Der Bau neuer und die Sanierung alter Gebäude ist zur strategischen Aufgabe geworden. Unternehmen halten sich zunehmend daran, dagegen sind private Vermieter immer noch verunsichert. Die Zertifizierung dürfte auf zwei Standards hinauslaufen. Von Manfred Gburek.

Wer die diesjährige Immobilienmesse Expo Real Anfang Oktober in München besuchte, dem wurde im Abstand von wenigen Metern immer wieder grün vor Augen, weil die Messeleitung „Maßstäbe für die Nachhaltigkeit“ setzen wollte: von hellgrün bei der Vorstellung der „Green Thinkers“ bis zum grün-weiß getönten Stand der Skandalbank Hypo Real Estate, deren Auslagen trotz tiefroter Geschäftszahlen in der Behauptung „Auf höchstem Niveau“ gipfelten. Das bezogen viele Besucher sicher spontan auf die hohen Verluste der Bank, für die am Ende in erheblichem Umfang auch die Steuerzahler aufkommen werden. Hypo Real Estate, in besseren Zeiten auf Großkredite für Immobilien spezialisiert, wird ihr bisheriges Metier wohl ganz aufgeben müssen. Dagegen praktiziert die Deutsche Bank das Gegenteil: Obwohl auch sie, wenngleich bei Weitem nicht so schlimm wie die Konkurrenz, von der internationalen Finanzkrise betroffen ist, setzt sie mit der eigenen Immobilie, ihren Zwillingstürmen in Frankfurt am Main, ein sichtbares Zeichen. Dabei ist die Finanzierung, Kostenpunkt 200 Millionen Euro, nur ein kleines Mosaiksteinchen im Rahmen der Sanierung des Gebäudes. „Wir haben uns für einen ganzheitlichen Ansatz entschieden“, sagt der für das ganze Projekt zuständige Deutschbanker Holger Hagge mit dem Titel „Director Strategic Projects“.

In Sachen C02-Emissionen stehen Gebäude an erster Stelle
Der Titel ist bezeichnend, denn es handelt sich in der Tat um eine strategische Aufgabe. Ausgangspunkt war die vom Rat der Industrie- und Energieminister der EU bereits 2003 zustande gekommene, von der Öffentlichkeit zunächst jedoch kaum wahrgenommene Verabschiedung einer Richtlinie über die „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“. Die Grundlage bildete das – allerdings bis heute umstrittene – Kyoto-Protokoll, ein Abkommen, mit dem sich die meisten Industrieländer verpflichteten, Treibhausgase bis 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent zu senken. Größter Stein des Anstoßes waren nicht etwa, wie man vermuten könnte, Höchstwerte für die Abgase von Autos oder Kraftwerken, sondern von Gebäuden. Denn die sind an erster Stelle für die Emission von Treibhausgasen verantwortlich, in der EU zum Beispiel mit gut 40 Prozent. Da sagten sich die Deutschbanker: Drehen wir den Spieß doch einfach um und machen wir das Beste daraus.

Wichtige Ziele:
1. Kostensenkung (etwa durch 43 Prozent weniger Wasser-, 55 Prozent weniger Strom- und sogar 67 Prozent weniger Heizenergieverbrauch),
2. Umsetzung der in Frankfurt gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen auf globaler Ebene,
3. neue Bankgeschäfte (beispielsweise durch Fonds, die Aktien von Unternehmen kaufen, deren Know-how sich bei der Sanierung der Zwillingstürme bewährt hat),
4. angestrebte Auszeichnung mit dem Platinpreis (beste Bewertung) im Rahmen der LEED-Zertifizierung.

LEED ist ein Bewertungsverfahren des US Green Building Council und steht für: Leadership in Energy and Environmental Design. Eine feine Sache, könnte man jetzt denken: lokal sanieren und dafür eine global angesehene Auszeichnung erhalten. Doch ganz so einfach geht das nicht, denn LEED ist nicht allein. Verfahren, die mit ihm mehr oder weniger im Wettbewerb stehen, sind: Breeam in Großbritannien, HQE in Frankreich, Minergie in der Schweiz, Casbee in Japan, Green Star in Australien und nicht zuletzt DGNB in Deutschland, ein extrem komplexes Verfahren der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, das von 2009 an zum Einsatz kommen soll. Die Vergleichbarkeit hält sich in Grenzen. Was am Ende zum internationalen Standard wird, ist zwar noch offen, aber „wahrscheinlich LEED und ein europäischer“, sagt Thomas Beyerle voraus, Chefanalyst bei der Immobilienfondsgesellschaft DEGI, und begründet seine Prognose wie folgt: „So wenig der Klimawandel sich an Ländergrenzen hält, so sinnlos sind nationale Alleingänge bei der Zertifizierung.“

QC10F07_energie-passEine Besonderheit ist der schon seit 2008 geltende deutsche Energiepass bzw. -ausweis. Er ist offenbar ebenso wenig im Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise angekommen wie seinerzeit die EU-Richtlinie. Und das, obwohl „der Bestand mit Macht auf uns zurollt“, wie der Stuttgarter Architekt Martin Haas treffend formuliert. Das bedeutet: Früher wurde überwiegend „technikorientiert gebaut“, meint Haas; heute rückt dagegen die ökologische Komponente in den Vordergrund, vom Schallschutz über die Heizung und Belüftung bis zum Wohlfühlfaktor. Entsprechende Investitionen mögen sich in Bürogebäuden rentieren, sofern Unternehmen dadurch eine bessere Arbeitsqualität ihrer Mitarbeiter erwarten können. Aber wie steht es um den privaten Bereich? Nicht gerade berauschend. Um nur ein Beispiel zu nennen: „Eigentümer vermieteter Wohnungen bleiben allein auf den Kosten sitzen, wenn sie die Energieversorgung des Hauses auf klimafreundliche Quellen umstellen“, beklagt Jens-Ulrich Kießling, Präsident des Immobilienverbandes IVD, „umweltschonende Photovoltaik- oder ähnliche Anlagen werden vom Mietrecht nicht als Modernisierung gewertet, wenn sie lediglich einen Austausch von Primärenergie darstellen.“

Vergleichsweise niedriger Aufwand
Derweil hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 auf mindestens 25 Prozent zu erhöhen und die Sanierung von Gebäuden zu fördern. Im Vergleich zu ihren Garantien in Höhe von 1 Billion Euro für deutsche Sparer, ausgelöst durch die Fast-Pleite der Hypo Real Estate, erscheint der Aufwand dafür, alles in allem rund 300 Milliarden Euro, auf einmal gar nicht mehr so hoch.

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Foto: Ute Prang

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