Sonne ist wie Medizin – die Dosis macht’s. 

Wohl kaum etwas anderes vermag uns so sehr aus der Reserve zu locken, wie die Sonne: Kaum zeigt sich ein Sonnenstrahl am Himmel, bevölkern sich schlagartig Straßencafés oder Biergärten. Die Stimmung steigt. Vergessen ist der Trübsinn der düsteren Wintermonate.Wir alle sind Sonnenwesen, die sich wie die Pflanzen dem Licht zuwenden. Anders als den Pflanzen ist uns allerdings der natürliche Umgang mit dem Sonnenlicht abhanden gekommen. Entweder geben wir uns dem Sonnenbad so ungehemmt hin, dass wir damit langfristige Gesundheitsschäden riskieren. Oder aber wir meiden ängstlich UV-Strahlung, aus Furcht, davon ein malignes Melanom zu bekommen. Dabei hätte die Sonne für unsere Gesundheit so viel zu bieten, wenn wir sie so bewusst wie ein Medikament einsetzen würden.
Stichwort Vitamin D: Es wird vom Körper selbst gebildet und zwar unter Mitwirkung von UVB-Strahlung – dem Teil des Sonnenlichts, der auch Sonnenbrand auslösen kann. Bekommen die Menschen zu wenig dieser UVB-Strahlung, sinkt der körpereigene Vitamin-D-Spiegel ab und Mangelerscheinungen können sich einstellen. Die wohl bekannteste Krankheit, die mit Vitamin D-Mangel in Verbindung gebracht wird, ist die Rachitis, die in fast allen Ländern Nordeuropas in den früheren Jahrhunderten weit verbreitet war: Sie zeigte sich durch Knochenverformungen und erhöhte Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Unter dem Stichwort „Englische Krankheit“ hatten rachitische Erkrankungen durch eine im Jahr 1918 veröffentlichte Studie traurige Berühmtheit erlangt.

Zu wenig Sonne lässt das Krebsrisiko steigen

Auch wenn wir heute die Rachitis mit dunklen Hinterhöfen und trostlosen Kellerwohnungen assoziieren ist Lichtmangel und damit ein Mangel an Vitamin D weit verbreitet. Viele Menschen, die täglich unter Kunstlicht arbeiten, leiden unter chronischem Vitamin D-Defizit. Auch Stubenhocker und Computer-Freaks sind stark gefährdet. Denn Vitamin D ist nicht nur für den Knochen- und Kalzium- Stoffwechsel wichtig, wie Professor Jörg Reichrath, leitender Hautarzt an der Uniklinik in Homburg/Saar betont. Inzwischen weiß die Wissenschaft, dass Vitamin D auch bei der Regulation des Immunsystems und des Zellwachstums eine wichtige Rolle spielt.– Und das hat gerade auch bei der Entstehung von Krebs eine große Bedeutung. Tatsächlich weiß die Forschung schon lange, dass die Anzahl der Krebsfälle auch davon abhängt, wie stark und oft in einer Region die Sonne scheint. In der Nähe des Äquators, wo die Sonne oft scheint, erkranken weniger Menschen an bestimmten Krebsarten, als in sonnenarmen Gegenden. So hat beispielsweise ein weltweiter Vergleich nationaler Erkrankungsdaten gezeigt, dass Gebärmutterhalskrebs in Äquatornähe wesentlich seltener auftritt. In früheren Studien hatten die Mediziner der Universität von Kalifornien in St. Diego bereits den Schutzeffekt für Nieren- und Eierstockkrebs untersucht. Auf den Punkt gebracht bedeuten diese Ergebnisse: Wer zu wenig Sonne bekommt und damit zu wenig UVStrahlung, dessen Krebsrisiko steigt. Was ist denn nun die richtige Strategie, um mit Hilfe der Sonne die körpereigenen Vitamin D-Depots aufzufüllen, ohne die Haut dabei zu gefährden? In seinem Buch „Sonnenlicht – das größte Gesundheitsgeheimnis“ rät der Autor Thomas Klein: Möglichst große Hautflächen der Sonne aussetzen. Regelmäßiges Sonnenbaden, besser oft und maßvoll, als selten und lange. Im Frühjahr und Herbst jeden Sonnenstrahl nutzen. Selbst kurze Sonnenbäder sind von Nutzen. Sonnenlicht – derart bewusst eingesetzt – vermag über die Vitamin D-Produktion hinaus im Körper eine ganze Reihe gesundheitsfördernder Effekte in Gang zu setzen: es fördert die Durchblutung und den Muskelaufbau und bringt den Körper dazu, verstärkt das Glückshormon Serotonin auszuschütten; auch die Produktion des Anti-Aging-Hormons Melatonin und des Sexualhormons Testosteron wird durch Sonnenlicht angekurbelt. Dieser Wirkmechanismus erklärt, warum im Frühjahr mit zunehmender Sonneneinstrahlung das Liebesbarometer zu steigen beginnt: Sonne und Liebe hängen zusammen!

Das Recht auf Sonne

Das ist im Grunde nichts Neues – nur heute lassen sich diese Zusammenhänge mit wissenschaftlichen Methoden belegen. Die wunderbaren Wirkungen des Sonnenlichts kannten schon unsere Vorfahren. In seinem Buch „Sonnen ohne Schattenseiten“ beschreibt der Autor Richard Hobday, wie die moderne Medizin aus der Sonnenanbetung entstand. So waren die ersten geschichtlich erwähnten Mediziner die Hohepriester eines ägyptischen Sonnenkults und die ältesten medizinischen Texte aus Ägypten empfehlen den Menschen, sich der Sonne auszusetzen. Die Griechen nutzten sie als Medizin und ihre Architekten bauten Solarhäuser und Solarstädte. Auch die Römer praktizierten Sonnentherapie und bauten zu diesem Zweck Villen und öffentliche Bäder. Die Sonne hatte einen so hohen Stellenwert, dass es im römischen Gesetz sogar ein „Recht auf Sonne“ gab: Jeder, der seinem Nachbarn den Zugang zur Sonne nahm, konnte verklagt werden.

Mit dem Niedergang des römischen Reiches sank die Sonne in der Gunst der Menschen und die Erkenntnisse der Heliotherapie gingen verloren. Nur im Orient gab es noch Ärzte, die das antike Erbe pflegten und ihren Patienten Sonnenbäder verordneten. So empfahl Ibn Sina, genannt Avicenna, Sonnenbaden bei Asthma und Ischiasschmerzen, bei Schwellungen, Wassersucht und Blähungen. Im 18. Jahrhundert wurde die Heliotherapie schließlich wiederentdeckt. Der französische Philosoph Rousseau ließ sich davon inspirieren und empfahl seinen Zeitgenossen die Rückkehr zur Natur, frische Luft und Sonnenschein – ähnliche Empfehlungen formulierte der deutsche Arzt Christoph Wilhelm Hufeland in seinem Weltbestseller „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“. Warum die Heliotherapie trotz ihrer überzeugenden Wirkungen derzeit eher ein Schattendasein fristet, lässt sich nur durch den Umstand erklären, dass die medizinische Nutzung der Sonne nicht viel Geld bringt. Die Sonne ist und bleibt eben für jedermann kostenlos.

Foto: Pharmos Natur

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