Wenn die Künstliche Intelligenz beim Klima- & Artenschutz hilft

Es ist schon erstaunlich, vor rund zweieinhalb Jahren wurde die erste offizielle Version des KI-Chatbots ChatGPT vorgestellt und jetzt ist KI in seinen vielfältigsten Ausprägungen fast omnipräsent. Stellt man der KI selbst die Frage, wie sie beim Thema Klimawandel und Artensterben unterstützen kann, so lautet das Fazit: KI hilft beim Klimaschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt durch bessere Überwachung, präzisere Vorhersagen und effizientere Schutzmaßnahmen.  

Bis vor die Haustür

Ein gutes Beispiel für präzisere Vorhersagen bietet ein interdisziplinäres Projekt der Universität Freiburg. Das Projekt mit dem Titel: „I4C – Intelligence for Cities“ ging der Frage nach, wie sich Städte mit Künstlicher Intelligenz an den Klimawandel anpassen können, denn gerade Städte sind besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels wie Hitzewellen, Hochwasser und Stürme. Im Rahmen des Projektes wurden Modelle erarbeitet, die mithilfe von KI präzise und kleinteilige Messungen und Vorhersagen ermöglichen – etwa zur Häufigkeit von Hitzestress, aber auch zu Auswirkungen von planerischen Veränderungen, wie dem Pflanzen von Bäumen oder der Verdichtung eines Stadtviertels. Prof. Dr. Andreas Christen, Professor für Umweltmeteorologie an der Universität Freiburg ist der Ansicht: „Für die Klimaforschung eröffnen sich mit den im Projekt entwickelten KI-Methoden völlig neue Möglichkeiten, die Auswirkungen des Klimawandels praktisch bis vor die Haustüre darzustellen“. 

Das ambitionierte Ziel, im globalen Maßstab zu langfristigeren und zuverlässigeren Klimaprognosen zu kommen, verfolgt die Helmholtz Foundation Initiative mit einem Pilotprojekt, bei dem nicht nur Informationen über die Atmosphäre, die Ozeane und das Meereis in einem KI-Modell miteinander kombiniert werden, sondern auch ein KI-Basismodell (Foundation Model) eingesetzt und entwickelt wird. Projektleiter Professor Martin Schulz ist überzeugt: „Anhand der vielen Daten erkennt das Foundation Model eigenständig Zusammenhänge zwischen einzelnen Parametern. Und zwar besser, als es ein Mensch je könnte“. 

Mehr Durchblick und Überblick

Bessere Überwachung und effizientere Schutzmaßnahmen sind wichtige Bausteine, um dem Artensterben Einhalt zu gebieten. Um an der richtigen Stelle ansetzen zu können, ist es dringend notwendig, zu verstehen, wie Ökosysteme funktionieren und die derzeitige Ist-Situation zu kennen. Genau hier kommt die KI ins Spiel. 

Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz können nicht nur große Mengen an Umweltdaten aus Satelliten, Sensoren und anderen Quellen extrem schnell ausgewertet werden, sondern auch bei der  Erhebung und Analyse der Daten selbst wird KI eingesetzt. Durch KI-Algorithmen, die durch Bild-und Audioerkennung Tiere und Pflanzen erfassen und erkennen können, ist es beispielsweise möglich, in Echtzeit Wildtiere zu überwachen und ihren Bestand zu ermitteln. Veränderungen in den Wäldern können erfasst und damit illegale Abholzungen identifiziert und an die entsprechenden Stellen gemeldet werden. Doch auch in den Ozeanen können Mithilfe von KI Populationen von Fischen und anderen Meereslebewesen durch die Analyse von Fangdaten und visuellen Beobachtungen besser überwacht werden. 

Die Organisation OceanMind aus Großbritannien hat sich beispielsweise das Ziel gesetzt, durch den Einsatz von KI innerhalb der nächsten fünf Jahre die Einfuhr von Fischen aus illegaler Fischerei zu stoppen. Eine gute Möglichkeit, auch als Einzelner bei der Erhebung von Daten mitzuwirken oder einfach für sich mehr zu entdecken, sind KI-gestützte Erkennungs-Apps, wie die Vogelstimmen-Apps Merlin oder BirdNet. 

Ein Spaziergang wird so auch für Kinder zu einer Entdeckungstour. Einfach die App öffnen und schon erscheint im Display, ob da gerade eine Meise zwitschert oder ein Stieglitz oder ein anderer Vogel. Diese und viele andere Bild- und Audioerkennungs-Tools werden auch in schwer zugänglichen Gebieten eingesetzt, um die Artenvielfalt zu erfassen.

Dabei gilt: Je mehr Daten man hat, umso größer ist der Überblick und umso besser kann man das Ökosystem in seiner Vielfalt und Gänze begreifen. 

Doch bei all diesen vielen positiven Aspekten gibt es leider auch ein großes Aber. Denn für die weitere Entwicklung und für den zunehmenden Einsatz von KI werden riesige Rechenzentren benötigt, die viel Strom, aber auch Wasser zur Kühlung benötigen. Dringend notwendig ist deshalb mehr Transparenz über den Energie- und Ressourcenverbrauch der KI, um ressourceneffiziente KI fördern zu können. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft KI eine positive Gesamtbilanz vorweisen kann.

Mit KI gegen illegale Abholzung

Je schneller illegale Rodungen entdeckt werden, umso effektiver können Gegenmaßnahmen erfolgen. Mehrere innovative Plattformen erfassen Veränderungen in den Wäldern in Echtzeit. Global Forest Watch (GFW) etwa sammelt kontinuierlich Satellitenbilder von verschiedenen Raumfahrtagenturen und -diensten. Die KI vergleicht permanent die aktuellen mit früheren Aufnahmen und identifiziert Abholzungen, Brandrodungen oder andere Eingriffe. Sobald eine Veränderung erkannt wird, werden die Daten den entsprechenden Nutzern zur Verfügung gestellt, u.a. Regierungen und NGOs. www.globalforestwatch.org

Selber entdecken 

Mit den kostenlosen Vogelbestimmungs-Apps „Merlin Bird ID“ oder „BirdNet“ wird das Bestimmen von Vögeln zum Kinderspiel. Zweimal im Jahr ruft der BUND Naturschutz in Bayern zur Hummel-Challenge auf. Um teilnehmen zu können, benötigt man nur die App ObsIdentify. Mithilfe von KI bestimmt die App anhand der hochgeladenen Fotos, um welche Hummel es sich handelt. Die Challenge ist eine klassische Citizen-Science-Aktion, die einen wertvollen Beitrag zur Erweiterung der Kenntnisse der heimischen Hummel-Vielfalt leistet. Ebenfalls einen Citizen-Science-Aspekt hat die Pflanzenerkennungs-App Flora incognita, denn wer die App benutzt und die Pflanzen bestätigt, trägt zu einer Verbreitungskarte bei. Insekten bestimmen kann man auch mit der App „NABU Insektensommer“. 

Mehr dazu unter www.naturgucker.de

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