Traumata sind heilbar

Das Auftauen von Traumata ist unumgänglich

In der spirituellen Welt fließen die Vergangenheit und die Gegenwart zusammen. Unser chronologischer Zeitbegriff spielt in der spirituellen „Anderswelt“ keine Rolle, hier geht es vielmehr um zeitlose emotionale und religiöse Zustände. Damit gibt es eine starke Verbindung zwischen dieser spirituellen Denkweise und den Erkenntnissen eines psychologisch-medizinischen Themenkomplexes, der heute immer mehr an Bedeutung gewinnt: dem Fachgebiet der Traumaheilung. Denn für ein Trauma bleibt die Zeit stehen, es befindet sich ebenfalls in einem zeitlosen Zustand.

Selbst wenn es Jahre oder Jahrzehnte zurück liegt, ist die Wirkung so, als ob es sich erst soeben ereignet hätte. Bezüglich Traumata trifft das Sprichwort „Zeit heilt alle Wunden“ eben überhaupt nicht zu. Denn durch ein Trauma wird der Lebensfluss blockiert, Emotionen erstarren und werden eingefroren. Für Emotionen, die im Moment ihrer Entstehung nicht verarbeitet werden können, bleibt die Zeit stehen. Sie kommen erst wieder ins Fließen, wenn man in der Lage ist, zu diesen Emotionen vorzudringen, das heißt,. sich mit ihnen zu konfrontieren und sie wieder aufzutauen. Dies kann sehr schmerzvoll sein.

Um sich das besser vorzustellen, kann der Vergleich mit einem Gletscher in den Alpen dienen. Vor etwa 40 Jahren ist in der Schweiz ein Bergsteiger abgestürzt, der in einem Gletschergebiet unterwegs war. Die Suche nach ihm blieb damals erfolglos. Als sich nun dieser Gletscher in Folge des Klimawandels immer mehr zurück zog, gab er auch die Leiche des Bergsteigers frei, der vorher viele Jahr lang im „ewigen“ Eis eingefroren lag. Das Auffinden des Bergsteigers bedeutet in diesem Vergleich das Auffinden eines Traumas und des Erkennens der Ursachen seiner Entstehung.

Um auch das Auftauen eines Traumas selbst besser erfassen zu können, möchte ich – ebenfalls zum Vergleich – ein Erlebnis aus meiner Kindheit erzählen. Ich war beim Skifahren in kalten Wintertagen, hatte aber damals vor über 50 Jahren nur eine sehr schlechte Ausrüstung. Ich besaß keine richtigen Winterstiefel. Die Skis hatten damals eine Zugbindung, so dass man mit allen möglichen Schuhen damit fahren konnte. Begeistert vom Skifahren, achtete ich nicht auf die Kälte. Als ich heimkam, waren meine Füße eingefroren. Meine Oma erkannte das Problem schnell und steckte meine nackten Füße in ein kaltes Wasser. Ich schrie vor Schmerz, weil die gefrorenen Füße das nur etwa fünfzehn Grad kalte Wasser als extrem heiß empfanden. Aber nur dadurch konnten meine Füße auftauen und wiederbelebt werden und das Blut konnte wieder ungehindert durch die Adern fließen.

Viele Menschen verdrängen ihre Traumata, selbst wenn sie darum wissen, weil sie sich vor diesem „Auftauen“ fürchten, sicher oft ein sehr schmerzlicher emotionaler und psychisch belastender Prozess. Das ist verständlich. Die Traumata können jedoch nur dadurch geheilt werden, indem man sie auftaut. Und das bedeutet, sich nochmals mit den schlimmen Szenen und Situationen ihrer Entstehung zu konfrontieren und sie nochmals zumindest im Ansatz zu erleben und zu fühlen.

Dies kann manchmal zum Beispiel in einer Psychotherapie geschehen. Wichtig ist, dass der Therapeut um die Bedeutung eines solchen Geschehens weiß und dem Klienten zur Seite steht, wenn ein Trauma aufgetaut wird. Die folgende Geschichte einer Traumaheilung beruht auf der ganz persönlichen Erfahrungen von Georg (66 Jahre, Name geändert). Bei seiner Heilung fließen spirituelle Erfahrungen seiner katholischen Tradition und Erkenntnisse der heutigen Traumaforschung zusammen.

Eine schlimme Kindheit

Die Mutter von Georg war mit ihm unerwartet schwanger geworden. Auf dem Land galt eine Frau mit einem unehelichen Kind damals als „verdorben“ für den Heiratsmarkt und wenn es irgendwie möglich war, heirateten die Eltern vor der Geburt, um sich selbst und vor allem dem Kind das Stigma der Unehelichkeit zu ersparen. So war es auch bei Georg: Seine Eltern heirateten nur zwei Monate vor seiner Geburt. Doch seine Mutter wollte eigentlich kein Kind und sie war wütend, dass ihr Leben jetzt unerwartet diese Wendung genommen hatte. Als damals 20-Jährige meinte sie, ihr Leben sei durch das Kind versaut worden. In jedem Fall waren ihre ursprünglichen Lebenspläne zerstört. Darum war sie wütend auf ihr Kind, das aber doch gar nicht dafür konnte.

Georg bekam diese Wut seiner Mutter mehrfach ab: Er wurde schon bei seiner Geburt abgelehnt, seine Mutter versorgte ihn nur widerwillig. Aus vielen Erzählungen von Verwandten erfuhr er später, dass die Mutter sich permanent mit ihm als kleines Baby überfordert fühlte, ihn beim Wickeln schlug, wenn sie besonders wütend war und ihn stundenlang alleine schreien ließ, um ihn zu „erziehen“. Bereits nach sechs Wochen hatten sich ihre Brüste entzündet, weil sie sich innerlich weigerte, sich dem Stillen hinzugeben. Sie ging ins nahe Krankenhaus und wollte das Baby nicht mehr sehen – vier Wochen lang nicht. Seine emotional sehr verschlossene Großmutter hat ihn damals mit dem Nötigsten versorgt. All das muss in Georg sehr starke Ängste und ein tiefes Isolationsgefühl ausgelöst, sowie in ihm den elementaren Eindruck erzeugt haben, gar nicht erwünscht zu sein in seiner Familie.

Diese traumatischen Erlebnisse schleppte Georg schon ein ganzes Leben lang mit sich herum. Auch eine jahrelange Psychotherapie konnte dieses Gefühl seiner Isolation nicht wirklich verändern oder gar heilen. Zudem fühlte Georg eine immer größere innere Unruhe in sich, je älter er wurde. Vor allem wurde er oft von starken Gefühlen wie Wut, Trauer und einer unerklärlichen (Lebens)Angst überflutet. Was sollte er nun tun? Wie könnte er Heilung von diesen frühen Erlebnissen in seiner Kindheit erfahren?

Aus seiner katholischen Tradition heraus entschied er sich für eine ganz persönliche Wallfahrt nach Maria Beinberg, das in der Nähe des oberbayerischen Schrobenhausen liegt. Unterhalb der Marien-Wallfahrtskirche gibt es die sogenannte Fatima-Kapelle, die Georg für sein ganz persönliches Ritual sehr geeignet erschien. Sie ist nach vorne offen, so dass man die Marienfigur schon von Weitem sieht. Diese Maria hat einen „Nirwana-Blick“, also einen Blick in die Ferne, vielleicht in eine ganz andere, spirituelle Welt. Von dieser Maria, die für Georg natürlich nur ein Symbol für die Göttliche Mutter selbst, also für den weiblichen Aspekt des Göttlichen darstellt, fühlte er sich schon seit langem angezogen und in seinem Inneren berührt.

Daher schien ihm genau diese Kapelle mit dieser Madonna geeignet, die schlimmen Erlebnisse mit seiner damals total überforderten weltlichen Mutter nun nach 65 Jahren zur göttlichen Mutter zu tragen und in ihrem Beisein eine Heilung von den uralten Traumata zu erbitten; und eine Transformation der in ihm längst toxisch gewordenen unverdauten Emotionen aus früher Kindheit zu ermöglichen. Wenn für Traumata keine Zeit vergeht, dann erschien Georg auch das Dasein der göttlichen Mutter in ihrem zeitlosen spirituellen Raum, wie er sie in der Kapelle wahrnahm, genau richtig für sein Heilungs-Anliegen. Doch wie sollte diese Heilung konkret geschehen? Hier sein ganz persönlicher Bericht.

Transformation toxischer Emotionen in der Fatima-Kapelle

„Zwei Kilometer entfernt von dem Wallfahrtsberg parkte ich mein Auto, konzentrierte mich auf die Intention meiner Wallfahrt, übertrat dann bewusst eine Schwelle, die ich mir aus Ästen auf dem Boden gebildet hatte und ging schon ab da geistig in eine Anderswelt, die ja jederzeit neben unserer Realwelt existiert: in eine spirituelle Welt. Während ich nun auf den Wallfahrtsberg zumarschierte, ließ ich nochmals meine Gedanken schweifen und stellte mir meine Anliegen immer konkreter vor, die ich der Heiligen Maria in der Kapelle vorbringen wollte. Meine Intentionen waren schließlich glasklar, als ich bei der Kapelle ankam.

Nun zündete ich zunächst für jede der in mir rumorenden Emotionen eine Kerze an, stellte sie auf den Kerzentisch und „besprach“ anschließend jede Kerze mit der Emotion, die ich loswerden und transformieren wollte. Damit ließ ich die Emotion bewusst und begleitet von Gebetsworten aus meinem Inneren, aus Seele und Gemüt, heraus- und dann in die Kerzenflamme hineinfließen, damit sie dort verbrennen und in eine positive Emotion transformiert werden konnte. Da ich wusste, dass diese Kapelle mit der Fatima-Maria von vielen Gläubigen besucht wird, ist sie spirituell aufgeladen, so dass die gewünschte und beabsichtigte Transformation viel leichter als anderswo gelingen kann. Nachfolgend drei Beispiel

Erste Kerze: ‚Göttliche Mutter, hiermit übergebe ich Dir und der Flamme dieser Kerze die furchtbare, in mir schon so lange rumorende Angst meines Babys vor dem totalen Verlassensein und Alleinsein. Verwandle diese Angst und Panik in Geborgenheit in Dir als meiner Göttlichen Mutter. Ich danke Dir schon jetzt, dass Du meine Bitte erhört hast. Amen.‘
Zweite Kerze: ‚Göttliche Mutter, hiermit übergebe ich Dir und der Flamme dieser Kerze die Wut auf meine Mutter. Verwandle meine Wut und meinen Groll auf sie in Verständnis und Liebe ihr gegenüber. Ich danke Dir, dass Du diese meine Bitte bereits erhört hast. Amen.‘
Dritte Kerze: ‚Göttliche Mutter, hiermit übergebe ich Dir und der Flamme dieser Kerze meine Trauer über die schlimmen Erlebnisse als kleines Baby und als Kind. Verwandle diese Trauer in Gelassenheit und Güte und lasse mich geborgen sein in Dir als meine Göttliche Mutter. Ich danke Dir schon jetzt für die Erfüllung dieser meiner Bitte. Amen.‘

Zu jeder Bitte sprach ich ein ‚Gegrüßet seist Du Maria‘ und stellte mir dabei vor, wie auch dadurch jede einzelne Bitte ins Göttliche ‚hochgehoben‘ wurde. Verstärkt durch dieses Marien-Gebet flossen die in mir rumorende Angst, die Wut und die Trauer aus meinem Gemüt heraus und zunächst in die Kerze, die ich jedoch für die jeweilige Emotion nur als Anhaltspunkt, Zwischenstation und Transportmittel betrachtete auf ihrem Weg ’nach oben‘. In jedem Fall spürte ich, wie meine Seele in diesem Kerzenritual die mich schon so lange quälenden und mich belastenden Emotionen abgab ins Göttliche, zur Göttlichen Mutter. Dies erleichterte mich enorm und meine Seele fühlte sich dadurch immer freier.

Als ich alle Kerzen aufgestellt, sie mit dem jeweiligen Anliegen besprochen und damit jede einzelne Emotion abgegeben und ‚hochgebetet‘ hatte, bedankte ich mich nochmals bei der göttlichen Mutter, verneigte mich vor der Statue und machte mich auf dem Rückweg zu meinem Auto. Auch dabei konnte ich feststellen, dass immer mehr psychische Last von mir abfiel. Als ich nach Hause kam, fühlte ich mich viel leichter als vorher: befreit von einer jahrelang mit mir herumgeschleppten schweren emotionalen Last.“

Reflexion

Man sollte die Wirkung dieses Vorgangs bei der Wallfahrt von Georg nicht unterschätzen. Nach Gabor Maté, dem bekannten Kanadischen Traumaforscher, besteht der erste wesentlich Schritt einer Trauma-Heilung darin, dass die Betroffenen überhaupt erkennen, dass für ihre psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder chronischen Leiden wie Krebs, Multiple Sklerose oder rheumatoide Arthritis psychische Faktoren ausschlaggebend sind: toxisch gewordene Emotionen aus früher Kindheit. Diese schlimmen Erkrankungen werden häufig also von unbehandelten Emotionen aus früher Kindheit verursacht. Zu diesem ersten Schritt gehört es dann auch, dass Patienten die belastenden Situationen und die dabei erlebten Traumata konkret benennen können.

Traumata entstehen ja immer dann, wenn auftretende stressige Emotionen im Moment ihrer Entstehung und auch danach nicht aufgelöst werden und wieder abfließen können. Der Betroffene wird durch Emotionen überflutet wie eine Landschaft vom Hochwasser. Können die belastenden Gefühle dann über eine lange Zeit nicht beseitigt werden, bleiben sie in der Psyche des Betroffenen stecken, kippen um, werden toxisch und fangen an, immer mehr im Inneren zu rumoren. Dies war bei Georg der Fall.

Können nun die Symptome gedeutet und den stressigen Situationen in der Kindheit zugeordnet werden, dann kann dies oft schon eine starke psychische Entlastung und eine Heilung bewirken. Ich erkenne hierin den sogenannten „Rumpelstilzchen-Effekt“: Indem das eigentliche (!) Problem hinter den psychischen oder körperlichen Symptomen benannt werden kann, können sie manchmal schon dadurch entweichen. Zumindest aber verlieren sie meist schon viel an ihrer toxischen Wirkung und können so das Körper-Geist-Seelen-System energetisch entlasten.

Im obigen Fall von Georg gab es jedoch noch einen sehr bewusst gesetzten zweiten Schritt: Die bereits benannten Erlebnisse aus seiner Kindheit und die dabei entstandenen unerlösten Emotionen, wurden im bewussten Akt der Wallfahrt angetriggert und aus ihm „herausgeholt“, indem er sie einzeln der Göttlichen Mutter übergab. Entscheidend für die erfolgreiche Wirkung dieses Rituals waren folgende Schritte:

  • 1. Zum einen hatte sich Georg auf dem Weg zur Kapelle sehr fokussiert und die einzelnen Emotionen bereits klar vor Augen, die er loswerden wollte. Er hatte sie also in sich „benannt“ (s.o., Rumpelstilzchen-Effekt).
  • 2. Dann übergab er jede einzelne Emotion je einer Kerzenflamme. Dadurch wurde er seinem ganzen emotionalen „Salat“ in sich Herr, indem er diesen in emotionale Einzel- oder Teilportionen aufteilte. Mit dem rituellen und feierlichen Hinein-Sprechen in die Flamme konnten die einzelnen Emotionen dann aus seiner Psyche heraus- und in das Feuer der Kerze hineinfließen.
  • 3. Schließlich übergab Georg diese seine belastenden Emotionen zugleich einer höheren Instanz zur Umwandlung in ein positives Gefühl: Er „schob“ sie zum Göttlichen, zur Göttlichen Autorität, zur Göttliche Mutter mit der Bitte um Annahme und Transformation ins Positive. Dadurch hatte er seine belastenden Emotionen los und die Göttliche Mutter hatte sie wie ein Staubsauger für emotionalen Abfall und für dunkle Energien auf einer spirituellen Ebene aufgenommen.
  • 4. Zudem bedankte sich Georg noch am Wallfahrtsort bei der Göttlichen Mutter für die Gewährung seiner Bitten und erhöhte so die Wirkung des ganzen Heilsgeschehens, weil er damit selbst aktiv an den Erfolg seines Rituals glaubte und nicht daran zweifelte. Er fühlte sich dabei bestärkt durch das Jesus-Wort in der Bibel: „Bittet, dann wird euch gegeben…“[iii]

Georg machte später noch mehrere andere Wallfahrten, um dabei weitere Portionen belastender Emotionen loszuwerden. Nach mehreren Wochen konnte er selbst feststellen, wie es ihm immer leichter ums Herz wurde. Er konnte auf diese Weise viel Heilung erfahren…

Peter Maier

(Lehrer für Physik und Spiritualität, Lebensberater, Supervisor, Autor)

Literatur:

Peter Maier: „Heilung – Die befreiende Kraft schamanischer Bilder“ (Softcover)
ISBN 978-3-756521-18-0 (Preis: 16,99 €, Epubli Berlin, 1. Auflage 2022)
eBook: ISBN: 978-3-756523-53-5 (Preis: 10,99 €, Epubli Berlin, 2022)

Peter Maier: „Heilung – Plädoyer für eine integrative Medizin“ (Softcover)
ISBN: 978-3-752953-99-2 (Preis: 18,99 €, Epubli Berlin, 1. Auflage 2022)
eBook: ISBN: 978-3-752952-75-9 (Preis: 12,99 €, Epubli Berlin, 2022)

Peter Maier: „Heilung – Initiation ins Göttliche“ (Softcover)                                                                     
 
ISBN: 978-3-95645-313-7 (Preis: 18,99 €, Epubli Berlin, 2. Auflage 2016)
eBook:  ISBN: 978-3-752956-91-7 (Preis: 11,99 €, Epubli Berlin 2020)

 

Nähere Infos und Buchbezug: www.alternative-heilungswege.de und                                           

                                                    www.initiation-erwachsenwerden.de

 

 

[i]           vgl. Dr. Gabor Maté: „Wenn der Körper Nein sagt. Wie verborgener Stress krank macht – und was Sie dagegen tun können“, Kandern, 8. Auflage 2023

[ii]          vgl. ebd.

[iii]         Das Neue Testament: „Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift“, Katholische Bibelanstalt Stuttgart, 5. Auflage 1974