Lagebericht II: Tätige Hilfe für die Ukraine und Rumänien

Über die Kindertagesstätte in der rumänischen Stadt Braila haben wir schon mehrfach berichtet und um Spenden gebeten. Dort verwandelt sich das Projekt für Kinder aus armen Familien nun in eine Hilfsaktion für Flüchtlinge. Wir dokumentieren den Bericht der aus Deutschland stammenden Schwester Angela.

Onești, 17.3.2022

Liebe Freundinnen und Freunde,

in der nächsten Zeit möchte ich euch kurz und etwas häufiger als sonst berichten, wie sich die Lage hier entwickelt, oder besser, was wir hier erleben.

Ein bedeutendes Ereignis war der Besuch von zwei deutschen Freunden, die uns mit einem Transporter voller Geschenke besucht haben. Dabei waren Teller und Bettwäsche die uns ein franziskanischer Hotelier aus dem Schwarzwald zur Verfügung gestellt hatte. Diese Aktion war eigentlich schon im letzten Jahr geplant, aber nachdem nun auch für die Ukraine gesammelt wird, wurde kurzerhand ein größeres Fahrzeug gemietet und bis unters Dach mit Küchengeschirr, elektrischen Geräten, einem Herd, Decken, Schlafsäcken, Handtüchern von Haushaltsauflösungen, einer beträchtlichen Menge Medizinprodukte, die eine befreundete Apothekerin gespendet hat, und Hygienebedarf für die vom Krieg betroffenen Menschen vollgeladen.

Die beiden kamen nach fast ununterbrochener Fahrt nachts um 2 Uhr bei uns an, nach einer Zitterpartie auf den letzten 200 km, da gerade an jenem Tag unter den Rumänen die Panik ausgebrochen war, dass es bald keinen Treibstoff mehr geben könnte und sich deshalb unendliche Warteschlangen vor den Tankstellen gebildet hatten. Die Vorsehung hat geholfen – die beiden haben es als Wunder empfunden… und wir wissen, dass die Reise vom Gebet vieler Menschen begleitet wurde.

Zwei Tage blieben sie hier, aber die waren so intensiv, dass es uns wie eine Woche vorkam. Wir haben Gabriela besucht und eine Duschliege für ihre behinderte Tochter Angelica mitgebracht – wurden aber unsererseits so reich von dieser Begegnung beschenkt, dass man es nicht mit Worten ausdrücken kann.

Und es ging ans Ausladen: man kann sich kaum vorstellen, was in so einen Transporter alles hineinpasst!

Inzwischen ist schon fast alles untergebracht: noch am gleichen Tag kam ein junger Mann, den wir dabei unterstützen, seiner Familie eine Behausung zu bauen (im Moment leben sie beim Großvater, zu acht in einem Zimmer) und hat einiges Nützliche mitbekommen. Für uns, für den Gästebereich der Casa Ecumenică in der wir wohnen, für die Schwestern in Brăila und für die Brüder war die Lieferung ja in erster Linie gedacht. Wichtig waren die Medizinprodukte für die Notlage in der Ukraine. Wir haben sie von Spendengeldern noch etwas aufgestockt. Dabei half uns unser Nachbar, der im Krankenhaus arbeitet, wir haben direkt bei einem Großhandel bestellt. Er hat auch die richtigen Verbindungen, damit die Waren gut ankommen. Seine Frau arbeitet beim Sozialdienst, beide sind an der Organisation der Ukrainehilfe beteiligt. Ein orthodoxer Priester des Nachbarortes, der ukrainisch spricht, wird die Lieferung begleiten, die vom orthodoxen Dekanat organisiert wird. An der Grenze wird die Ware umgeladen und vom Militär eskortiert, damit alles sicher und vollständig in der Klinik von Bilhorod-Dnistrowskyj, einer Stadt nahe Odessa, ankommt.

Aus diesem Anlass waren wir zum ersten Mal in der Protoieria Onești, die in allernächster Nachbarschaft liegt. Sie entspricht etwa einem katholischen Dekanat: ihr gehören viele Pfarreien an, aber es ist kein Bischofssitz. Als wir im Hof ankamen, sahen wir eine buntgemischte Menschenmenge, Kinder, Erwachsene und alte Menschen, die sofort bereit waren, uns beim Ausladen zu helfen. Währenddessen kam ein Transporter mit Kleidern und Decken an, die ebenfalls abgeladen und auf einem großen grünen Teppich unter einem Vordach zu anderen dort ausgebreiteten Textilien gelegt wurden. Die Menschen suchten in dieser Ware, was sie nötig hatten. Eine sehr freundliche, unternehmende Dame empfing uns und stellte sofort klar: „Diese Kisten sind nicht für euch, es sind medizinische Hilfsmittel, die in der Ukraine gebraucht werden“.

Anschließend führte sie uns im Haus herum. Es wurde erst vor Kurzem bezogen. Vorher war es eine Ruine, ein ehemaliges staatliches Gebäude, das niemand wollte, es war dem Verfall preisgegeben. Nun ist darin die Verwaltung des Protopopiats, eine Kantine für die Angestellten und zur Armenspeisung, die sich auch dadurch finanziert, dass Mittagessen zum Mitnehmen beispielsweise für die Angestellten der benachbarten Stadtverwaltung verkauft wird.

Unsere Begleiterin, die mir das Herz dieses Hauses zu sein scheint, hat einen Traum: eine Tagesstätte für behinderte Kinder. Sie selbst hat eine behinderte Tochter und weiß, was das vor allem für bedürftige Familien bedeutet. Wieder taucht das Thema der Träume auf, die sich sicher verwirklichen lassen, wenn sie Träume Gottes sind… möge Er den Weg bereiten!

Ein Teil des Gebäudes ist vollkommen unsaniert, es ist „infiziert“. Auf meine Frage, was das heißt, bekomme ich eine grausige Erklärung: Es war ein staatliches Waisenhaus. Die Kinder hatten alle möglichen Krankheiten. In jedem Zimmer waren Bettgestelle ohne Matratzen, auf denen jeweils bis zu 20 Kindern nackt gehalten wurden, damit die Exkremente durch das Gitter fallen. Gewaschen wurde mit dem Schlauch… Im Keller war ein Krematorium, damit die Leichen beseitigt werden konnten. Praktisch wurden die Kinder zum Sterben aufgenommen. Ich frage nach den ehemaligen Insassen und bekomme die Auskunft, dass einige heute 30- bis 40-Jährige sich noch daran erinnern. Eine von ihnen kam zu Besuch und ist weinend auf die Knie gefallen…

In der Kapelle, ist eine Wandmalerei, eine Ikone, die die Mutter Gottes darstellt, mit einem Kreuz in der Hand. Um sie knien Häftlinge der kommunistischen Gefängnisse und die Kinder, die hier gelitten haben.

Dieses Haus, das niemand wollte, wurde nun zu einem Gotteshaus, in dem Arme und Hilflose Zuflucht, Nahrung und Kleidung finden. Mehr noch: die Menschen, die wir sahen, lächelten alle, waren offen und hilfsbereit, man merkte, dass sie in ihrer Würde erkannt werden. Es ist ein Wunder, Sühne, der schreckliche Ort des Todes wird zum heiligen Ort der Liebe. So des-infiziert man wahrhaftig. Doch tief sitzt die Infektion in unserer Gesellschaft, in der Welt. Und nun wieder ein Krieg, das Dunkel möchte seine Macht nicht verlieren.

Es liegt an jedem Einzelnen von uns, es kommt auf uns alle an!

Andere Waren sollten von Leuten abgeholt werden, die sich um die Flüchtlinge in Onești kümmern, aber noch war keine Gelegenheit. Die Kapuziner sind dabei, ein Apartment für sie auf Vordermann zu bringen. Wir haben schon Hilfe angeboten, hatten aber noch keine Gelegenheit. An diesem Wochenende fahren wir zu den Schwestern nach Brăila, mal sehen, wenn wir zurück sind.

Dann werde ich euch schreiben, was dort so läuft.

Bis bald, Gott segne euch alle!

Eure Schwester Angela

Für Spender aus Deutschland, die eine Spendenquittung erhalten möchten, bietet sich folgende Bankverbindung an:

Pfarrei Ludwigschorgast
I

BAN: DE30 7719 0000 0006 7007 13
BIC: GENODEF1KU1
Kulmbacher Bank, 
Verwendungszweck: Kinderheim Braila, Ukraine-Hilfe

Bei Spenden bis 200 Euro genügt der Kontoauszug als Nachweis fürs Finanzamt. Bei höheren Beträgen  stellt die Pfarrei  Spendenbescheinigungen aus. Bitte Mail an: pfarrei.ludwigschorgast@erzbistum-bamberg.de

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Beitrag Da, wo keiner hin will 

17. März 2022