Lagebericht III: Hoffnung schenken

Über die Kindertagesstätte in der rumänischen Stadt Braila haben wir schon mehrfach berichtet und um Spenden gebeten. Angesichts der Nähe zur Ukraine kommen auf die Klosterschwestern, die die Kindertagesstätte betreiben, nun noch mehr Herausforderungen zu. Doch auch die Lebensumstände in Rumänien sind vielerorts nach hiesigen Standards unvorstellbar und benötigen tätige Unterstützung. Wir dokumentieren die Berichte der aus Deutschland stammenden Schwester Angela.

Liebe Freunde,

schon kommt der nächste Brief an euch – ich werde versuchen, mich kurz zu fassen, um nicht zu viel von euerer kostbaren Zeit zu beanspruchen.

Am Wochenende waren Schwester Roberta und ich in Brăila. zum Glück haben die beiden Schwestern dort Unterstützung bekommen: Vom Missionszentrum Apulien sind ein Franziskanerpater und eine Klarissenschwester angereist, die schon öfter mit freiwilligen Helfern, meist Gruppen Jugendlicher, im Haus mitgeholfen haben. Pater Francesco kam sogar mit einem Lieferwagen voller Hilfsgüter und in der folgenden Woche kamen noch drei Ladungen von verschiedenen wohlgesinnten Helfern aus Süditalien an. Bedenkt, dass der kürzeste Weg (Fähre nach Griechenland) 1500 km lang ist, der Landweg sogar 2500 km! Die Waren wurden größtenteils in eine Lagerhalle des Rotary-Clubs an die Grenze gebracht, von wo sie in die Ukraine weitergeliefert werden. Rotary ist ja international, Mitglieder des Clubs sind an der Organisation der Hilfe beteiligt.

Es ist freilich kostengünstiger und einfacher, die Sachen hier zu kaufen, und das tun die Schwestern auch, aber viele Menschen sind froh, wenn sie selbst etwas tun können, und wer hierherkommt, sieht mit eigenen Augen, was vor sich geht. Das ist heutzutage ein wichtiger Aspekt, man kann den übermittelten Nachrichten nicht immer trauen. Nachdem Schwester Nicoleta sehr engagiert ist, kommen verschiedene Interessenten, die in den Medien über die Lage berichten. Dadurch lernen Amerikaner, Franzosen, Mitglieder des Rotary-Clubs, darunter auch einflussreiche Leute, unser Haus kennen.

 

In die Aktivitäten der Kindertagesstätte selbst sind jetzt ukrainische Kinder mit eingebunden, auch die Mütter können mitkommen. Allerdings sagte uns Schwester Nicoleta, dass kein besonders großes Interesse besteht. Die Mütter sind wohl einer ziemlich großen Belastung ausgesetzt und haben auch andere Sorgen. Doch von denen, die das Angebot annehmen hört man gute Nachrichten. Die Kinder schließen Freundschaft untereinander und haben relativ wenig Schwierigkeiten, sich zu verständigen. Sie fragen die Erzieher, wie man auf ein paar Wörter auf Ukrainisch sagt und dann geht es ans gemeinsame Spiel.

 

Hier in Onești wohnt eine Gruppe Flüchtlinge in einigen Apartments. Über einen jungen Moldauer ukrainischer Abstammung, der hier in der Stadt lebt, wurde ein Kontakt hergestellt, damit sie sich bei uns die aus Deutschland gespendeten Hygieneartikel abholen können Dann werden wir sie kennenlernen und herausfinden, ob und wie wir ihnen helfen können.

 

Noch immer sind wenige Flüchtlinge hier in der Gegend. Wer etwas wohlhabender ist, besorgt sich meist ein Flugticket ins Ausland – die armen Leute sind überwiegend in der Ukraine geblieben. Schwestern in einem Nachbarort haben Unterkünfte angeboten, doch bis jetzt wurde noch nicht darauf zurückgegriffen.

 

Nun möchte ich euch noch eine Angelegenheit mitteilen, die uns sehr am Herzen liegt. Vielleicht fühlt sich jemand von euch angesprochen… ich habe in den vorhergehenden Briefen schon davon erzählt.

 

Vor etwa einem Jahr haben wir eine junge Familie mit fünf Kindern kennengelernt. Sie wohnten in einem Zimmer bei Verwandten des Ehemanns und waren nicht sehr gut akzeptiert dort. Als im Winter der dritte Sohn am Bein operiert werden musste, zog die ganze Familie zum Vater der Ehefrau, in ein Dorf, das zwei Autostunden von hier entfernt ist und näher an der Klinik liegt.

Sie bezogen das Nebenzimmer des kleinen Häuschens, in dem der alleinstehende Opa wohnte.

Vielleicht war es aus dem Grund, dass wir ihnen schon manchmal geholfen hatten, auch um die Kosten der Behandlung ihres Sohnes zu bestreiten, vielleicht der Mut der Verzweiflung, jedenfalls beschlossen sie, dort zu bleiben, den schadhaften Gebäudeteil abzureißen und an seiner Stelle ein neues Zimmer für die Kinder, das heißt, für die ganze Familie zu errichten.

Der junge Vater hat uns gefragt, ob wir ihm dabei helfen. Er sagte: „Ich weiß, wie man so etwas anpackt, das kann ich bewältigen. Bis zum Winter möchte ich das Haus bezugsfertig haben. Ich werde mir Arbeit suchen, aber das Geld brauchen wir für den Lebensunterhalt, deshalb brauchen wir Unterstützung, um das Material zu kaufen.“ Er hat uns angeboten, das Geld mit der Zeit langsam zurückzuzahlen, aber wir haben ihm versichert, er solle sich keine Gedanken machen: „Wenn es euch erst mal besser geht, dann denkt an die Menschen, die euch eventuell um Hilfe bitten, weil sie es alleine nicht schaffen, so könnt ihr eurerseits jemandem helfen.“

Am 7. März sind wir zu ihm gefahren, um mit ihm Material zu kaufen: Bausteine, eine Ladung Sand, Balken, Zement… er hatte das Zimmer schon abgerissen.

Die ganze Familie wohnt nun mit dem Opa in einem Raum. Er ist wohnlich, warm und sauber; wir haben auf dem Holzofen ein paar mitgebrachte Pizzabrötchen gewärmt und zusammen Mittag gegessen. Zwei Bettsofas, der Fußboden und ein kleiner Platz hinter dem Kachelofen sind die Schlafstellen. Nebenan wohnt die Schwester der Ehefrau und ein behinderter Bruder, der nur schwer verständliche Laute von sich gibt. Es war eine herzliche Atmosphäre, unser guter Eindruck hat sich voll und ganz bestätigt. Der Bau macht gute Fortschritte, da der Vater nicht arbeitet, sondern sich ganz diesem Vorhaben widmet. Er möchte möglichst schnell fertig werden. Wahrscheinlich ist es für den Schwiegervater doch nicht so problemlos, plötzlich mit einer ganzen Familie in einem Zimmer zu leben…

Vor einigen Tagen bat er uns erneut um Hilfe zum Materialkauf. Wir einigten uns, dass seine Frau mit dem Bus hierherfahren würde, um das Geld abzuholen und er würde uns dann die Kassenbelege aufheben. Gestern Abend, als sie auf uns zukam, sah ich, wie mühsam sie sich bewegte. Wir luden sie ein, zu uns hochzukommen, und beim Treppensteigen war es noch schlimmer. Sie hatte beim Hausbau geholfen, zusammen mit ihrem Mann die schweren Blöcke aufgeschichtet. Wer von euch jemals Bandscheibenprobleme gehabt hat, weiß, was es heißt, wenn man in einer akuten Phase auch nur leichte Gewichte heben muss. Ob es denn niemanden gäbe, der mithelfen würde? Trübe Aussichten, die Frau war wirklich schlecht beisammen.

 

Da es aufgrund der Entfernung nicht so einfach ist, ihnen das Geld zukommen zu lassen, hatten wir beschlossen, die nötige Summe noch etwas aufzustocken, für eventuelle weitere Bedürfnisse. Das sagten wir der Frau. Ihre Reaktion war: „Oh, das ist gut, da kann ich den Kindern etwas zu Essen kaufen.“ Die Kinder gehen in die Schule, und wenn sie nach dem Pausenbrot gefragt werden, sagen sie, sie hätten es vergessen. Nota bene: ihr Mann arbeitet im Moment nicht, also kein Einkommen…

 

Wir haben ihm vorgeschlagen, sich jemanden zu suchen, der ihm beim Bau hilft, auch gegen Bezahlung – so kann eventuell noch jemandem geholfen werden. Gerade hat er mich angerufen und gesagt, dass er einen arbeitslosen Cousin gebeten hat, der am Tag 150 Lei möchte, das sind 30 Euro.

 

Das wollte ich euch ans Herz legen… falls jemand sich berufen fühlt, da mitzuhelfen.

 

Schon wieder sind zwei Seiten voll, aber eines noch, noch ganz kurz und ganz aktuell: ein rumänischer Schutzengel in Gestalt eines Elektrikers hat auf unsere Bitte eine Familie beraten, die sich Solarzellen wünschte, da sie keinen Stromanschluss haben. Heute haben wir einen Ortstermin gemacht und die Schwierigkeiten geklärt, die bisher einen Stromanschluss verhindert hatten: Es fehlte die Eigentümerurkunde des Hauses. Unser Schutzengel wusste genau, wie man so etwas in die Wege leitet, hat sich erkundigt, was es kostet, und auch hier haben wir Hilfe zugesagt. Jetzt, wo wir die Hoffnung haben, dass unsere deutschen Freunde aus Haushaltsauflösungen Kühlschränke, Waschmaschinen und andere Gerätschaften besorgen können, rückt eine Verbesserung der Lebensqualität solcher Familien näher: Vielleicht sogar ein Staubsauger, damit den kleinen, hüpfenden Tierchen das Leben schwergemacht wird, die sich in menschlicher Gesellschaft so wohlfühlen, und die wir nach unseren Besuchen manchmal mit nach Hause bringen…

 

Ihr seht, bei uns ist das Thema Ukraine eines unter anderen, da wir nicht so hautnah damit in Kontakt gekommen sind. Hilfe ist für beiden Seiten nötig: für die Menschen, die ihr Hab und Gut zurücklassen mussten und vielleicht verloren haben und für die, die noch nie mehr als das Allernötigste zum Leben hatten.

 

Doch das Wichtigste ist, Liebe und Hoffnung zu schenken.

 

Möge Gott uns allen diese Gnade gewähren!

Für Spender aus Deutschland, die eine Spendenquittung erhalten möchten, bietet sich folgende Bankverbindung an: Pfarrei Ludwigschorgast
I BAN: DE30 7719 0000 0006 7007 13
BIC: GENODEF1KU1
Kulmbacher Bank, 
Verwendungszweck: Kinderheim Braila, Ukraine-Hilfe Bei Spenden bis 200 Euro genügt der Kontoauszug als Nachweis fürs Finanzamt. Bei höheren Beträgen  stellt die Pfarrei  Spendenbescheinigungen aus. Bitte Mail an: pfarrei.ludwigschorgast@erzbistum-bamberg.de
 
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28. März 2022