Interview mit Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann

Quell: Der Titel des Buches, das Sie zusammen mit Ihren Weggefährten Robert Rogner und Josef Zotter verfasst haben – „Eine neue Wirtschaft“ – , mag für viele Menschen, die aktuell mit Existenzängsten konfrontiert sind, erstmal verunsichernd klingen. Welchen Rat geben Sie diesen Menschen?
Johannes Gutmann: Das Gefühl, den eigenen Weg nicht zu erkennen, sich zu fragen „Wer braucht mich?“ kenne ich sehr gut aus meiner Jugend. Eine solche Krise, wann und durch was auch immer ausgelöst, ist die beste Chance, sich zu fragen: Was ist der Sinn meines Lebens? Was empfinde ich als meinen inneren Auftrag? Wie kann ich ihn erfüllen? Diese Fragen lassen sich nicht von heute auf morgen beantworten, aber sie helfen dabei, zu erkennen, was wirklich wichtig ist, was man wirklich braucht und sich selbst dafür auf den Weg zu machen, also selbstaktiv zu werden für die wirklich wichtigen Themen des Lebens auf unserem Planeten.

Fragen die sich jeder Mensch stellen sollte

Quell: Was zeichnet sinnhaftes Tun aus?
Johannes Gutmann: Sinnhaftigkeit endet da, wo man von der Substanz lebt, durch die Ausbeutung anderer Menschen oder der Natur. Wer dem System mehr nimmt als gibt, ist früher oder später mitverantwortlich für dessen Untergang. Das gilt im Garten genauso wie in der Natur, im Familienunternehmen genauso wie in der Weltwirtschaft. Diese Erkenntnis führt auch bei Menschen, die von der „alten Wirtschaft“ noch profitieren und sich mehr nehmen als ihnen zusteht, zum Umdenken. In der Natur kehrt alles wieder im ewigen Kreislauf, nichts geht verloren. Nur so kann auch die Wirtschaft funktionieren.
Quell: Wie lassen sich die Kreisläufe der Natur auf die Kreisläufe der Wirtschaft übertragen?
Johannes Gutmann: In der Landwirtschaft basiert nur der Bio-Anbau auf diesem Prinzip, ohne Einsatz giftiger Substanzen oder klimaverändernder Eingriffe, die nur dem kurzfristigen Profit dienen. Für die Rettung unseres Planeten ist es elementar, dass wir der Erde Zeit geben, sich zu regenerieren, statt sie auszubeuten. Das gilt für den Umgang mit Rohstoffen genauso wie für den CO2-Ausstoß. Der Blick auf die Weltwirtschaft und die übermächtige Finanzindustrie der Banken und Aktienmärkte darf uns als Individuen nicht verzagen lassen. Es gibt so viele Möglichkeiten für Menschen, die weiter denken. Ob in der Textilbranche oder in der Automobilindustrie, überall entwickeln sich alternative Innovationen. In jeder Branche gilt es, das zu korrigieren, was falsch gelaufen ist. Alles, was endlich ist, schreit nach Veränderung.
Quell: In Ihrem Buch sprechen Sie und Ihre Mitautoren von der Erfordernis einer spirituellen Revolution in der Wirtschaft. Wie ist das gemeint?
Johannes Gutmann: Der wahre Sinn der Wirtschaft ist eng mit dem Lebenssinn ihrer Macher verbunden, so bringt es mein Mitautor Robert Rogner vom Institut für Beziehungsethik auf den Punkt. Mit unseren Lebens- und Berufserfahrungen möchten wir – Robert Rogner, Josef Zotter und ich – Menschen inspirieren, sich mit Mut auf den Weg zu einer besseren Welt zu machen, gerade auch diejenigen, die an einem Scheideweg stehen und sagen: So will ich nicht weitermachen – so wie es auch dem heute weltberühmten Chocolatier Josef Zotter einmal erging. Und immer mehr Menschen erkennen, dass die „alte Wirtschaft“ uns nur in einer Scheinsicherheit wiegt.
Quell: Was zeichnet eine „neue“ Wirtschaft aus?
Johannes Gutmann: Die Zukunft liegt in der Gemeinwohlökonomie. In vielen Köpfen schwebt bei diesem Begriff immer noch Angst vor Neokommunismus. Dabei geht es um den Aufbau eines Wirtschaftssystems, von dem Mensch und Natur profitieren. Konkretes Beispiel: Wir arbeiten in unserem Unternehmen mit Gleichgesinnten, mit Zulieferern von Bio-Kräutern oder von nachhaltiger Verpackung, mit MitarbeiterInnen und Franchise-Partnern, die auch alle nachhaltig denken und handeln. So unterstützen wir uns gegenseitig in Netzwerken.
Quell: Wie können solche Netzwerke zur Gestaltung einer „neuen Wirtschaft“ beitragen?
Johannes Gutmann: „Think global, act local“ ist ein Prinzip, nach dem wir uns in der Gemeinwohlökonomie gegenseitig helfen können. Die Bio-Bauernhöfe, die mit Sonnentor zusammenarbeiten, sind auch Mitglied im Verein zur Förderung einer enkeltauglichen Umwelt, der sich für das flächendeckende Verbot von Ackergiften einsetzt. Dieses Bündnis kann Biobetrieben helfen, die unverschuldet in Not geraten sind, weil Pestizide über die Luft ihre Pflanzen erreicht haben. So lässt sich – ohne explizit politisch aktiv zu sein – das Gesellschaftssystem im Kleinen wie im Großen positiv verändern. Im Buch ist ein weiteres Beispiel für Zusammenhalt beschrieben, die Geschichte von Heini Staudinger, dem Unternehmer der nachhaltigen Waldviertler Gea-Schuhe, der sich auf seinem Weg zu einer fairen Wirtschaft von Rückschlägen nicht entmutigen ließ.

Selbst zum Teil der Lösung werden

Quell: Wie stellt sich für alle Erfolg und Wohlstand ein?

Johannes Gutmann: Gebraucht zu werden verleiht Flügel. Und die Arbeit, die aus dieser Sinnhaftigkeit heraus Freude macht, führt auch zu Erfolg. Da geht es nicht um Größe, Wachstum steigert kaum noch den Wohlstand.
Quell: Was ist Ihre Vision?
Johannes Gutmann: Branchen- und länderübergreifend ist es die Kooperation und gegenseitige Befruchtung im Sinne der gemeinwohlorientierten neuen Wirtschaft – dafür möchten wir als Pioniere denjenigen Wind in die Segel blasen, die noch Gegenwind erfahren. Konkret für die Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion ist das Ziel 100 Prozent Bio. Auch da stehen wir mit 5 Prozent Bio-Anteil noch ganz am Anfang. Es ist also noch vieles zum Guten zu wenden. Weil Essen und Trinken uns alle angeht, ist dies einer der wichtigen Schlüssel für eine gute Zukunft.
Quell: Ihre Mutmach-Message?
Johannes Gutmann: Was immer Du für die Sinnmaximierung tun kannst, beginne es. Beginne jetzt. Du tust es für Dich, für andere, für unseren Planeten.

Zur Person von Johannes
Gutmann

Schon in den 1980er
Jahren leidenschaftlicher Bio-Verfechter, als es das Wort „bio“ noch gar nicht gab, begann der Waldviertler die Bio-Produkte der Bauern seiner Region unter der Dachmarke der lachenden Sonne zu vertreiben. Per Mundpro-paganda wurde sein Einmann-Unternehmen wegen seines fairen Umgangs mit Menschen und Natur weiterempfohlen. Mittlerweile gehören weltweit rund 1.000 Bauern zur Sonnentor-Familie und schätzen die Verlässlichkeit zum Wohl der Gemeinschaft.

Buch-Tipp
Eine neue Wirtschaft
Zurück zum Sinn

Johannes Gutmann,
Robert Rogner,
Josef Zotter

edition a,
160 Seiten gebunden, ISBN: 978-3-99001-419-6,
Preis: 20 Euro

QC59F05

Bildnachweise: Titelbild; www.lukasbeck.com Gutmann (Mitte), Zotter (links) und Rogner (rechts), kleines Foto von Herrn Gutmann ©SONNENTOR