Eindrücke von der Konferenz des guten Wirtschaftens 2023

Sind wir gut, schnell und viele genug für die Kehrtwende(n)? Kritische Diskussionen bei der Konferenz des guten Wirtschaftens 2023

Über 50 bayrische Unternehmen, die sich in ihrem Bemühen um gutes Wirtschaften auch der Gemeinwohlbilanzierung  im Jahr 2022  gestellt haben, erhielten am 2. Februar 2023 ihre Urkunden. Unter den gewürdigten Unternehmen waren Firmen aus den unterschiedlichsten Branchen, Energiewirtschaft, Industrie, Sozialem, Consulting, Architektur, Immobilien, Tourismus, Konsum und Dienstleistung, vom Einzel-Unternehmen bis zur GmbH, vom Verein bis zu Genossenschaft. Die Gemeinwohl-Bilanzierung prüft dabei neben ökologischer Nachhaltigkeit auch Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, sowie Transparenz und Mitentscheidung und bezieht Lieferanten und Kunden, Finanzpartner, Mitarbeiter und gesellschaftliches Umfeld in die Bilanz mit ein. Im Anschluss an die Würdigung, die in der Münchner Community Kitchen stattfand, entwickelte sich – moderiert von Blanca Pohl – eine spannende, offene und selbstkritische Gruppen-Diskussion, angeregt durch den Impulsvortrag von Tina Teucher.

Teucher, selbst Mitglied des Think Tank 30 der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, machte konkret, was jeder einzelne mit sich selbst ausmachen muss: Tun wir heute wirklich alles, um 2050 „die coolen Omas und Opas“ zu sein, die zu einer zirkulären, regenerativen und lebenswerten Weltwirtschaft, zur Rettung  unseres Planeten beigetragen haben?  Hinter dieser Frage steckt die bittere Wahrheit, dass die Zeit uns nun nicht mehr weiter davon rennen darf, um die große(n) Kehrtwende(n) hinzulegen und den Durchbruch in die positive Richtung zu schaffen, deswegen lag Teuchers Fokus auf dem Szenario mit positivem Ausgang in der Computersimulation des „Earth4All“-Modells.Entscheidend sind nun die Jahre bis 2030, allein schon für die in diesem Zeitraum erforderliche Halbierung des Co2-Ausstoßes. Das gelingt nur mit vereinten Kräften. Umso wichtiger ist daher auch der Austausch mit Opponenten und Zauderern, genau wie die Gemeinschaft der Gemeinwohlökonomie offen und transparent für alle sein möchte, die sich für das Gute Wirtschaften interessieren und miteinsteigen möchten.

Dieser Übergang zum Einsatz sauberer Energie ist dabei nur eine von fünf Kehrtwenden, die es gemäß des Club of Rome für unsere gemeinsame Zukunft hinzulegen gilt. Der Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems, die Beendigung der Armut, Beseitigung von eklatanter Ungleichheit und die Ermächtigung der Frauen stehen ebenso auf der Agenda.Ein in jeder Beziehung gelungenes Beispiel aus dem Umfeld der Kooperationspartner*innen der Gemeinwohlökonomie Bayern ist dabei die Community Kitchen, die aus geretteten Lebensmitteln im interkulturellen Team Essen für alle zaubert und ganz nebenbei Bildungsarbeit leistet.

Die Bedeutung des Blicks über den Tellerrand hinaus unterstreicht das weltweite Engagement der Firma BOS. Der in Neu-Ulm ansässige Produzent von Batterien mit Mehrfachnutzen für Haus und Caravan punktet mit Social Impact und zirkulärem Ansatz, denn vor dem Recycling erhalten noch brauchbare Batterien noch weitere Anwendung in ländlichen und semi-urbanen Gebieten in Afrika, Südostasien und Lateinamerika.

Wie dringend notwendig dieses Miteinander, die gegenseitige Inspiration und gemeinsames Handeln sind, machte Teucher in dem Kate Raworth entwickelten Konzept der Donut-Ökonomie deutlich, dass nachhaltiges wirtschaftliches Handeln niemals soziale Mindeststandards unterschreiten und niemals planetare Grenzen überschreiten darf. Je nach Fokus kann der Donut auf die ganze Welt, eine Nation, eine Stadt oder das individuelle Leben angewendet werden.

Dass das Wertesystem eines nachhaltig agierenden Unternehmens über Jahrzehnte immer weitere Kreise, bei Lieferanten, Stakeholdern, Mitarbeitern und Führungskräften bis hin zum Kunden ziehen kann, zeigt das Beispiel der Neumarkter Brauerei Lammsbräu, die ebenfalls zu den gewürdigten Unternehmen der GWÖ Bayern gehören.

Sind wir gut, schnell und viele genug für die Kehrtwende(n)? Die Gewürdigten, die Gäste und Experten in Sachen guten Wirtschaftens in Bayern waren sich einig, dass dieses Jahrzehnt wohl das teuerste werden wird, um die Ziele zu schaffen. Neben der eigenen Konsequenz braucht es dafür sehr viel Kraft, auch um andere zum Engagement überzeugen. Die stärkste Kraft ist dabei die Hoffnung, dass diese Anstrengung Sinn macht.

Ein Teilnehmer der Diskussionsrunde brachte es mit den fünf Phasen der moralischen Revolution nach Appiah auf den Punkt: Was in Phase 1 bis 3 von einzelnen Visionären in Gang gebracht wird, führt erst in Phase 4 zum Umbau von Regelwerken. Rückblickend betrachtet werden sich in Phase 5 alle fragen: „Was haben wir da nur gedacht? Wie konnten wir das all die Jahre tun?«

Wir sind im Jahrzehnt der Entscheidung und das Gute ist: Jeder, der jetzt lebt, kann dazu beitragen, den Kindern und Enkeln dieses Planeten die Chance zu geben, nicht nur zu überleben, sondern gut zu leben.

Zur Gemeinwohl-Ökonomie  Bayern gehören  bereits über 700 Mitglieder an, die sich in über 20 bayerischen Regionalgruppen engagieren und die Vision des entwicklungsoffenen GWÖ-Konzepts verbreiten, umsetzen und weiterentwickeln.

weitere Beiträge über die Gemeinwohlökonomie:

www.quellonline.de/erfolgreich-fuer-das-gemeinwohl/

https://www.quellonline.de/nestbau-ag-setzt-auf-gemeinwohl/

https://www.quellonline.de/zeit-zum-umdenken-zeit-fuer-gemeinwohloekonomie/

https://www.quellonline.de/eine-neue-wirtschaft/

https://www.quellonline.de/tage-des-guten-wirtschaftens/ 

Schweiz Vegetarisches Bio-Hotel Balance – neue Ideen durch die Gemeinwohlbilanz

Deutschland BaumoosAlm – sich Zeit zum Sein nehmen, statt nur drüber zu reden

Österreich Das Hotel Hochschober auf der Turracher Höhe –Innovation im starken Team

Italien/Südtirol La Perla – neue Ziele führen zu neuen Ufern

Chiemgau  /www.quellonline.de/em-chiemgau-nachhaltig-im-sinne-des-gemeinwohls/