IG FÜR-Symposium: Von der Schwierigkeit, wahre Preise zu bestimmen

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„Es gibt eine Diskrepanz zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung.“ Dieses Statement von Tobias Bandel, Geschäftsführer von Soil & More Impacts, auf dem Symposium der Interessengemeinschaft für gesunde Lebensmitte (IG FÜR) in Berlin, bringt die Misere bei Lebensmitteln auf den Punkt. Viele der Akteure – vom Bauern bis zum Lebensmittelhersteller, vom Handel bis zum Verbrauer – wissen, dass viele Kosten bei den derzeitigen Preisen nicht berücksichtigt werden. „Externe Kosten“ nennt die Wirtschaftswissenschaft die Kosten für den Umweltverbrauch, wie etwa die Zerstörung fruchtbarer Böden durch den Einsatz von Pestiziden oder die Belastung der Atmosphäre mit Kohlendioxid (CO2). So entstanden zum Beispiel bei einer Bruttowertschöpfung von rund 3 Billionen Euro im Jahr 2017 in Deutschland rund 90 Milliarden Euro an externen Kosten. Diese gehen zu Lasten der Umwelt und sind mittel- und langfristig von der Gesellschaft zu tragen. Im Rahmen einer Fallstudie für den Discounter Penny hat das Forschungsnetzwerk „Märke für Menschen“ in Augsburg die wahren Kosten von 18 Lebensmitteln errechnet. So müßte beispielsweise ein Pfund gemischtes Hackfleisch statt 2,79 Euro mehr als das Doppelte, nämlich 7,63 Euro, kosten. In dieses Berechnung gingen ein die externen Kosten für Stickstoffderivate, Energie, Treibhausgasemissionen sowie Landnutzungsänderungen. Besonders hoch waren die externen Kosten bei tierischen Nahrungsmitteln, bei pflanzlichen Nahrungsmitteln fielen sie geringer aus. „Es gibt starke Emissionsunterschiede zwischen den Lebensmittelgruppen“, zieht Forschungsnetzwerk-Leiter Dr. Tobias Gaugler das Fazit.

Bei den heutigen Preisen zahlen alle Akteure kurz- und mittelfristig drauf. Was es bedeutet, wenn 100 g Schweine-Schnitzel bei EDEKA 1,74 Euro kosten, rechnet die Schweinehalterin Martina Magg-Riedesser vor. Auch wenn sie von EDEKA besser als von anderen für ihre Schweine bezahlt wird, kann sie von den Preisen nicht leben. „Bei diesen Preisen zahlen wir drauf und in der nächsten Generation wird niemand mehr bereit sein, das mitzumachen“, so sagt sie. Ihren Hof, den sie konventionell bewirtschaftet, kann sie nur durch eine Biogas-Anlage wirtschaftlich am Leben halten.

Bekannt ist das Problem der niedrigen Preise im Lebensmittelhandel und die nicht berücksichtigten externen Kosten schon seit Jahrzehnten. Aber bislang ist es noch nicht gelungen, dafür eine funktionierende Lösung umzusetzen. Professor Achim Spieler von der Georg-August-Universität Göttingen schlägt beispielsweise vor, die Mehrwertsteuer für die Produkte entsprechend ihrer externen Kosten anzupassen. Derzeit ist es ein Ringen um den richtigen Weg, den Konsum zukunftsfähig zu machen. So würde beispielsweise die derzeitige C02-Steuer von 25 Euro pro Tonne noch nicht den wahren Kosten von 80 Euro pro Tonne entsprechen. Tobias Bandel, Geschäftsführer von Soil & More Impacts, sieht noch viel Luft, um die Preise nach oben hin anzupassen. Denn derzeit landen rund 40 Prozent der eingekauften Lebensmittel ungenutzt in der Tonne. Wenn die Konsumenten weniger wegwerfen würden, dann könnten sie auch mehr für Lebensmittel bezahlen, ohne insgesamt tiefer in die Taschen greifen zu müssen.

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