie Hochwasserschutz, Minderung der Auswirkungen von Dürre, Wasserreinigung und Biodiversität. Ein weiterer wichtiger Maßnahmen-Baustein ist die Landwirtschaft, sie ist für 69 Prozent der weltweiten Wasserentnahme verantwortlich. Eine naturverträglichere Landwirtschaft könnte viel bewirken, nicht nur durch eine boden-schonende Vorgehensweise, denn die ermöglicht es den Böden, mehr Wasser, Kohlenstoff und Nährstoffe zu speichern. Doch auch in den Städten ist einiges möglich, das Spektrum reicht von grünen bis hin zu klimaneutralen Städten. Ein interessanter Ansatz sind auch naturbasierte Lösungen. Dies sind nur einige Beispiele, aus den unendlich vielen positiven Möglichkeiten, die trotz allem immer wieder Hoffnung mache

 

 

 

PLANETARE GRENZEN

Das Stockholm Resilience Center hat bereits 2009 das Konzept der planetaren Grenzen veröffentlicht. Es sind ökologische Belastungsgrenzen der Erde, bei deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems und die Lebensgrundlage der Menschheit gefährdet sind. Derzeit sind neun planetare Grenzen definiert. Mit dem „grünen Wasser“ ist bereits die sechste Grenze überschritten. Bei den anderen überschrittenen Grenzen handelt es sich um Klimawandel, Integrität der Biosphäre, Biogeochemische Kreisläufe, Veränderungen des Landsystems und neuartige Stoffe, darunter Plastik und andere menschengemachte Chemikalien. www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html

NATURBASIERTE LÖSUNGEN

Neben der Wiedervernässung von Mooren oder der Renaturierung von Flüssen gehört zu den naturbasierten Lösungen auch die Rückführung von Grünland auf traditionell bewirtschaftete Wiesen dazu. Das Unternehmen St. Leonhards, bekannt durch seine lebendigen Wässer aus unterschiedlichen Quellen, ist ein Vorreiter in Sachen Boden- und Quellenschutz. St. Leonhards hat beispielsweise mehr als eine Million Quadratmeter Vielfalt geschaffen. Statt artenarme Grünlandflächen be-deutet das biologische Vielfalt pur. Maßnahmen, die die ökologische Agrarwende voranbringen, wie das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, können im weiteren Sinne ebenfalls als naturbasierte Lösung angesehen werden. Auch in diesem Bündnis ist St. Leonhards engagiert.

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15. August 2022