Bei blauem Himmel dauert es bereits im Frühjahr nicht lange, bis die Sonne auf der Haut zu brennen beginnt. Was gibt es da besseres, als einen mobilen Schattenspender immer bei sich zu tragen: in Form eines Hutes. Von Dalu Fuchs.

Die Kabarettistin Sissi Perlinger ist eine überzeugte Sonnenanbeterin: „Ich liebe Sonne, ich bete sie an und verbringe ganze Tage in der glühenden Sonne“, gesteht sie in ihrem Handbuch für die moderne Frau. Allerdings hat sie zwei Accessoires immer dabei: „…einen großen Hut, der Schatten macht auf mein Gesicht und Dekolleté, und immer eine Sonnenbrille.“ Wohl kaum eine Frau trägt gewagte Hut-Kreationen mit solcher Selbstverständlichkeit wie Sissi Perlinger. Vom männlichen Borsalino bis hin zum federgeschmückten Riesenrad aus Stroh. Und sie tut es seit ihrer Jugend, seit damals also, als Huttragen für Frauen noch völlig unüblich war und frau sich allein schon dadurch einen legendären Ruf einhandeln konnte. Auch wenn Sissi Perlinger hierzulande zu den Wegbereiterinnen des Huttragens zählt, hat sie damit nur eine kleine Lücke in der menschlichen Geschichte mit dem Hut überbrückt. Seit Jahrtausenden zählen Kopfbedeckungen zu den Themen des Alltags, was die vielfältige sprachliche Verankerung zeigt: Frauen kommen heute noch „unter die Haube“, der Eine oder die Andere wachsen glücklicherweise auch heute noch „wohlbehütet“ auf. Die Schutzfunktion von Kopfbedeckungen wurde eben schon immer gewürdigt.

Eine Geschichte der Status-Symbole
Anders als heute waren Hutträger in ihrer Wahl jedoch alles andere als frei: Als die Kopfbedeckungen noch in den Kinderschuhen steckten – vor rund 5000 Jahren – war es nur Herrschern, Königen und Priestern erlaubt sie zu tragen, um damit ihre herausragende Stellung zu demonstrieren. Später bei den Römern wurde der Hut zum Symbol der Freiheit, nur freie Bürger durften ihr Haupt bedecken. Sklaven erhielten bei ihrer Freilassung deshalb einen Hut überreicht.
Aber auch als dann im Mittelalter Hüte, Mützen, Tücher sich als allgemeiner Bestandteil der Kleidung etablierten, behielten sie ihre Symbolkraft. Jede soziale Schicht, jede Zunft hatte eine ihr eigene Kopfbedeckung. Darüber hinaus galten Hüte zu jener Zeit als ein Zeichen der Obrigkeit. Der Wunsch sich als Mitglied der Upperclass zu zeigen lässt sich auch heute noch im englischen Ascot erkennen, wenn sich beim Pferderennen die Damen der Highsociety durch gewagte Hut-Kreationen zu überbieten versuchen.

Kein Schritt nach draußen ohne Kopfbedeckung
Noch bis in die späten 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war es auch bei uns – insbesondere in ländlichen Regionen – für breite Bevölkerungskreise undenkbar, ohne die gewohnte Kopfbedeckung das Haus zu verlassen. Neben den sozialen Notwendigkeiten des betuchten Geschäftsmannes und der gut bürgerlichen Dame, brauchte die tagsüber auf dem Felde arbeitende Landbevölkerung das schützende Kleidungsbestandteil dringend, um sich gegen jedwede Art von Unwetter, sei es Wind, Regen oder Sonne zu wappnen. Noch bis in die Generation unserer Großmütter wurde das christlich-biblische Gebot für Frauen, nicht ohne Kopfbedeckung zu beten (so nachzulesen im 1. Brief Paulus’ an die Korinther, Kapitel 11, Vers 5) penibel erfüllt: entweder durch das Tragen des einheimischen Kopftuches oder auch durch einen modischen Hut. Im Gegensatz dazu entblößte der gesittete Mann selbstverständlich sein Haupt, wenn er grüßte, betete, oder einen geschlossenen Raum betrat. In zahlreichen Heimatfilmen sind die damaligen Gewohnheiten gut dokumentiert.

Die große Freiheit am Teutonengrill
Was danach kam, bedeutete für viele dann die große Freiheit. Weg mit den alten Hüten, hinaus in die Sonne! Urlaub am später so genannten Teutonengrill, braungebrannt nach Hause – so sahen jetzt die Erfolgreichen aus, diejenigen, die es geschafft hatten, der Nachkriegsarmut zu entkommen. Die zunehmende Automobilisierung tat ein Übriges. Nirgends ist ein Hut hinderlicher als am Steuer. So verschwand der Hut mehr und mehr in der Versenkung und mit ihm wäre beinahe der ganze Berufsstand der Modistinnen, wie die Hutmacherinnen sich nennen, untergegangen. Zahlreiche Hutfabriken meldeten in den 1970ern und 1980ern Konkurs an, Hutgeschäfte verschwanden bis auf wenige, die sich oftmals nur mit Zusatzsortimenten über Wasser halten konnten. Wer weiterhin am Hut festhielt, bekannte sich lange Zeit öffentlich zu einem verpönten, weil überlebt geglaubtem Wertkonservatismus.
Und plötzlich feiert die Kopfbedeckung als modisches Accessoire ein Comeback. Zum Erkennungszeichen der Rapper wurde das – verkehrt aufgesetzte – Baseball-Cap. Progressive Linke zeigen Individualität durch ausgefallene Modelle. Völlig unkonventionell bleibt der Hut nun stets auf dem Kopf.

Die Emanzipation der Hut-Träger
Die Hut-Träger von heute haben sich emanzipiert. Emanzipiert von der Vorstellung, dass Hüte spießig sein müssen. Emanzipiert vom Schönheitsideal tiefer Bräune. Nichts verhindert Altersflecken und Fältchen im Gesicht so wirkungsvoll, wie ein Sonnenhut. Nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen halten Sonnenhüte – je nach Modell, bis zu 80 Prozent der UV-Strahlung ab, was praktisch einem Sonnenschutzfaktor 80 entspricht. Und auch die Haare profitieren davon: Sie sind geschützt vor Ausbleichen und Austrocknen und auch die empfindliche Kopfhaut kann keinen Sonnenbrand abbekommen. Wer weiß: Vielleicht wird der Hut schon bald den Schuh als begehrtes Sammlerobjekt im weiblichen Kleiderschrank ablösen.

Foto: cappelleria.eu

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