Der Kynismus und die Kyniker

Foto: Monika Frei-Herrmann

Der Kynismus war eine philosophische Strömung im 5.und 4. Vorchristlichen Jahrhundert, die parallel zur platonischen Lehre entstand, ihren Schwerpunkt aber auf die Bedürfnislosigkeit und die Skepsis setzte. Die Bezeichnung Kynismus leitet sich ursprünglich vom Kynosarges, einem Athener Gymnasion ab, in dem Antisthenes, ebenfalls ein Schüler des Sokrates unterrichtete. Diese Halle war an jener Stelle erbaut worden, an der sich einst das Heiligtum des Herakles Kynosarges befand, das seinen Namen wiederum einer mythologischen Erzählung, in der ein Hund (kyon) eine maßgebliche Rolle spielte, verdankt.  Der Kynismus geht somit auf Antisthenes sowie dessen Schüler Diogenes zurück. Die Grundidee dieser Idee bestand in der Bedürfnislosigkeit, das heißt, jeglichen Besitz auf das Allernotwendigste zu reduzieren, um die Glückseligkeit durch größtmögliche Unabhängigkeit von äußerer Hilfe zu erreichen. Höchstes Ziel ist das Erreichen des Glücks für den Einzelnen. Dieses Glück beruht auf der inneren Unabhängigkeit und Autarkie. Diese innere Freiheit kann man durch die Tugend erhalten, die somit für sich selbst ausreichend zum Glück ist. Unter dieser Tugend verstehen die Kyniker primär die Vermeidung des Übels sowie die Bedürfnislosigkeit „Ich besitze nicht, damit ich nicht besessen werde“, lautet ihr Motiv. Sie kleideten sich meistens in Lumpen, waren mittellos, lebten von Almosen, zogen als Wanderprediger umher und schliefen auf der Straße oder in den Säulengängen der Tempel. Die geltenden philosophischen Lehren wie zum Beispiel die Metaphysik oder die platonische Ideenlehre lehnten sie ab und betrachteten die Ethik als einzige Orientierungshilfe. Auch hatte die Natur einen besonderen Stellenwert. Denn, was natürlich ist, könne weder schlecht sein, noch ein Grund, sich dafür zu schämen. Von daher war die freie (öffentliche) Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse natürlich und selbstverständlich. Die Tiere waren für sie Vorbild, da diese Ansätze zur Kritik an der menschlichen Gesellschaft boten, aber auch eine positive Anleitung für ein glückliches und richtiges, naturgemäßes Leben brachten. Auf Grund ihrer Lebensweise drängte sich in der Öffentlichkeit eine Assoziation zwischen dem Leben der Hunde und dem „Hundeleben“ der Kyniker auf, die ihrerseits diese öffentliche Meinung verspotteten und mit dieser Zuordnung spielten. So hat sich Diogenes in dem Dialog mit Alexander dem Großen auf dessen Worte „Ich bin Alexander, der große König“ mit den Worten „Und ich bin Diogenes, der Hund“ vorgestellt. Die Lebensweise und Bedürfnislosigkeit der Kyniker mussten zweifellos zur Negation der Tradition sowie zur Erregung des öffentlichen Ärgernisses führen, was aber von ihnen nicht nur in Kauf genommen, sondern als selbstverständlich angesehen wurde, denn sie wollten ja von der Öffentlichkeit unabhängig sein.

Teile der kynischen Philosophie (die größtmögliche Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen wurden später von der Stoa übernommen. Auch finden sich viele Elemente ihrer asketischen Lebensweise später bei den Essenern Judäas oder den Mönchen des frühchristlichen Ägyptens wieder. Der moderne Begriff Zynismus ist ebenfalls von dem ursprünglichen Wort abgeleitet. Er bezeichnet eine Haltung, die durch beißenden Spott geprägt ist und dabei oft bewusst die Gefühle anderer Personen oder gesellschaftliche Konventionen missachtet. Man kann wohl mit Recht sagen, dass die Kyniker durchaus zynisch auf die Kritik der Gesellschaft an ihrem Lebensstil reagierten.

 

Buch-Tipp

 

LEICHTER LEBEN MIT PHILOSOPHIE

Helga Ranis

Edition Quell ISBN 978-3-9819936-2-2, Erscheinungstermin: 1. August 2024

Bestellen Sie bis zum 1. August zum Vobestellungspreis von 12,90 Euro statt 14,90 Euro.

Seit Jahren beschreibt Helga Ranis für www.quellonline.de die Erkenntnisse der großen Denkerinnen und Denker, die uns die Herausforderungen des Lebens leichter bewältigen lassen. Über die Jahre ist eine beeindruckende Sammlung an Rezepten und Strategien entstanden. Sie geben Inspirationen, wie die Menschen ihren Alltag gestalten können. Der Weg zur inneren Freiheit des stoischen Philosophen Epiktet fehlt in dieser philosophischen Hausapotheke ebenso wenig wie moderne Überlegungen über das Wesen der Arbeit von Axel Honneth. Das Spektrum reicht von Adorno bis Zizek.

Die Autorin Helga Ranis studierte Theologie und Philosophie und schöpft aus einem großen Fundus philosophischen Wissens.

zu bestellen im Quell-Shop

oder Telefon 02236 9491130