Pilgern im Altmühltal
PILGERN IM ALTMÜHLTAL
„Ihr kannt´s scho bleibe, so is net.“ Mit diesen Worten macht uns Schwester Franziska den Abschied vom Kloster der heiligen Walburga noch etwas schwerer. Es ist die letzte Station unserer Pilgerwoche zwischen Weißenburg und Eichstätt.
Schwester Franziska ist ein Original, genau wie die ganze Wanderung ein einzigartiges Unikat war, denn – selbst in unseren eigenen Fußstapfen die Tour zu wiederholen, – es wäre eine andere Tour.
Doch von Anfang an:
Wie im vergangenen Jahr haben wir uns wieder als Frauen-Gruppe der Pilgerwanderführerin Elisabeth Buddeus-Steiff anvertraut, die sich von der Streckenführung bis zu den Unterkünften um alles gekümmert hat. Die Übernachtungs-Stationen unserer 5-tägigen Pilgerwanderung entlang des Altmühltals sind Treuchtlingen, Solnhofen, Dollnstein und Eichstätt, die Wegstrecken pro Tag mit ungefähr 15 bis 20 Kilometern bemessen. Ein Gepäcktransport sorgt dafür, dass wir nur unser Tagesgepäck auf dem Rücken tragen. Mehr wissen wir nicht und müssen wir auch nicht wissen.
Angebunden an die Quellen unerschöpflicher Zuversicht
Bei der Begrüßung am Bahnhof in Weißenburg fühlt sich alles gleich ganz vertraut an – wir waren in der fast gleichen Konstellation schon im Vorjahr miteinander auf Pilgertour.
Beim Warmlaufen und Warm-Reden auf den ersten Kilometern wird mir bewusst, dass es nicht nur bei mir in den letzten Stunden vor der Abreise enorm betriebsam war. Wir Pilgerinnen haben alle den Kopf voll mit Projekten, mit Themen, die nach Lösungen suchen und doch ist es gerade in solchen Phasen für die eigene Kreativität und Entwicklung gut, sich aus dem hektischen Alltag rauszuziehen und dabei unbewusst Dinge des Alltags reifen zu lassen.
Stetig setzen wir einen Schritt vor den anderen auf den weichen Boden, genießen die Ruhe der Natur und die ständig neuen Blickwinkel, denn für uns alle ist der Weg ja neu, unbelastet, im wahrsten Sinne auch immer wieder überraschend.
Von der Fossa Carolina (bei Treuchtlingen) aus der Zeit der Karolinger beispielsweise haben selbst unsere historisch gut bewanderten Teilnehmerinnen vorher noch nichts gehört: Dieses beeindruckende von Karl dem Großen initiierte Ingenieursprojekt sollte die Flüsse Altmühl und Rezat und damit Rhein und Donau verbinden und so eine strategisch wichtige Handelsroute zwischen Nordsee und Schwarzem Meer schaffen.
Derartige Geschichten aus der Geschichte führen mir immer dieses großes geistige Bewusstseinsfeld der Menschheit vor Augen: wieviele Dinge sind doch schon gedacht, gemacht und geschrieben worden, was für unerschöpfliche Quellen, aus denen wir Erfahrungen und Erkenntnisse ziehen können.
Glück, das an Begegnung reift
Schon am ersten Abend, als wir in Treuchtlingen in einem Abenteuercamp, das eigentlich auf Teambuilding spezialisiert ist, ankommen, stellen wir fest, dass wir wie von selbst ein zusammengeschweißtes Team sind. Was für ein Geschenk!
Unbeschwerte Tage im Gold der Sonne
Noch ahnen wir alle nicht, auf welch zauberhaften Pfaden – hauptsächlich Wald- und Wiesenwegen, aber auch besondere Alleen und entlang von schmucken Gärten – uns Elisabeth Buddeus-Steiff in den kommenden Tagen noch führen wird.
Der Charme dieser im wahrsten Sinne wenig ausgetretenen Pfade liegt in der Ruhe, die sie ausstrahlen und auf unsere kleine Gruppe übertragen: Keiner vor uns, keiner hinter uns, keiner, der entgegenkommt, stets im richtigen Moment ein schöner Platz zum Picknick oder zur besinnlichen Einkehr.
Elisabeth Buddeus-Steiff hat dieses Mal die Autorin Giannina Wedde für uns entdeckt. Und die ausgewählten Texte könnten an den vielen Kraftplätzen, die wir erleben dürfen, unsere Gefühle nicht besser ausdrücken. Beispielsweise bei der Weidenkirche bei Pappenheim, über deren Altar sich der Himmel öffnet:
„Mögen Deine irdischen Wurzeln Dir Verbundenheit bewahren mit den Menschen und der ganzen Schöpfung…. Mögen Deine himmlischen Wurzeln Dir Verbundenheit bewahren mit der Ewigkeit, die Deine Heimat ist…. Möge dort, zwischen Deinen irdischen und himmlischen Wurzeln sichtbar werden, wie sehr Du geliebt bist und wie sehr Du selbst der Liebe Gestalt gibst.“ Giannina Wedde
„Segen der Bäume“ : Ich möchte Schatten spenden dem erhitzen Gemüt, dem müde gewordenen Wandern der Gedanken. Ich möchte heute den Segen der Bäume tragen, ein Ort sein, an dem man frei atmen kann.“ Giannina Wedde
Pappenheim gefällt uns überhaupt sehr gut, hier lässt sich viel kreative Energie spüren. Am Fenster von Maritas Art Café stehen Sätze wie: „Tetris hat uns gelehrt, dass wir verschwinden, wenn wir versuchen, irgendwo reinzupassen.“ und „Die Freiheit des Menschen besteht nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.“
So inspiriert gehen wir weiter, Schritt für Schritt mit neuen Blickwinkeln beschenkt.
Auf grüner Aue und zum frischen Wasser
Dazu kommt großes Glück mit dem Wetter, im rechten Moment entweder ein Unterstand bei einem Schauer und auch eine erfrischende Abkühlung im kühlen Nass, nicht nur in der Altmühl selbst. Wir genießen auch die zahlreichen Wassertretanlagen, die gespeist sind von Karstquellen: die Tretanlange der Altmühlquelle bei Pappenheim ist auch ein optischer Hochgenuss, mit dem wunderschönen Solnhofener Plattenkalk gestaltet. Wie alle Karstquellen ist sie ganzjährig mit acht Grad erfrischend. Mit 750 Litern Schüttung Karstwasser pro Sekunde hat die Hüttenbachquelle die meiste Power. Hier treffen wir auch Einheimische, die ihre Natur vor der Haustür zu schätzen wissen.
Neues aus der Geschichte erfahren
Über Solnhofen wusste ich bislang nur, dass der Ort der Namensgeber des gleichnamigen wunderschönen Bodenbelags aus Plattenkalk ist. Dass der Namensgeber des Ortes der heilig gesprochene Benediktinermönch und von Karl dem Großen hochgeschätzte Sola, ein Missionar aus England, war, war uns allen neu – genauso wie dass hier köstlichstes Klosterbrot in alter Tradition gebacken wird.
Um viel zu erleben, neues kennenzulernen, ist es wirklich nicht erforderlich, weit weg zu reisen. Die Geschichte unserer Heimat steckt voller noch zu entdeckender Überraschungen. Der Naturpark Altmühltal ist einer der größten Naturparks Deutschlands
Beschenkt vom Überfluss des Ewigen
Bei Solnhofen, da, wo sich die Altmühl ein enges Tal in die fränkische Juraplatte gegraben hat, stehen an den steilen Talhängen bizarre Felsformationen. Unser Weg führt deutlich über dem Flussniveau oben entlang durch eine fast südländisch anmutende verkarstete Landschaft mit Felsen, Höhlen, Trockenrasenflächen und immer wieder phänomenalen Ausblicken auf die Schleifen der Altmühl. Der wilde Thymian und der Wiesensalbei duften, die Schmetterlinge – sogar die selten gewordenen Apollofalter – tanzen in der klaren Luft, die blauen Schlehen leuchten vor dem weißen Felsen, Waldkiefern halten sich mit ihren starken Wurzeln am Abhang, zwischen den Wacholderheiden weiden Ziegen und Schafe.
Es lohnt sich, die Felsformationen der „Zwölf Apostel“ bei Solnhofen nicht nur vom Wasser und Tal, sondern auch mal aus der Perspektive des Höhenwegs zu erleben, und wenn die Füße müde werden, hilft ein Leibsegen:
„Leibsegen“ für die Füße: „Segen ströme in Deine Füße. Die Lebenskraft der Erde, die Geduld des Wachsenden, der Halt tiefer Verwurzelung. Lass Dich tragen von stiller Beständigkeit und sei gegenwärtig in allem, was ist.“ Giannina Wedde
Als wir von Dollnstein Richtung Eichstätt wandern, wird das Jura-Durchbruchstal wieder sehr viel breiter. Ab hier fließt die Altmühl nämlich durch ein früheres Tal der Donau. An den Bäumen hängen Info-Tafeln, die das Erleben der Natur noch intensiver machen.
„Geniesse den Augenblick, denn der Augenblick ist dein Leben.“
In Obereichstätt stoßen wir auf den beeindruckenden Skulpturenpark von Alf Lechner, der auf dem Areal des ehemals königlich bayerischen Eisenhüttenwerks über 50 teilweise monumentale Stahlskultpuren des verstorbenen Künstlers zeigt.
Auch wenn wir uns beim Gehen Zeit gelassen haben, so ist die Kette der Erlebnisse so dicht, dass es Zeit brauchen wird, alles in Ruhe zu verarbeiten und sich setzen zu lassen. Doch noch sind wir nicht am Ziel unserer Wanderung und auch das barocke Eichstätt wird uns alle beeindrucken und der Pilgerwanderung einen feierlichen Abschluss geben.
Das liegt vor allem an der Heiligen Walburga, die in Eichstätt als Äbtissin des dortigen Benediktinerklosters segensreich im Dienste Gottes an den Menschen wirkte. Heute ist St. Walburg eine bedeutende Kultstätte und ein wahrer Pilgerort für Menschen aus aller Welt.
O Jungfrau voll Güte,
wert aller Liebe,
reich an Erbarmen,
würdig des Lobes,
reinen Herzens und lauteren Sinnes,
von Gott geliebt und verherrlicht.
Heilige Walburga,
du Helferin der Menschen,
nimm dich unser an
und aller, die in Not sind;
erwirke uns von Gott
Heilung, Trost und Frieden.Amen.
Schwester Franziska, die ehemalige Äbtissin von St.Walburg, vertraut uns ein kleines Fläschchen Walburga-Wasser an, mit dem uns Elisabeth Buddeus-Steiff segnen wird. „Jeder kann segnen“, ruft uns Schwester Franziska noch nach und wir sind vom Glück beseelt, das im Alltag noch lange nachhallen wird.
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Aufmacher-Bild: Monika Humpert
Buchtipp: Giannina Wedde: In deiner Weite lass mich Atem holen – Segensworte für die Lebensreise, Vier Türme Verlag Abtei Münsterschwarzach, 202 Seiten gebunden mit Lesebändchen. 6. Auflage 2023, 19,00 €