Für den Arzneimittelhersteller Wala ist ein unscheinbares weißes Blümchen namens Augentrost eine der wichtigsten Heilpflanzen. Ein erfahrener Wildsammler erntet sie hoch oben in den Vogesen. In unserer Reportage begleiten wir ihn einen Tag lang bei seiner Arbeit.

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Eigentlich haben wir Spätsommer. Die letzten Tage waren angenehm warm und sonnig. Aber hier oben, auf luftigen, rund 1.200 Metern Höhe – und außerdem so früh am Morgen – sehnen wir uns nach einer Winterjacke. Kühle 8,5 Grad hatte die Temperaturanzeige unseres Wagens verkündet, während wir über schmale Bergstraßen bis zum Ernteplatz fuhren. Der Berg liegt in den französischen Südvogesen, etwa 45 Kilometer südwestlich von Colmar. Umgeben von Magerrasen stapfen wir den steinigen Bergpfad empor. Glockenblumen, Preiselbeeren, Heidekraut, wilde Stiefmütterchen und Gelber Enzian säumen den Weg. Auf halber Strecke kommt uns Friedrich Reyeg entgegen. „Damit wir uns nicht verpassen“, meint er schmunzelnd und reicht uns seine wettergegerbte Hand. Seit über 37 Jahren sammelt der 64-Jährige Wildpflanzen für die Wala Heilmittel GmbH. Heute steht die Ernte von 20 Kilogramm Augentrost für den Wala Elixierbetrieb auf dem Programm. Benötigt wird „planta tota“, also die ganze Pflanze inklusive Wurzel. „Mittlerweile habe ich Routine“, erzählt der Wildsammler. „Ich kenne die besten Plätze und zur Not auch Ausweichmöglichkeiten.“ Manch gute Sammelstelle sei ihm leider über die Jahre verloren gegangen. Zum Beispiel, weil die Fläche mittlerweile zu stark beweidet sei. Oder weil andere Unternehmen nun ebenfalls dort ernteten. Der Sammelplatz liegt am Berghang. Im Winter kommen viele Skifahrer hierher. Für die warme Jahreszeit gibt es seit einiger Zeit eine Sommerrodelbahn. Reyeg hält beim Sammeln bewusst Abstand zu ihr. „Ein Rummelplatz ist das“, brummt er. Nein, Lärm und Trubel liegen ihm nicht. Reyeg ist ein ruhiger, gewissenhafter Mann. Mit geübter Handbewegung zupft er ein Augentrost-Pflänzchen aus dem Magerrasen.

Augentrost ist eine krautige Pflanze, die auf Magerwiesen wächst

Wildsammlung mit Genehmigung

Die Wiesen, auf denen Reyeg erntet, gehören zumeist den dortigen Gemeinden. Die Naturamus GmbH, ein Tochterunternehmen der Wala, handelt mit den örtlichen Behörden eine Genehmigung aus. Andere Plätze sind das Eigentum ansässiger Bauern. „Die freuen sich, wenn wir zum Ernten kommen“, erklärt der Wildsammler schmunzelnd. „In Österreich nennt man den Augentrost auch ,Milchdieb‘, weil das Vieh weniger Milch gibt, wenn es zu viel davon frisst.“ Um die Bestände zu schonen, erntet Reyeg eine Stelle nie kahl. Das ist ihm ganz wichtig. Und er lässt den Plätzen Zeit, sich zu erholen. „Auch sie brauchen Pausen“, erklärt er. Nachmittags brechen die Sammler zu einer neuen Stelle auf. Wenn die benötigte Erntemenge erreicht ist, wird Friedrich Reyeg mit seinem Erntegut nach Hause fahren. Dort breitet er die Pflanzen auf selbstgebauten, mit Seide bespannten Hurten aus und entfernt Grashalme sowie andere Fremdkörper. Am nächsten Morgen liefert er den Augentrost bereits um 7 Uhr beim Wala Elixierbetrieb zur Weiterverarbeitung ab. Ob er ans Aufhören denkt? Friedrich Reyeg schüttelt den Kopf. „Der Jahresrhythmus der Pflanzen, die Natur, der Sonnenaufgang während der Ernte – das alles würde mir doch sehr fehlen. Ich mache weiter, so lange ich körperlich noch fit bin.“

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