Vogel gefunden – was nun?
Nackt und hilflos liegt es am Boden: ein Singvogelküken. Viele Menschen, allen voran Kinder, wollen instinktiv helfen – wissen aber nicht genau, was jetzt zu tun ist. Unsicherheit besteht auch beim Fund eines verletzten Altvogels oder wenn ein Ästling scheinbar schutzlos herumhopst. Wir haben wichtige Notfalltipps und Wissenswertes zusammengetragen.
Lautes Gezeter im Garten und allgemeine Unruhe kündigen die jährliche Brutzeit der Vögel an. Nun heißt es: Nistplätze suchen und Material herbeischaffen! Die Amsel gehört in unseren Breiten zu den Ersten. Sie brütet oft schon im Februar. Für das Bundesnaturschutzgesetz beginnt die Brutzeit offiziell am 1. März und endet am 30. September. Paragraf 39 definiert diesen Zeitraum als eine besondere Vogelschutzzeit, in der das Schneiden von Hecken und Gehölzen sowie das Fällen von Bäumen verboten ist. Auch das Angebot im eigenen Futterhaus sollte sich nun ändern. Wie genau – darüber streiten sich die Experten. Aktueller Konsens scheint zu sein: Fettfutter ist für Jungvögel kaum verdaulich und an Erdnüssen oder Sonnenblumenkernen können sie ersticken. Empfehlenswert sind stattdessen feine Sämereien sowie protein- und kalkreiches Futter.
Notfälle während der Brutzeit
Wo gebrütet wird, ereignen sich leider auch Dramen: Während der Paarungszeit kommt es häufig zu Vogelschlag, weil die Tiere im Hochzeitsfieber ungebremst gegen Fensterscheiben und Autos fliegen. Später im Jahr finden Spaziergänger oft hilflose Vogelküken – und wollen sie retten.Doch leider ist „gut gemeint“ nicht immer „gut gemacht“. Grundsätzlich gilt: Wildtiere sind keine Haustiere. Ziel jeder Intervention muss sein, am Ende ein gesundgepflegtes Tier wieder selbstständig überlebensfähig in die Natur zurückzubringen. Diese anspruchsvolle Aufgabe übernehmen fachkundige Päppelstellen der Wildvogelhilfe. Auf keinen Fall darf im privaten Rahmen an Wildtieren herumexperimentiert werden. Bekommen Vögel, insbesondere Jungvögel, kein artgerechtes Futter, entstehen Gefiederschäden und andere Probleme durch Fehlernährung, die von Flugun-fähigkeit bis zum Tod reichen können. Auch
Fehlprägungen auf den Menschen können zum Problem werden.
Wann sind Vögel hilfsbedürftig?
Doch wie erkennt der Laie nun einen hilfsbedürftigen Vogel in freier Wildbahn? Ein unbefiederter und/oder noch flugunfähiger Jungvogel am Boden wird schnell zur Beute für Fressfeinde (eine Ausnahme bilden Ästlinge – zu ihnen später mehr). Bei älteren Tieren deuten unübliches Verhalten, erfolglose Flugversuche, eine hechelnde Atmung und offensichtliche Verletzungen – wie Blut, verletzte Flügel oder Beine, verdrehte Körperhaltung etc. – auf Hilfsbedürftigkeit hin.
Tierarzt muss vogelkundig sein
Der Gang zum Tierarzt liegt bei einem verletzten Vogel nahe. Doch Vorsicht – der Veterinär sollte unbedingt wildtier- und vogelkundig sein. Niemand würde sich mit gebrochenem Bein einem Dermatologen anvertrauen, weil Brüche schlicht nicht sein Fachgebiet sind. Und so kann auch nicht jeder Tierarzt, der sonst vielleicht nur Hunde und Katzen behandelt, einen Wildvogel zielführend kurieren. Im Zweifel vermittelt die Facebook-Gruppe „Wildvogelhilfe-Notfälle“ einen geeigneten Kontakt. Auch Tierheime sind in der Regel keine kundigen Ansprechpartner, da sie
Wann sind Vögel hilfsbedürftig?
Erste Hilfe für Vogelküken und verletzte Vögel
- Vorsichtiges Anfassen ist bei Vögeln erlaubt – anders als z. B. bei Rehkitzen.
- Nacktes Küken: zuerst die Lage prüfen. Ist es aus dem Nest gefallen? Gibt’s noch weitere „Bruchpiloten“? Befindet sich ein Nest in der Nähe? Ist es zugänglich? Notizen machen für die Experten. Tier sichern (siehe unten) und wärmen (zunächst in der eigenen Hand oder im Ausschnitt).
- Scheinbar hilflos herumhüpfendes Jungtier: Umgebung aus sicherer Entfernung beobachten. Kommen die Eltern zum Füttern? Dann handelt es sich um einen Ästling – bitte nicht eingreifen! Höchstens aus der Gefahrenzone nehme (zum Beispiel Straßen-
fahrbahn) und ins nächste Gebüsch setzen. - Ganz wichtig: Dem Patienten zunächst kein Futter und kein Wasser anbieten (Gefahr von Flüssigkeit in der Luftröhre (Aspiration) und Fehlfütterung).
- Vogel zur Bestimmung durch Experten mit dem Handy fotografieren. Vogelkot ebenfalls fotografisch dokumentieren – er gibt Aufschluss über den Ernährungszustand des Tieres.
- Geschützt unterbringen: Schuhkarton mit Deckel organisieren, Luftlöcher von innen nach außen stechen (sonst Verletzungsgefahr), mit gerolltem Handtuch oder Socke ein Nest formen, Tier aufrecht hineinsetzen, Kopf ggf. abstützen, Füße unter den Körper.
Karton schließen, dunkel und ruhig stellen. Käfige sind ungeeignet – Verletzungsgefahr. Nackte Küken müssen gewärmt werden – etwa durch eine handwarme Wärmflasche unter dem Karton. - Nun umgehend bei den Experten melden, am besten über die Facebook-Gruppe „Wildvogelhife-Notfälle“ und deren Anweisungen folgen. Eine gute Anlaufstelle ist auch www.wildvogelhilfe.org.
- Katzenopfer brauchen umgehend, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden Antibiotika – auch wenn sie auf den ersten Blick unverletzt scheinen.Katzenspeichel enthält zahlreiche Erreger, die sich blitzschnell ausbreiten können.
Anleitung zur Notfall- Unterbringung:
- Stechen Sie von innen nach außen Luftlöcher in einen Schuhkarton.
- Polstern Sie den Karton mit Küchenkrepp aus und formen Sie ein Nest aus einem aufgerollten Handtuch.
- Setzen Sie den Vogel aufrecht hinein, Füße un- ter dem Körper. Den Kopf bei Bedarf abstützen.
- Deckel auf den Karton. Ruhig und dunkel stellen.
FOTO Stephanie Schweigert . ILLUSTRATION Antje Therés Kral
DIE AUTORIN Elisabeth Menzel studierte Medien- und Kommunikationswirt- schaft in Ravensburg. Ihr Volontariat und erste Jahre als Redakteurin verbrachte sie beim Südwestrundfunk (SWR). Es folgten Stationen als Print-Redakteurin und Pressesprecherin. Inzwi- schen arbeitet sie als freie Journalistin und schreibt am liebsten über gesunde Ernährung, Umweltschutz, Nachhaltigkeit und biologische Landwirtschaft.