Hormonaktive Substanzen und ihre Auswirkungen

ln den letzten 20 Jahren sind die hormonaktiven Substanzen aufgrund der Zunahme durch sie verursachter Auswirkungen mehr in das lnteresse der Öffentlichkeit gerückt. Momentan stehen etwa 800 Stoffe im Verdacht hormonaktiv zu sein. Als Hormonaktive Substanzen werden Stoffe bezeichnet, die durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit von Menschen und Tieren schädigen können, wenn sie in einer wirksamen Dosis in den Körper gelangen. Sie können natürlich vorkommen oder synthetisch hergestellt werden. Hormonaktive Substanzen werden in der Fachliteratur auch als endokrine Disruptoren (kurz: EDC) bezeichnet.

Als Folge können irreversible und schwerwiegende Entwicklungs- und Gesundheitsstörungen auftreten. Fehlbildungen der Geschlechtsorgane, verringerte Fruchtbarkeit, verfrühte Pubertät, hormonbedingte Krebsarten wie Brust-, Prostata- und Hodenkrebs, Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten. Diabetes und Adipositas werden in Verbindung mit EDCs gebracht, die auch bei Folgegenerationen auftreten können. Sie können bereits in sehr niedrigen Konzentrationen Störungen auslösen. Nach Meinung vieler Experten lässt sich keine sichere Dosis festlegen, unterhalb derer es keine Wirkung gibt. Menschen und Tiere sind in der Regel Gemischen ausgesetzt, deren Wirkungen sich addieren oder gegenseitig verstärken können.

Die Verwendung von hormonaktiven Substanzen ist in der EU seit 2011 eingeschränkt. Im Jahr 2017 wurden die von der EU-Kommission vorgelegten Kriterien für die ldentifizierung hormonschädlicher Chemikalien angenommen. Sie sind seit 2018 in Kraft. Mit diesen Regulierungen können EDCs identifiziert und Zulassungen gegebenenfalls abgelehnt werden. Diese regulativen Maßnahmen weisen in die richtige Richtung. Ausreichend sind sie aus Sicht von PAN Germany, der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und weiterer Umweltverbände nicht, um in absehbarer Zeit die Belastungen für Mensch und Umwelt durch endokrine Disruptoren wirkungsvolI zu senken.

Die Beweislast für eine Einstufung als EDC ist so hoch, dass wahrscheinlich nur wenige Stoffe tatsächlich als solche identifiziert werden und dementsprechend verboten werden können.

Zu den gesicherten oder vermuteten hormonaktiven Substenzen (EDCs) werden unter besonderer Betrachtung der schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit die folgenden Stoffe gezählt:

BisphenolA (BPA) Phthalate, DEHP ParabenePFAS

Pestizide wie z.B. Glyphosat, Thiacloprid, Fipronil, Chlorpyrifos, Natürliche Hormone
Dioxine
PCB

Metalle (Arsen, Cadmium, Blei, Quecksilber) L

BisphenolA (BPA) wird in Lebensmittelverpackungen als ,,Weichmacher“ von Kunststoffen eingesetzt. Es wandert aus der Verpackung ins Lebensmittel und wird deshalb als ,,Wandergift“ bezeichnet. BPA-basierte Epoxidharze werden für lnnenbeschichtungen von Lebensmitteldosen und Abdichtungen in Metalldeckeln von Lebensmittelgläsern verwendet. Seit 2011 gilt ein EU-Verbot für Babyflaschen.

Phthalate wie DEHP werden als ,,Weichmacher“ in Lebensmittelverpackungen aus Plastik, z.B. weiche Folien, benutzt. Seit 2005 besteht ein EU-Verbot einiger Phthalate z.B. DEHP in Weich-PVC für Kinderspielzeug und Babyartikel.

Parabene sind in vielen Kosmetika vor allem als Konservierungsmittel mit antibakterieller und fungizider Wirkung in Körperpflegeprodukten, in Lebens- und Arzneimitteln oder UV- Filtern enthalten. Es besteht der Verdacht der Beeinflussung des menschlichen Hormonsystems.

PFAS sind überall auf der Erde in der Luft, im Wasser und im Boden verbreitet. Die Stoffgruppe umfasst über 4700 verschiedene Chemikalien per- und polyfluorierte Alkylverbindungen wie PFOS und PFOA, die am häufigsten vorkommen und am besten untersucht wurden. Wegen ihrer Fähigkeit Öl und Wasser abzustoßen werden sie für Outdoorkleidung verwendet. Essensverpackungen sind häufig mit PFAS behandelt z.B. als Beschichtung von Einweggeschirr, Papier und Pappe, Antihaftbeschichtungen von Pfannen und Töpfen. Sie können von den Verpackungen auf die Lebensmittel übergehen.Fast alle Kinder und Jugendliche sind nach Angaben des Magazins ,,Der Spiegel“ mit Weichmachern und PFAS belastet.Der Einsatz von fortpflanzungsschädigenden und lebertoxischen PFOS und PFOA ist in der EU bereits verboten. Ein Verbot der gesamten Gruppe der PFAS in der EU ist überfällig.

Glyphosat ist ein EDC und schädigt unsere Gesundheit. Die erbgutschädigende Wirkung ist durch Studien der WHO belegt. Der Verdacht auf Erzeugung von Krebs beim Menschen ist nicht bestätigt. Glyphosat ist ein Pflanzengift und zerstört die Artenvielfalt. Die Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit beruht auf geheimen Herstellerstudien. EFSA und BfR haben Glyphosat als ungefährlich eingestuft. Wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse wurden ignoriert oder sogar falsch interpretiert.

Thiacloprid hat fruchtschädigende Wirkung, ist vermutlich kanzerogen, greift insmenschliche Hormonsystem ein und ist damit evtl. den EDCs zuzuordnen.

Fipronil ist ein Nervengift auch für Nachkommen. Es wird den EDCs zugeordnet, ist möglicherweise krebserregend und es gibt Hinweise auf fortpflanzungsschädigende Wirkung. Bei einem Lebensmittelskandal 2017 wurde Fipronil in Hühnereiern gefunden.

Chlorpyrifos steht im Verdacht, die Gehirnentwicklung beim Menschen, insbesondere bei Ungeborenen im Mutterleib, zu schädigen. Es ist in der EU seit 2020 verboten.

Natürliche Hormone sind biochemische Botenstoffe, die im Körper spezifische Wirkungen oder Regulationsfunktionen haben. Die Wirkungsweise von Östrogenen, Androgenen, Schilddrüsenhorrnonen und die Steroidgenese werden derzeit bearbeitet, da dies die einzigen Bereiche sind, in denen standardisierte Tests existieren.

Dioxine sind überall auf der Erde in der Luft, im Wasser und im Boden zu finden. Sie gelangten bei einem Chemie-Unfall in Seveso 1976 in die Umwelt. Sie werden aus der Luft und hauptsächlich aus der Nahrung aufgenommen und speichern sich langfristig im Fettgewebe von Fischen, Säugetieren, Vögeln und Menschen (l“lWZ des giftigsten Dioxins -2.3.7.8.TCDD-etwa 7 Jahre) TCDD wurde von der WHO 1996 als krebserregend für den Menschen eingestuft. Beim Menschen verursachen Dioxine Störungen des lmmun- und Nervensystems und des Hormonhaushalts.

PCB – Polychlorierte Biphenyle – sind in Deutschland seit 1989 verboten, weltweit seit 2001. PCB ist überall auf der Erde in der Atmosphäre, in Wässer und Boden verbreitet. Die akute Toxizität ist gering, wohingegen eine chronische Giftigkeit bereits bei geringen Mengen festzustellen ist. Es verursacht Hautschädigungen wie Chlorakne. Es ist teratogen (fördert Missbildungen), immuntoxisch, lebertoxisch, kanzerogen und steht unter Verdacht hormonaktiv zu sein. Es reichert sich im Fettgewebe an. Die Aufnahme erfolgt zu 90-95 Prozent über die Nahrung.

Metalle (Arsen, Cadmium, Blei, Quecksilber)
Arsen in Reis, Quecksilber in Thunfisch u. a. Seefischen

Auswirkungen auf die gesamte Umwelt

Luftverschmutzung ist eines der weltweit größten Gesundheitsrisiken. Nach einer Studie von Forschern der Universitätsmedizin Mainz und des Max-Planck-lnstituts für Chemie in Mainz verkürzt verschmutzte Luft die Lebensdauer der Europäer im Schnitt um mehr als 2 Jahre. Nach den Ergebnissen einer gemeinsamen Studie des Umweltinstituts München und des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft verbreiten sich Pestizide kilometerweit durch die Luft und lassen sich überall in Deutschland nachweisen. lnsgesamt fanden sich in den Sammelmedien 124 verschiedene Pestizidwirkstoffe, sowie 14 Abbauprodukte von Pestiziden. Dabei sind 5 Pestizide darunter Glyphosat, besonders verbreitet

Wasserverschmutzung: Bundesweit liegen 26,7 Prozent aller Grundwassermessstellen über dem derzeitigen Nitrat-Grenzwert von 50 mg/I. 8,8 Prozent der deutschlandweit erfassten Messstellen zeigten Nachweise von Pflanzenschutzmitteln“. ln 57 Prozent wurden nicht-relevante Metabolite nachgewiesen. Keines der untersuchten deutschen Fließgewässer ist noch frei von Medikamentenrückständen.

Pestizide im Boden: Pestizide können mit ihren unerwünschten Nebenwirkungen auch nützliche Bodenorganismen schädigen. Dadurch wird die biologische Vielfalt im Boden gefährdet. Das natürliche Räuber-Beute-Verhältnis kann gestört werden. Es kann zu unerwünschten Rückständen in Pflanzen kommen, die dann in die Nahrungskette gelangen.

Schadstoffe und Schwermetalle im Boden: Cadmium gelangt durch mineralische Phosphordünger aus Rohphosphaten in den Boden. Die Krebsagentur der WHO IARC hat die kanzerogene Wirkung von Cadmium bestätigt. Weitere problematische Schadstoffe in Düngemitteln sind Uran, Quecksilber, Blei, Nickel, Arsen.
Lachgas N2O kann sich aus Stickstoffdünger auf den Feldern bilden. Es ist 300 mal klimaschädlicher als CO2.

Die Autorin

Dr. Renate Pusch-Beier
studierte Biochemie an der Uni Tübingen und promovierte zum Dr.rer.nat. in München. Es folgte ein Inlandsstipendiat bei der Max-Planck-Gesellschaft.Danach verlegte sie ihren Wohnsitz ins Allgäu. Sie übernahm Lehraufträge an den FHs Kempten und Augsburg, sowie an der MTA- und Technikerschule in Kempten. Frau Dr. Pusch-Beier hält Vorträge zu den Themen Gentechnologie und Nanotechnologie, über Pestizide und ihre Auswirkungen, über Schadstoffe in der Landwirtschaft, in Lebensmitteln und Lebensmittelverpackungen, Plastik- und Mikroplastik in der Umwelt an verschiedenen Erwachsenenbildungs-Einrichtungen und Schulen und im Rahmen von Veranstaltungen der Interessengemeinschaft für gesunde Lebensmittel.
www.ig-fuer.de

 

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4. September 2021