Lebendiges Wasser ist keine Frage des Geldbeutels – überall in Deutschland gibt es Orte, wo es uns die Natur im Überfluss schenkt. Von Martina Guthmann.

Felix Guder war seltsam berührt von einem ungewohnten Gefühl: Als Mitinitiator des künstlerischen Happenings „Last Supper“ in der Frankfurter Weißfrauenkirche war der Kreativ-Künstler extra in den Taunus gefahren, um in Königstein an einer frei zugänglichen Quelle Wasser zu zapfen. Ein „mineralisiertes, mit Kohlensäure versetztes Wasser aus dem Handel“ war ihm als „Energiespender“ unpassend erschienen für ein inszeniertes Abendmahl am Gründonnerstag. Von seiner Kindheit kannte Felix Guder die Quelle, die damals ein beliebter Treffpunkt all jener war, die „ihren Tee lieber mit weichem Wasser statt mit gechlortem Uferfiltrat kochen“. Was ihn beim erneuten Besuch Jahrzehnte später irritierte: „Die Quelle hat keinen Hahn zum verschließen! Das Wasser läuft einfach weiter, da kann man machen was man will. Die Quelle konfrontiert mich mit einer freigiebigen Verschwendung, die ich in dieser Form nicht kenne“, so schreibt der Frankfurter Agentur-Chef in der Dokumentation des „Last Suppers“. So wie am Ortsrand von Königstein gibt es in Deutschland eine ganze Reihe von Orten, an denen lebendiges Wasser freigiebig aus der Erde sprudelt. Nicht selten haben diese Quellen solch heilsame Qualitäten, dass unsere Vorfahren zu ihren Ehren Heiligtümer oder Kirchen erbauten. Die Tradition der Quellen-Verehrung reicht lange zurück und zeigt sich in vielerlei Formen. Die Römer ehrten die Götter der Quellen und errichteten
für sie Altäre. Bei den indogermanischen Völkern schmückte man Quellen an ihren Festtagen mit Girlanden – ein Brauch, der heute noch in den prächtig geschmückten Osterbrunnen Frankens weiterlebt. Auch die Kelten kannten Rituale, um den heiligen Quellen zu huldigen. So opferten sie im Umfeld von Quellen wertvolle Waffen, Schmuck oder Münzen. Der Keltenforscher Roland Kröll hat in mehr als 25 Jahren Recherche zahlreiche Quellen keltischen Ursprungs im Schwarzwald ausgemacht. Hier – in der wasserreichsten Region Deutschlands – erinnert zum Beispiel die Aitarra-Quelle am Belchen mit ihrem Namen an die keltische Wassergöttin. Das Christentum schließlich vereinnahmte systematisch diese heiligen Quellorte und baute dort Kapellen, Kirchen oder gar Dome. – Der Bamberger Dom, das Straßburger Münster, St. Kunibert in Köln oder der Paderborner Dom sind allesamt auf oder an heiligen Quellen erbaut. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Grafiker Klaus Kramer mit heiligen Quellen. Allein für Deutschland hat er Informationen zu mehr als 400 Quellen gesammelt und wenn er Zeit hat, dann besucht er diese Orte auch selbst, um den „Genius Loci“, den besonderen Charakter des Ortes zu spüren und etwas über die Geschichte zu erfahren, das Wasser zu kosten und Fotos zu machen. Auf vielen Wanderungen – manchmal in Begleitung seines Esels – hat er die Erfahrung gemacht: „Frei zugängliche Quellen und Brunnen behindern viele in ihren Interessen.“ Gastwirte schätzen es gar nicht, wenn sich die Wanderer an schmackhaften Quellen oder Laufbrunnen laben, statt in ihrer Wirtschaft Geld auszugeben. Weswegen der Zugang zu den natürlichen Wasserspendern in ihrem Umfeld nicht selten versperrt ist und Laufbrunnen zu Blumenkübeln umfunktioniert werden, wie Kramer immer wieder beobachtet. Auch manche Gemeinden sind vorsichtig bis abwehrend mit Brunnen auf ihrem Grund, denn sie fürchten, dass sie sich durch deren Genuss Ärger einhandeln könnten. Etwa wenn das Wasser nicht regelmäßig durch ein Prüfinstitut kontrolliert wird und die Befürchtung besteht, in die Haftung genommen zu werden. Aus diesem Grund prangt an vielen durchaus genießbaren Quellen der Warnhinweis „kein Trinkwasser“. Klaus Kramer indes lässt sich dadurch nicht abschrecken. Falls er dem Augenschein nach nicht mit Verunreinigungen zu rechnen braucht – etwa wenn sich keine Bebauung oder Felder oberhalb der Quelle befinden und sich dort auch keine Mülldeponie befand – dann probiert er das Wasser und hat bei diesen Verkostungen bereits viele positive Erfahrungen gemacht.

Alltagsstress auf ungewöhnliche Weise wegspülen
Dass lebendiges Wasser frisch von der Quelle besser sein kann als Leitungswasser, das hat sich unter Genießern und Gesundheitsbewussten längst herumgesprochen. Viele Türken zum Beispiel, die traditionell viel Wert auf schmackhaftes Essen und Trinken legen, fahren zu Quellen in ihrer Umgebung und decken sich dort mit Hilfe von Kanistern und Mehrliterflaschen mit riesigen Mengen Wasser ein. So auch an der von Felix Guder für den „Last Supper“-Event benutzen Quelle, die am Ortsausgang von Königstein in Richtung Ruppertshain liegt. Gesundheitsbewusste nehmen oft weite Wege auf sich, um sich mit Heilwasser einzudecken. Auch wenn es manche dieser Wässer mittlerweile in Flaschen abgefüllt zu kaufen gibt, ist ein Besuch an der Quelle ein Erlebnis der besonderen Art. Häufig gibt es dort eine Menge Interessantes zu sehen – und für Sensible einen besonderen „Genius Loci“ zu spüren. Wer weiß: Vielleicht leben die Mythen der Quellen in anderer Erscheinungsform fort und schaffen damit Orte, an denen sich der Alltagsstress auf ungewöhnliche Weise wegspülen lässt?

Foto: Quellenhof

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Zeller Quelle – reine Natur

Quelle St. Leonhard – bekannt seit der Römerzeit

Landelinuswasser – für Christen und Andersgläubige

Tröstbachquelle – wildromantisch

 

 

Buchtipp Roland KröllMagischer Schwarzwald und Vogesen- Wanderungen zu Orten der KraftAT Verlag Baden und München, 2. Auflage 2006ISBN-10: 3855029989      ISBN-13: 978-3855029983      Preis: 22,90 Euro
Buchtipp       Herbert H. KölblHeilige und heilsame Quellen               zwischen Isar und SalzachPannonia Verlag      ISBN-10: 3789704016      ISBN-13: 978-3789704017      Preis: 9,80 Euro