Rettet die Nacht

Helligkeit ist gut. Sie ist vertraut, warm und sicher. Im Kontrast dazu fürchtet sich der Mensch traditionell vor der Dunkelheit. Unsere moderne Gesellschaft möchte sich zudem dem natürlichen Rhythmus von Tag und Nacht nicht mehr beugen.

Aus diesen Gründen erhellen wir die Finsternis mit Kunstlicht, zum Nachteil von Insekten, Vögeln und letztlich auch von uns selbst. Harald Bardenhagen, ein Experte für Lichtverschmutzung, zeigt Probleme auf – und bietet Lösungen an.

Licht und seine Schattenseiten

Richtig finster wird es auf der Erde gar nicht mehr. Ampeln, Schaufenster und Leuchtreklamen erhellen unsere Städte. Und auch auf dem Land beleuchten wir Markt-, Sport- und Parkplätze mit hellen Strahlern. Das in die Atmosphäre gestreute Kunstlicht überlagert die natürliche Dunkelheit. Deshalb besitzt jede Metropole ihre eigene „Licht- kuppel“. Dieses Phänomen wird als Lichtverschmut- zung oder Lichtsmog bezeichnet. Vom Weltraum aus ist der Effekt besonders gut sichtbar. „Wir wachsen auf in einer beleuchteten Nacht“, berichtet Harald Bardenhagen besorgt. „Allein in Deutschland gibt es neun Millionen Straßenlaternen.“ Der 1957 geborene Astronom leitet eine Sternwarte in der Eifel und setzt sich seit Jahren für belastungsarme Beleuchtung ein. Doch inwiefern ist künstliches Licht eigentlich ein Problem? Gewährleistet es nicht höhere Sicherheit und die menschliche Unabhängigkeit vom Tageslicht? „Ja, ohne Frage“, gibt Bardenhagen zu. „Trotzdem dürfen wir uns nicht täuschen lassen. Künstliches Licht in der Nacht hat auch seine Schattenseiten!“

Tiere verlieren die Orientierung

Der allgegenwärtige Mangel an Dunkelheit bringt nicht nur den biologischen Tag-Nacht-Rhythmus vieler Tiere durcheinander. Er desorientiert sie auch. Zug- und Seevögel, Fledermäuse, Frösche und sogar Meeresschildkröten verlieren aufgrund künstlicher Beleuchtung ihre Richtung. Sie verirren sich auf ihren Flugrouten oder auf dem Weg ins Wasser – was verheerende Konsequenzen haben kann. Auch nachtaktive Insekten richten sich ei- gentlich nach dem Mond und den Sternen. Irritiert

von menschlichen Lichtquellen umkreisen die Fal- ter stattdessen Kunstlichtlampen bis zur völligen Erschöpfung. In viel zu hoher Zahl fallen sie im Lampenschein ihren Fressfeinden zum Opfer oder verbrennen an heißen Leuchtmitteln. Untersuchun- gen zeigen, dass in Deutschland an einer einzigen Straßenlampe in jeder Sommernacht durchschnitt- lich 150 Insekten zugrunde gehen. Multipliziert mit neun Millionen Laternen ergibt dies Verluste in Milliardenhöhe – und das jede Nacht.

Auch der Mensch leidet unter Lichtverschmutzung

Nicht einmal wir selbst können uns vor negativen Lichteinflüssen schützen. Noch vor 150 Jahren wa- ren die meisten von uns tagsüber aktiv und ruhten in der Nacht. Nun verschwimmen diese Grenzen. Unser Biorhythmus gerät aus dem Gleichgewicht. Wir klagen über Schlafstörungen und leiden häufig an einem Mangel lichtbedingter Vitamine. Noch ist das Thema zwar nicht ausreichend erforscht. Doch was, wenn der ständige Aufenthalt in künstlich beleuchtetes Räumen und das blaue Licht der Bild- schirme uns krank machen? Übrigens waren es die Astronomen, die zuerst auf die Auswirkungen von Kunstlicht hinwiesen. Heute sind in Städten mitun- ter keine Sterne mehr am Himmel zu sehen. Indes: „Auf fast 90 Prozent der Lichtverschmutzung kön- nen wir ohne Komfortverlust und leichten Herzens verzichten“, ist sich Harald Bardenhagen sicher. Seine besten Tipps hat er für Sie zusammengefasst.

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So schützen Sie Tiere vor Lichtsmog

  • Setzen Sie nur voll abgeschirmte Beleuchtung im Außenbereich ein und nur dort, wo sie tatsächlich nötig und sicherheitsrelevant ist – etwa an dunklen Treppenaufgängen.
  • Nutzen Sie Zeitschaltuhren und Bewegungsmelder.
  • Vermeiden Sie effektvolle Fassaden- beleuchtungen und Bodenstrahler.
  • Bringen Sie Lichtquellen so niedrig wie möglich an und richten sie den Strahl nach unten. Das verhindert eine Abstrahlung in die Umgebung.
  • Wählen Sie Leuchtmittel mit niedrigem oder ohne Blauanteil. UV-, blaues und weißes LED-Licht locken verstärkt Insekten an. Je mehr Anteile von Gelb, Rot und Orange die Leuchtquellen enthalten, desto weniger störend sind sie für die meisten Tiere.
  • Verzichten Sie auf dekorative Beleuchtung. Gerade solarbetriebene Lichterketten und Lampions strahlen nach einem Sonnentag die ganze Nacht hindurch.
  • Schützen Sie die Nacht! Sobald Sie im Haus das Licht einschalten, sollten Sie Fenster- und Rollläden schließen, Rollos herunterlassen und Vorhänge zuziehen. So strahlt möglichst wenig Kunstlicht nach draußen.

DER EXPERTE

Harald Bardenhagen

klärt über Lichtverschmutzung auf und leitet eine Sternwarte in der Eifel.

DIE AUTORIN

Elisabeth Menzel

studierte Medien- und Kommunikationswirtschaft
in Ravensburg. Ihr Volontariat und erste Jahre als Redakteurin verbrachte sie beim Südwest- rundfunk (SWR).

Es folgten Stationen als Print-Redakteurin und Presse- sprecherin. Inzwischen arbeitet sie als freie Journalistin und schreibt am liebsten über Um- weltschutz, Nachhaltigkeit und biologische Landwirtschaft.

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10. August 2022