Die gute Nachricht: Es gibt genug Wasser. Die schlechte: Es ist ungleich verteilt und wird verschwenderisch eingesetzt. Größter Wasserverschwender ist mit riesigem Abstand die Landwirtschaft. Das Problem ist komplex und lässt sich nur international lösen – Globalisierung unter umgekehrten Vorzeichen. Von Manfred Gburek.
Duschen statt Baden, beim Zähneputzen kein Wasser laufen lassen, Einhandarmaturen benutzen und undichte Leitungen abdichten. So etwa lauten gängige Rezepte zum Wassersparen, aus denen in Kalifornien sogar Vorschriften wurden, deren Einhaltung eigens dazu eingesetzte Wasserwächter kontrollieren. Nett gemeint, aber auch effektiv? Eher nicht. Denn wie aus einer Studie des Münchner Professors Wolfram Mauser für die Stiftung „Forum für Verantwortung“ hervorgeht, sind die wahren Wasserverschwender außerhalb der Haushalte zu suchen: zum Teil in der Industrie und noch viel mehr in der Landwirtschaft.
Das zeigt der folgende Zahlenvergleich: Jeder Mensch benötigt zum Überleben täglich drei bis fünf Liter Trinkwasser. In Ländern mit intakter Wasserversorgung und Kanalisation kommen pro Person und Tag rund 40 Liter Sanitärwasser hinzu. Die Industrie verbraucht, umgerechnet pro Person und Tag, im Durchschnitt 130 Liter. Doch das alles ist wenig im Vergleich zur Landwirtschaft: Bezogen auf einen Europäer mit durchschnittlichem Konsum in Form von pflanzlicher und tierischer Nahrung werden täglich 3600 Liter Wasser benötigt. Das ist mindestens das 20fache von Trink-, Sanitär- und Industriewasser zusammen.
Entscheidend ist hierbei der Fleischverbrauch. „Die Produktion von Fleisch ist im besten Fall mit dem dreifachen und im schlechtesten Fall mit dem 17fachen Wassereinsatz verbunden wie die Produktion der gleichen Menge pflanzlicher Nahrungsmittel“, resümiert Mauser. Daraus folgt ein bemerkenswertes Fazit: Würden sich alle Menschen nur noch vegetarisch ernähren, ließe sich der weltweite Wasserverbrauch halbieren. Oder anders formuliert: Die Weltbevölkerung könnte, theoretisch gesehen, auf das Doppelte steigen.
Solche statistischen Aussagen sind indes mit größter Vorsicht zu genießen, denn Wasser verteilt sich ganz ungleich über den Erdball: in den nördlichen Regionen, wie in großen Teilen Europas und Nordamerikas, für die dort lebenden Menschen trotz hoher Bevölkerungsdichte mehr als ausreichend, um den Äquator herum reichlich bis üppig, dagegen in Nordafrika, in weiten Gebieten Mittelasiens, Südamerikas und Australiens nur ganz spärlich. Zudem ist zu unterscheiden zwischen dem so genannten blauen Wasser in Flüssen, Seen und als Grundwasser – weshalb das wertvolle Nass vielfach auch blaues Gold genannt wird – sowie dem grünen Wasser, wie es sich etwa in Form von Wolken am Himmel zeigt – grün, weil es zu einem großen Teil aus der Verdunstung durch die Vegetation entsteht, dann speziell auch produktives grünes Wasser genannt.
Bis hierher lässt sich der Lauf des Wassers leicht nachvollziehen, doch dann wird es kompliziert. Schuld daran ist das so genannte virtuelle Wasser, das benötigt wird, um zum Beispiel ein Produkt herzustellen, wie den Mikrochip mit zwei Gramm Gewicht. Die dafür benötigte Wassermenge: 32 Liter. Der Münchner Professor Mauser weiß von einem noch extremeren Fall zu berichten: „Stellen Sie sich beim nächsten Verzehr eines Hamburgers vor, dass Sie dabei auch 35 gefüllte Badewannen Wasser sozusagen virtuell zu sich nehmen.“ Und Klaus Martini, Anlagestratege der Deutschen Bank, macht mit der folgenden Anekdote auf den ganzen Wahnsinn des Verbrauchs an virtuellem Wasser aufmerksam: Viele argentinische Bauern opferten ihre Pampa für den Anbau von Soja, weil damit mehr Geld zu verdienen war, und ließen ihre Rinder dafür in sumpfigen Gebieten weiden. Daraufhin litten viele Tiere an Krankheiten, die durch das lange Stehen im Wasser hervorgerufen wurden, und starben schließlich – mit der Folge, dass argentinische Steaks in ihrem Ursprungsland knapp wurden und dass natürlich auch der lukrative Export einbrach.
Dieses Beispiel veranschaulicht einen weiteren komplexen Zusammenhang: Im Fall der Weidewirtschaft erscheint es zunächst sinnvoll, Steaks als wasserintensive Produkte dort herstellen zu lassen, wo die Weidebedingungen ideal sind, um sie dann auch in größerem Umfang zu exportieren. Doch Steaks sind, ebenso wie Soja, nicht nur international gehandelte, sondern auch fremden Einflüssen unterworfene Güter. Das heißt, wird irgendwo auf der Welt viel Soja benötigt, das als Viehfutter mehr Geld einbringt als die Viehzucht, orientieren sich die Bauern in Argentinien nach den Gesetzen der Marktwirtschaft, auch wenn Staaten – etwa in Form von Subventionen – mit einem gehörigen Anteil an dieser Art von marktwirtschaftlicher Unordnung beteiligt sind. Eine der Folgen des argentinischen Rinder-Wahns ist übrigens in den Kühlregalen von Aldi zu sehen: Die dort tiefgefrorenen Steaks stammen aus dem Nachbarland Uruguay.
Die Komplexität betrifft auch viele andere Bereiche der Wirtschaft: Wenn Chinesen Elektrogeräte oder Autos für den Export nach Europa und Amerika montieren, wird dies allenthalben als Vorteil der Globalisierung angesehen, weil die Preise für diese Güter dank der chinesischen Billiglöhne niedrig bleiben. Dass nicht nur die Qualität des Trinkwassers in Chinas Industriegebieten leidet, sondern wegen des sinkenden Grundwasserspiegels auch der Ernteertrag der chinesischen Bauern im Norden des Landes, ist inzwischen nachgewiesen. Eine Folge ist die wachsende Weizeneinfuhr Chinas, eine weitere der steigende Weizenpreis. So wird die ursprüngliche Idee, virtuelles Wasser dort einzusetzen, wo die Produktion billig ist, ad absurdum geführt. Das spricht zwar nicht gegen den Grundgedanken, virtuelles Wasser aus Ländern und Regionen mit ausreichenden Reserven exportieren zu lassen, statt mit blauem Wasser über Tausende von Kilometern in teuren Pipelines ganze Wüsten in Mittelasien oder sonst wo auf der Erde zu versorgen. Aber die internationale Arbeitsteilung stößt dort an Grenzen, sozusagen an Wassergrenzen.
Die Vereinten Nationen erklärten im Jahr 1992 den 22. März zum Weltwassertag. Schon damals plädierten Wissenschaftler für einen internationalen Ansatz, der die Komplexität des Wasserproblems berücksichtigen sollte. Doch die Ergebnisse sind bis heute enttäuschend. Erst die Integration des Themas Wasser in den Klimaschutz aus Anlass der Weltklimakonferenz auf Bali im Dezember 2007 lässt auf Besserung hoffen.
Ein effizienter Umweg dahin führt über den Einsatz von Kapital; und daran mangelt es nicht, seit institutionelle Anleger, wie Pensionskassen und Investmentfonds, Banken und Versicherer, den Klimaschutz als Investitionsmotiv entdeckt haben. Dabei spielt Wasser eine immer größere Rolle. Dass in den Aktienbeständen der Fonds noch die Wasserversorgung, -aufbereitung und -reinigung im Vordergrund steht und weniger die Komplexität des virtuellen Wassers, mag zwar auf den ersten Blick stören; aber das Know-how zur Bewältigung auch der komplexen Wasserprobleme dürfte bereits bei den Managern der Fonds und der Unternehmen vorhanden sein, in deren Aktien sie investieren – weit über die Wasserersparnis beim Duschen und Zähneputzen hinaus.
Foto: Monika Frei-Herrmann
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