Leichter leben mit Philosophie

Wie uns die Erkenntnisse der großen Denker trösten und helfen können. Von Helga Ranis 

Wir leben in zunehmend verunsichernden Zeiten und müssen feststellen, dass wir den äußeren Umständen der vielen Krisen, die auf uns hereingebrochen sind, nicht gewachsen sind, dass wir diese nicht verändern und die Krisen aus eigener Kraft nicht beenden können. Viele stellen sich die Frage, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen sollen, um nicht darüber zu verzweifeln und hoffnungslos zu werden. Eine Möglichkeit hierfür bietet die Philosophie. Sie kann zum Zufluchtsort für alle werden, die die Orientierung in einer immer chaotischer werdenden Welt suchen.

DER ABGRUND ALS TEIL DES LEBENS

Dies ist natürlich keine neue Erkenntnis, sondern sie geht auf die Antike zurück. Wenn von der Philosophie als Kunst, mit den Schwierigkeiten des Lebens fertig zu werden, gesprochen wird, denkt man zuerst an die antike Weisheitslehre, an die Philosophie der Stoa, und dabei vor allem an Seneca, Marc Aurel und Epiktet Diese Philosophie ist sehr alltagsnah und beschäftigt sich mit der Frage, wie wir, trotz aller Widrigkeiten, ein zufriedenes, erfüllendes Leben führen können. Diese Widrigkeiten, der Abgrund, gehört für den Stoiker zum Leben dazu. Die Stoa selbst entstand in einer Krisenzeit, als die griechischen Kleinstaaten aufgelöst wurden und im Imperium aufgingen. Die damalige Gesellschaft wurde von einem rasanten Wandel erfasst. Die Stoiker machten die Erfahrungen, mit denen wir auch in den heutigen Krisen fertig werden müssen, etwa dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit, das in der Corona-Zeit sehr deutlich wurde oder aber auch der Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit angesichts des Krieges in der Ukraine. Dieser Abgrund gehört für den Stoiker zum Leben dazu und uns bleibt ebenfalls nichts anderes übrig, als mit diesem Abgrund zu leben.

DAS LEBEN ALS LEIHGABE

Der römische Philosoph Seneca (+ 65 n.Chr.) plädiert dafür, alles, was uns im Leben widerfährt, aber auch das Leben selbst, nur als Leihgabe zu sehen, von der wir nicht wissen, wann wir sie zurückgeben müssen. Wenn wir diese Leihgabe irgendwann zurückgeben müssen, sollten wir das ohne Gram tun. Ein wichtiges Merkmal der stoischen Philosophie ist die Ataraxie, die Seelenruhe, eine innere Ruhe, die sich auch durch die äußeren Umstände nicht erschüttern lässt. Der Begriff bezeichnet eine, zugegebenermaßen, ideale Lebenseinstellung, mittels derer es gelingt, das unberechenbare Handeln der Götter, beziehungsweise Ereignisse des Schicksals gelassen und ruhig akzeptieren zu können und nicht daran zu verzweifeln. Die Grundzüge dieser Philosophie finden sich in Senecas Schriften „Vom glücklichen Leben“ und „Über die Ausgeglichenheit der Seele“ wieder. Für den Stoiker Epiktet (+135 n.Chr.) ist die Philosophie eine praktische, gelebte Tätigkeit mit dem Ziel, ein innerlich freies Leben, angesichts äußerer Umstände, die wir nicht ändern können, zu erlangen. Philosophie ist die einzig wahre Lebensform, um innere Freiheit zu bekommen und sich von den äußeren Umständen nicht unterdrücken zu lassen. Auch für Marc Aurel (121-180n. Chr.) ist das Ziel des philosophischen Strebens das Erreichen der Seelenruhe. Diesen Weg beschreibt er in den „Selbstbetrachtungen“.

HOFFNUNG IN EINER ZERBROCHENEN WELT

Der Philosoph Boethius (480-524) findet ebenfalls Trost in der Philosophie. In der gleichnamigen Schrift „Trost der Philosophie“ beschreibt er seine Heilung durch die Philosophie. Die Philosophie bietet Trost in höchster Gefahr, in tiefster Verzweiflung, im Angesicht des bevorstehenden Todes. Diese Schrift schildert die Heilung des in der Gefangenschaft seelisch erkrankten Autors, die sich unter Anleitung der Philosophie vollzieht.

Als christlicher Vertreter der Existenzphilosophie stellt sich Gabriel Marcel (1889-1973) die Frage, ob es Hoffnung in einer zerbrochenen Welt gibt. Er formuliert ein probates Mittel, wie der Mensch in einer zerbrochenen Welt Hoffnung schöpfen kann: dies geschieht durch das Beten. Durch das Beten hat der Mensch die Möglichkeit, an Gott zu denken, bei ihm zu sein. Gott ist die Realität, der gegenüber sich der Mensch öffnet, auf die er seine Hoffnung setzt. Die Verbundenheit mit Gott als dem absoluten „Du“ ist für Marcel das erstrebenswerte Lebensziel, auf das sich alle Hoffnung richtet, selbst in den größten Krisen, selbst in einer zerbrochenen Welt.

Nach dem Philosophen und Mediziner Giovanni Maio (*1964), ist die Hoffnung ein Offensein, für das, was kommen wird und das wir nicht ändern können und ein Vertrauen darauf, es bewältigen zu können. Philosophische Hoffnung ist ein Zugeständnis an die Widrigkeiten des Lebens, auf die man keinen Einfluss hat. Hoffnung ist ein Vertrauen auf die eigene innere Stärke und darauf, an den Widrigkeiten nicht zu zerbrechen. „Denn in einem tieferen Sinn“, so der Philosoph, „hofft man nicht auf etwas, sondern auf sich selbst.“ Wenn man dagegen die Hoffnung aufgibt, so bedeutet das, dass man sich selbst aufgibt.
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BUCH-TIPP

LEICHTER LEBEN MIT PHILOSOPHIE

Helga Ranis

Edition Quell ISBN 978-3-9819936-2-2, Erscheinungstermin: 1. August 2024

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Seit Jahren beschreibt Helga Ranis für www.quellonline.de die Erkenntnisse der großen Denkerinnen und Denker, die uns die Herausforderungen des Lebens leichter bewältigen lassen. Über die Jahre ist eine beeindruckende Sammlung an Rezepten und Strategien entstanden. Sie geben Inspirationen, wie die Menschen ihren Alltag gestalten können. Der Weg zur inneren Freiheit des stoischen Philosophen Epiktet fehlt in dieser philosophischen Hausapotheke ebenso wenig wie moderne Überlegungen über das Wesen der Arbeit von Axel Honneth. Das Spektrum reicht von Adorno bis Zizek.

Die Autorin Helga Ranis studierte Theologie und Philosophie und schöpft aus einem großen Fundus philosophischen Wissens.

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Edition Quell, 1. Auflage 32 Seiten ISBN 978-3981993615 5,95 Euro

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