Immer mehr Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen stellen ihre Gemeinwohltauglichkeit auf den Prüfstand. Vom Wissen über Stärken und Defizite kommen sie ins Handeln und beweisen so, dass die Orientierung am Gemeinwohl zum wahren Erfolg führt.

Wohlstand, der auf Ausbeutung von Menschen oder den Ressourcen der Natur fußt, hat für immer mehr Unternehmen einen schalen Beigeschmack. So möchten wir doch alle – als Kunden wie als Lieferanten, als Mitarbeitende wie als Miteigentümer oder Aktionäre – die Sicherheit haben, dass Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung im wirtschaftlichen Miteinander gewährleistet werden und sich keine „Leichen im Keller“ des Unternehmenserfolgs finden. Die Gemeinwohl-Bilanz misst Unternehmen an diesen Werten, die alle zusammen ein Bild davon vermitteln, wie es um die ökologischen und menschlichen Qualitäten einer Firma bestellt ist. Das ist nicht immer leicht in Zahlen zu fassen. Deshalb erstellen sie neben der „normalen“ Bilanz auch eine – noch – freiwillige Gemeinwohlbilanz. Ihr Ziel: Über die Ergebniswerte der Gemeinwohlmatrix im Verhältnis zu allen Geschäftspartnern Klarheit zu bekommen und vom Wissen ins Handeln zu kommen. Bis zu 1.000 Punkte können erreicht werden und jeder einzelne Punkt macht die Welt ein Stück weit besser.

 

 

Der Naturkosmetikhersteller Culumnatura beispielsweise erreicht in dieser Bilanz Spitzenwerte in Sachen Menschenwürde am Arbeitsplatz und ethische Kundenbeziehungen. Denn ihr Gründer Willi Luger, selbst Friseur, entwickelte aus Sorge um die Gesundheit von Friseur und Kunde hautfreundliche und für die Natur unbedenkliche Produkte. Die Culumnatura-Akademie gibt zum Beispiel auch Friseuren, die in ihrer Arbeit mit chemischen Mitteln Krankheiten entwickelt haben, die zweite Chance, sich in der Anwendung von unschädlichen Produkten als NaturFriseur fortzubilden. Mit der Soziokratie als Organisationsmodell gedeiht die innerbetriebliche Mitentscheidung im Sinne des Konsens mehr und mehr.

Seit mehr als 25 Jahren strebt auch das Familienunternehmen EM-Chiemgau, das auf Basis von Effektiven Mikroorganismen Produkte für Landwirtschaft und Gartenbau, für probiotische Reinigung sowie für die Unterstützung des menschlichen Mikrobioms herstellt, nach dem Gemeinwohl. In Punkto gesellschaftlicher Verantwortung fiel die Bilanz von Anbeginn positiv aus, getreu dem Motto „effektiv miteinander“ von Inhaber Christoph Fischer und seinem Team. Aktiver Klimaschutz wird nicht nur durch die Produkte selbst, sondern auch durch CO2-mindernde Maßnahmen und die Unterstützung von regionalen Projekten.

 

In Sachen Transparenz und Mitentscheidung in der Zulieferkette ist die Taifun-Tofu GmbH ein Musterbeispiel. Seit mehr als 25 Jahren engagiert sich der Tofu-Spezialist aus dem Schwarzwald für einen regionalen nachhaltigen und gentechnik-freien Bio-Sojaanbau. So brachte eine Anbaustudie in Zusammenarbeit mit 3.000 Landwirten und Hobbygärtnern eine für kühlere Regionen geeignete Soja-Sorte hervor. Taifun stellt diese Sorten nun patentfrei zur Verfügung.

 

Fotoshooting im Rahmen der Workation Kampagne (Konversionsförderung) 2020

Auch auf kommunaler Ebene setzt das Umdenken ein: Gemeinden engagieren sich durch Einsatz erneuerbarer Energien, sozialen Wohnungsbau, ethische Geldanlage und Zusammenarbeit mit regionalen Anbietern für das Gemeinwohl. In Destinationen, die vom Tourismus leben, spieltin der Gemeinwohl-Bilanz ökologische Nachhaltigkeit, Fairness bei Lieferketten sowie eine wertebasierte Kunden- und Mitarbeiterbindung eine bedeutende Rolle. Von der Hochschule Kempten unterstützt, stellten Füssen Tourismus und die Allgäu GmbH ihre Gemeinwohlbilanzen auf, um wichtige Impulse zur Nachhaltigkeit in den eigenen Strukturen zu bekommen. So zieht die eigene Gemeinwohl-Bilanz auch im Geschäftsumfeld Kreise. Dafür leisten seit vielen Jahren visionäre Hotels wie das gemeinwohlbilanzierte Biohotel Mattlihüs, das Biohotel Eggenberger und das Parkhotel Frank, alle Partnerhotels der Kooperation Allgäu Top Hotels, starke Pionierleistung.

Wie wichtig es ist, bei der Gemeinwohlbilanz genau hinzuschauen, zeigt die Yoga-Manufaktur Bausinger, die seit 1975 Schurwoll-Yogamatten mit rutschfester Unterseite auf der schwäbischen Alb produziert. Für jedes neue Produkt wird vorab der Bausinger Nachhaltigkeitsindex aufgestellt. Bei einem Vergleich von Naturkautschuk- und PVC-Matten schnitten die regional produzierten langlebigen PVC Matten erstaunlich gut ab. Denn die Arbeitsbedingungen in den auch für eine gesunde Ökologie fragwürdigen Naturkautschuk plantagen in Malaysia und Indonesien sind hochgradig gesundheitsgefährdend. Durch genaues Hinschauen auf die ökologische Nachhaltigkeit der Lieferanten konnte Bausinger seine Gemeinwohlbilanz weiter verbessern.

Die nestbau AG aus Tübingen kann bereits ihre dritte Gemeinwohl-Bilanz vorlegen. Als Bürger-AG, die mit der Geldanlage ihrer Aktionärinnen und Aktionäre bezahlbaren Wohnraum in klimaschonenden Neubauten errichtet, erzielt die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft im Bereich gesellschaftlicher Wirkung und Kundenbeziehung bereits Spitzenwerte. Seit der ersten Gemeinwohl-Bilanz engagiert sich die nestbau AG zudem noch mehr für ressourcenbewusstes Bauen und setzt mehr und mehr auf nachhaltige Baustoffe. Die Beispiele zeigen, dass auch die Gemeinwohlbilanz nichts Statisches ist. Vielmehr spornt ein Defizit in einer bestimmter Zeile oder Spalte der Matrix für die Zukunft an. Aus dem Wissen darüber ins Handeln zu kommen, kann die Welt für die Erdengemeinschaft zum Wohlfühlort aller machen.

weitere Beiträge über Nestbau finden sich auf www.quell-online.de

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Seit vielen Jahren berichtet Quell über Prinzipien, Projekte und Best Practice in der Gemeinwohlökonomie.Hier einige Links zu bereits erschienenen Beiträgen:

www.quellonline.de/vegetarisches-bio-hotel-balance-neue-ideen-durch-die-gemeinwohlbilanz/

www.quellonline.de/erfolgreich-fuer-das-gemeinwohl/

www.quellonline.de/zeit-zum-umdenken-zeit-fuer-gemeinwohloekonomie/

www.quellonline.de/nestbau-ag-setzt-auf-gemeinwohl/

 

 

 

3. August 2022