Es lässt sich sogar messen: Wildpflanzen, die sich in der freien Natur behaupten, haben ein höheres antioxidatives Potenzial als ihre Artgenossen, die in landwirtschaftlicher Aufzucht gepäppelt wurden. Wildpflanzen, die es überall in der Natur zu finden gibt, bereichern den Speiseplan durch hohe Werte an Nährstoffen und Vitaminen.

Experten schätzen, dass es in Deutschland mehr als 4 000 Wildpflanzen gibt. Manche davon werden nur von Tieren gefressen, aber viele Wildgemüse, Wildkräuter und Heilpflanzen wurden über Jahrtausende auch von den Menschen als Schätze der Natur gehütet und genutzt. Das umfassende Wissen über die für Menschen und Tiere nützlichen Wirkungen von Kräutern, Blüten, Beeren, Gemüsen und Pilzen wurde von Generation zu Generation weitergegeben und in Klöstern aufgeschrieben. Hildegard von Bingen beispielsweise (1098-1179) behandelte in ihren Schriften über die Heilmittel rund 230 Kräuter. Darunter Pflanzen wie die Brennnessel, den Sauerampfer oder die Malve. Auf der Internetseite www.welterbe-klostermedizin.de der Forschergruppe Klostermedizin ist ein Teil dieses Wissens gesammelt. Schließlich sind die Menschen erst seit etwa 100 Jahren dazu in der Lage, wirksame synthetische Medikamente herzustellen. Davor gab es nur die Apotheke der Natur. „Alles, was wir brauchen, um gesund zu bleiben, hat uns die Natur geschenkt. Warum vergessen wir das so oft?“, beklagte schon der Pfarrer und Therapeut Sebastian Kneipp.

Mehr Vitamin C für Steinzeit-Menschen
Über Jahrzehnte war der Verzehr von Wildpflanzen hierzulande aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden – möglicherweise lag es daran, dass die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs das Sammeln von Wildpflanzen zur Aufbesserung der kargen Nahrungsmittelrationen propagierten. Nach dem Krieg wollte kaum jemand noch etwas von dieser „Not-Nahrung“ wissen, im Trend lagen fette Leckereien wie Fleischsalat oder Schweinekoteletts. Anfang der 1980er Jahre veröffentlichte der Botaniker Professor Wolfgang Franke erstaunliche Untersuchungsergebnisse über den Vitamin C-Gehalt von Wildpflanzen: So war der Vitamin C-Gehalt in Wildgemüse im Durchschnitt rund viermal so hoch wie in Kulturgemüse. Während es Wildgemüse pro 100 Gramm essbaren Anteils im Schnitt auf 209 mg Vitamin C-Gehalt brachte, lag der Mittelwert bei Kulturgemüse bei 47,2 mg. Spitzenreiter bei Wildgemüse bildete bei diesen Untersuchungen das Gänsefingerkraut mit 402 mg; das unter den Wildgemüsen vergleichsweise abgeschlagene Gänseblümchen hatte mit 87 mg immerhin noch fast doppelt so viel Vitamin C wie der Durchschnitt der Kulturgemüse. Neuere Studien gehen davon aus, dass die Menschen früher über den Genuss von Wildpflanzen wesentlich mehr Vitamin C zu sich nahmen, als sie dies heutzutage tun. In der Ernährung der Steinzeit-Menschen betrug der Vitamin C-Anteil rund 390 mg täglich. Im Vergleich dazu beträgt die durchschnittliche Vitamin C-Aufnahme in den USA derzeit 88 mg täglich.

Stressarme Umgebung
Experten begründen den hohen Gesundheitswert der Wildpflanzen mit ihren Wachstumsbedingungen. Da sie sich selbst an ihrem Standort ansiedeln, wählen sie von sich aus eine Umgebung, die zu ihnen passt. Ungestört durch Eingriffe der Menschen können sie ihr eigenes Potenzial ausbilden, um Schädlinge abzuwehren und sich bestmöglich fortzupflanzen. Wildpflanzen werden nicht gedüngt und nicht mit Pflanzenschutzmitteln gespritzt. Sie sind prall gefüllt mit sogenannten sekundären Pflanzenstoffen. Durch Farb-, Duft- und Geschmacksstoffe in Blüten, Samen und Früchten locken sie Insekten und andere Tiere an, um ihre Fortpflanzung zu sichern. Die Wissenschaft geht davon aus, dass es weltweit etwa 10 000 sekundäre Pflanzenstoffe gibt und man erkennt mehr und mehr deren Bedeutung für die Gesundheit der Menschen. Derzeit sind aber erst einige Hundert bioaktive Wirkstoffe identifiziert. Vitamin C ist nur einer davon. „Für den Konsumenten heißt das: Wenn die Wachstumsbedingungen der Pflanzen stressarm sind, müssen diese ihre wertvollen Inhaltsstoffe nicht selbst aufbrauchen. Sie stehen daher dem Menschen in größerer Menge zur Verfügung“, schreibt Professor Dr. Manfred Hoffmann, der sich seit langem mit dem antioxidativen Potenzial von Nahrungsmitteln beschäftigt.

Foto: Monika Frei-Herrmann

Vitamin-C-Gehalt

Das antioxidative Potenzial von Pflanzen wird mittlerweile weltweit gemessen. Denn die Wissenschaft hat herausgefunden, dass es nicht sehr zielführend ist, nur einzelne Komponenten wie Vitamin C, Vitamin E oder Beta-Karotin zu betrachten.
Die Wissenschaftler nehmen an, dass ein Grund für die Unwirksamkeit von isoliert eingenommenem Vitamin C, Vitamin E und Beta-Karotin daran liegt, dass der schützende Effekt  von Obst und Gemüse aus dem Zusammenwirken von Stoffen resultiert, beziehungsweise von unbekannten antioxidativ wirkenden Komponenten. Viele Stoffe wie Flavonoide, Karotine, Polyphenole oder Sulfide sind bioaktiv und wirken synergetisch zusammen mit anderen. Johanna Paungger, Enkelin eines Bergbauern, und ihr Co-Autor Thomas Poppe zählten in den 1990er Jahren zu den ersten, die den besonderen Wert der in Vergessenheit geratenen Wildkräuter hervorhoben. „Dass ein Heilkraut nur in seiner Ganzheit wirkt, ist uraltes Volkswissen“, so schreiben sie in ihrem Bestseller „Aus eigener Kraft“.

36E15-GaensefingerkrautGänsefingerkraut: Vitamin C-Bombe

Das gelb blühende Gänsefingerkraut ist häufig an Rändern von Äckern und Weiden zu finden. Seine Blätter und Wurzeln lassen sich zu Gemüse verarbeiten oder zu Tee. Das Gänsefingerkraut kann bei Magen-, Unterleibs-, Waden- und Muskelkrämpfen helfen, deshalb wird es auch oft als „Krampfkraut“ bezeichnet. Außerdem wirkt das Gänsefingerkraut beruhigend, entzündungshemmend und schmerzstillend. Die Wurzel hilft bei Parodontose oder Zahnfleischbluten: Dafür sollten gewaschene Wurzel-Stückchen eine Zeit lang gekaut werden.

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Buch-Tipp:

In ihrem Buch „Die besten Dinge kosten nichts“ beschreibt Andrea Tichy sieben Verhaltensweisen, die uns gesünder, glücklicher und zufriedener machen. Dazu gehört auch das Sammeln und Verwenden von Wildpflanzen, die über ein erstaunlich hohes Potenzial an Antioxidantien verfügen und die Küche durch ungewöhnliche Aromen bereichern.

Cover-_-Besten-Dinge-_-2014_kleinAndrea Tichy

Die besten Dinge kosten nichts

Sieben wirksame Verhaltensweisen, die uns gesünder, glücklicher und gelassener machen.

ISBN 978-3-9815402-4-6
Quell Edition 2014 | 17,90 Euro
T 02236 – 949 11 30 oder Quell-Shop

Aus dem Inhalt:
Sonne tanken | Zu Fuß gehen | Fasten | Lebendiges Wasser trinken | Wildpflanzen sammeln | Gemeinschaft leben | Pflegen statt Putzen |

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